Greifswalder Mediziner an der weltweit größten Studie zu Bauchspeicheldrüsenkrebs beteiligt
Die Greifswalder Universitätsmedizin hat sich an einer großen internationalen Studie mit 1.088 Patienten mit einem Pankreaskarzinom aus 17 Ländern beteiligt. Dabei konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass eine besser verträgliche Chemotherapie genauso wirksam ist wie die mit mehr Nebenwirkungen behaftete Chemotherapie.
Im Januar wurde das Greifswalder Pankreaszentrum zudem als erste Kompetenzeinrichtung in Mecklenburg-Vorpommern nach den Richtlinien der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert.
Das Pankreaskarzinom (Pankreaskrebs) ist eine sehr häufige Krebstodesursache und fünf Jahre nach Erkrankungsbeginn leben in der Regel nur noch fünf Prozent der Patienten. Bei jedem sechsten Patienten ist eine erfolgreiche Operation an einem spezialisierten Zentrum möglich. Das Überleben der Patienten nach erfolgreicher Chirurgie kann deutlich verbessert werden, wenn anschließend über sechs Monate eine Chemotherapie durchgeführt wird. Welche Chemotherapie nach der erfolgten Operation die beste ist, um das Überleben der Patienten zu sichern, war bisher umstritten und nicht gesichert.
In einem großen internationalen Konsortium haben sich deshalb spezialisierte Kliniken für Pankreaserkrankungen zusammengeschlossen, um zu untersuchen, welche Form der Chemotherapie die besseren Überlebensaussichten für Patienten nach erfolgreicher Operation erbringen. „Ist es gerechtfertigt, dem Patienten höhere Nebenwirkungen zuzumuten, weil die stärkere Behandlung auch den größeren Heilungserfolg erbringt? Oder können wir eine Chemotherapie mit geringeren Nebenwirkungen einsetzen und erzielen dabei den gleichen Erfolg? Das ist für einen Patienten mit einer solch schwerwiegenden Erkrankung eine wesentliche Frage und beeinflusst erheblich seine Lebensqualität“, betonte Prof. Markus Lerch, Direktor der Klinik für Innere Medizin A in der Universitätsmedizin Greifswald.
An der bislang größten Studie mit Patienten mit einer Krebserkrankung an der Bauchspeicheldrüse haben sich weltweit 159 Kliniken aus 17 Ländern beteiligt, darunter 13 aus Deutschland. Die meisten Patienten kamen in Deutschland aus den Uniklinika Heidelberg und Greifswald. Das Ergebnis der Studie, die in der amerikanischen Ärztezeitung und Fachzeitschrift Journal of the American Medical Association (JAMA*) publiziert wurde (Greifswalder Autoren Markus M. Lerch/Claus-Dieter Heidecke/Julia Mayerle), zeigt eindeutig, dass beide Chemotherapien gleich erfolgreich die Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten erhöhen können. Allerdings traten unterschiedlich häufig Nebenwirkungen bei den Patienten auf. „Somit konnte erstmals belegt werden, dass die besser verträgliche Behandlung genauso gut eingesetzt werden kann wie die Therapie mit mehr Nebenwirkungen, ohne dass dabei dem Patienten ein Nachteil entsteht“, erläuterte Lerch.
Kompetenzzentrum mit Gütesiegel
Am 10. Januar dieses Jahres erhielt das Greifswalder Pankreaszentrum die Zertifizierung von OnkoZert nach den strengen wissenschaftlichen Richtlinien der Deutschen Krebsgesellschaft. Als Voraussetzung muss bereits die Zertifizierung eines Darmkrebszentrums oder eines Onkologischen Zentrums erfolgt sein, wovon ersteres an der Greifswalder Universitätsmedizin bereits etabliert ist. Das Greifswalder Pankreaszentrum gehört zu den ersten Pankreaskarzinomzentren in den neuen Bundesländern. Ziel der Deutschen Krebsgesellschaft ist es, die Versorgung der an Krebs erkrankten Menschen zu verbessern (http://www.onkozert.de/pankreaskrebszentren.htm). Hintergrund dieser Bemühungen der Deutschen Krebsgesellschaft sind amerikanische und britische Studien, die belegen, dass Patienten mit Pankreatitis oder Pankreaskarzinom eine viel bessere Prognose haben, wenn sie an spezialisierten Zentren und nach qualitätsgesicherten Leitlinien behandelt werden.
In der interdisziplinär arbeitenden und hoch spezialisierten Einrichtung des Greifswalder Pankreaszentrums wirken Chirurgen (Prof. Claus-Dieter Heidecke, Dr. André Schreiber/Koordinator), Gastroenterologen (Prof. Julia Mayerle, Prof. Markus Lerch/Leiter), Radiologen (Prof. Norbert Hosten), Pathologen (Prof. Frank Dombrowski), Psychoonkologen (Christel Zerger), Ernährungsmediziner (Dr. Matthias Kraft), Hämato-Onkologen (Prof. Gottfried Dölken), Kinderchirurgen (Prof. Winfried Barthlen) sowie der Sozialdienst, die Physiotherapie, Schmerzambulanz und ambulante Praxispartner zusammen. „Patienten mit einer Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse sollen bestmöglich in einem Netzwerk von Experten unter einem Dach betreut werden“, unterstrich Prof. Markus Lerch.
Am Uniklinikum Greifswald werden jährlich ca. 75 neu auftretende Fälle mit einem Pankreaskarzinom diagnostiziert und insgesamt 245 Patienten mit dieser Erkrankung behandelt. In ganz Mecklenburg Vorpommern werden ca. 180 Neuerkrankungen pro Jahr vom Tumorzentrum registriert. Im letzten Jahr wurden insgesamt mehr als 770 Patienten in Greifswald mit Entzündungen (Pankreatitis) oder Tumoren der Bauchspeicheldrüse behandelt, über 50 davon mussten sich einer Operation unterziehen.
Forschungsschwerpunkt Bauchspeicheldrüse
Seit rund zehn Jahren gehören zudem die Erforschung der Ursachen und Heilungsmethoden von Bauchspeicheldrüsenerkrankungen sowie deren erblicher Grundlagen zu den herausragenden Forschungsschwerpunkten und Spezialgebieten in Greifswald. Ein großer Erfolg war die Aufklärung der zellulären und genetischen Ursachen des Johanson-Blizzard-Syndroms im Jahr 2005, einer seltenen Erbkrankheit der Bauchspeicheldrüse. Die Universitätsmedizin Greifswald ist zur Zeit das einzige Zentrum in Norddeutschland, an dem neue Medikamente und Behandlungsmethoden sowohl für die chronische Pankreatitis, als auch für das Pankreaskarzinom in internationalen klinischen Studien untersucht und koordiniert werden.
Die wissenschaftlichen Forschungsprojekte des Pankreaszentrums werden inzwischen auch von der Europäischen Union unterstützt. Im Rahmen des 7. Rahmenprogramms der EU wurde aktuell ein Grundlagenprojekt zur Erforschung der Tumormikroumwelt zur Verbesserung der Prognose des Pankreaskarzinoms zur Förderung angenommen. Die gesamten Projektkosten der EU für diesen Schwerpunkt belaufen sich auf 4,3 Millionen Euro. Die Förderung beginnt in Greifswald zum 1. März 2011 für drei Jahre. Zu den Wissenschaftszentren, die von der EU zur Erforschung des Pankreaskarzinoms im Verbund EPC-TM-NET gefördert werden, gehören in Deutschland die Universitäten Greifswald, Marburg und München, in England die Universitäten Cambridge und Liverpool, in Italien Verona und Turin, in Spanien Madrid und in Schweden das Karolinska Institut in Stockholm. Für die Professoren Julia Mayerle und Markus M. Lerch, die das Projekt für die Universitätsmedizin Greifswald eingeworben haben, bietet sich durch diese internationale Kooperation eine weitere exzellente Gelegenheit, mit den führenden Pankreasexperten in Europa zusammenzuarbeiten.
Hintergrund
Sensibles „Zentralorgan“ mit großer Bedeutung
Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) gilt als empfindlichstes und wichtiges „Zentralorgan“ des menschlichen Verdauungstraktes. Das Pankreas produziert täglich 1 ½ Liter Verdauungssaft (Bauchspeichel), der laufend über Drüsenläppchen und feine Kanäle in den Darm abgegeben wird. Die Bauchspeicheldrüse liegt zwischen Magen und Wirbelsäule. Geformt wie eine Zunge ist sie nur ungefähr 70 bis 100 Gramm schwer, knapp 15 bis 20 Zentimeter lang und bis zu drei Zentimeter dick.
Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse sind in der Bevölkerung noch weitgehend unbekannt. Zwar wissen viele, dass die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) etwas mit dem in der Bauchspeicheldrüse gebildeten Insulin zu tun hat, was vor 100 Jahren vom Greifswalder Professor Oskar Minkowski entdeckt wurde. Weniger bekannt ist, dass die Bauchspeicheldrüse unabhängig davon auch eine Vielzahl von lebenswichtigen Enzymen produziert, ohne die wir unsere Nahrung nicht verdauen können. Fehlen diese Stoffe oder werden sie nicht ausreichend produziert, weil die Bauchspeicheldrüse beispielsweise entzündet ist, drohen massive Verdauungsstörungen, Mangelerscheinungen und ein Gewichtsverlust.
In deutschen Krankenhäusern werden jährlich 60.940 stationäre Fälle (in 2008) mit einer Pankreatitis (Entzündungen der Bauchspeicheldrüse) behandelt. Mit einer bösartigen Erkrankung des Pankreas waren es im Jahr 2008 genau 42.698 Fälle.
Die chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung ist somit eine besonders häufige Krankheitsform, die nicht nur erblich bedingt sein kann, sondern auch häufig mit Komplikationen wie großen Zysten, starken Schmerzen und Vernarbungen der Gänge (Stenosen) einhergeht.
*JAMA. 2010 Sep 8;304(10):1073-81. (http://jama.ama-assn.org/content/304/10/1073.abstract)
Adjuvant chemotherapy with fluorouracil plus folinic acid vs gemcitabine following pancreatic cancer resection: a randomized controlled trial.
Comment in JAMA. 2010 Dec 15;304(23):2590; author reply 2590-1.
Ansprechpartner am Universitätsklinikum Greifswald
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A
Direktor: Prof. Dr. med. Markus M. Lerch
Friedrich-Loeffler-Straße 23 a, 17475 Greifswald
T + 49 3834 86-72 30
E lerch@uni-greifswald.de
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