Die Menschen wollen die Gesichter der Wirtschaft sehen

Wie Unternehmens-Chefs in der Öffentlichkeit auftreten, wird heute intensiv von PR-Profis geplant: Mehr als die Hälfte der Vorstandsvorsitzenden folgen einem speziellen Kommunikationsplan, um bei Kunden und Mitarbeiten, Medien und Investoren zu überzeugen. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie zur Chef-Kommunikation von Prof. Dr. Lothar Rolke und Melanie Freda von der Fachhochschule Mainz. Repräsentativ befragt wurden die 500 größten Unternehmen in Deutschland. Mit der durchgeplanten Chefkommunikation verfolgen die Unternehmen vor allem das Ziel, „positive Abstrahleffekte für das Unternehmen“ zu erzeugen und „Themen zu besetzen“, über die sich die Firma profilieren kann. Ein „eigenes Chefimage aufzubauen“ und die „Bekanntheit der Nr. 1“ zu steigern, folgen erst auf Platz drei und vier. „Da die Unternehmens-Chefs im Durchschnitt nur etwa fünf Jahre im Amt sind“, so Rolke, „muss die Chefkommunikation auf das Unternehmensimage einzahlen und nicht umgekehrt.“ Visionslose Schweiger hätten auf Dauer ebenso wenig ein Chance, Image aufzubauen und damit Orientierung zu geben, wie Medienaktionisten, die konzeptlos ihre Botschaften hinausposaunen.

Vertrauen ist wichtiger als der Geschäftsverlauf

Laut Studie wissen die großen Unternehmen heute sehr genau, dass neben den Produkten und Dienstleistungen vor allem die „Vertrauenswürdigkeit der Führung“, die „Medienberichterstattung“ und der „Bekanntheitsgrad“ ihr Image beeinflussen – übrigens stärker als der „tatsächliche Geschäftsverlauf“, den die meisten Menschen kaum beurteilen können. Eine immer stärkere Rolle spielt dabei nach Rolke der Vorstandsvorsitzende bzw. Vorsitzende der Geschäftsführung. Denn die würden heute in fast 20 Prozent aller Artikel über das Unternehmen namentlich erwähnt. Vor fünf Jahren lag diese Quote noch bei zehn Prozent. „Insofern ist es folgerichtig, dass sich die Kommunikationsabteilungen intensiv um das Bild der Nr. 1 des Unterneh-mens kümmern und dafür fast 20 Prozent ihrer Zeit einsetzen“, erklärt Rolke: „Die Menschen wollen nun mal die Gesichter der Wirtschaft sehen.“ Über 90 Prozent der Kommunikations-Chefs sind davon überzeugt, dass die öffentliche Akzeptanz des Vorstandsvorsitzenden durch die Medienberichterstattung bestimmt wird.

Rund ein Fünftel seiner Arbeitszeit setzt der Unternehmens-Chef selbst für Kommunikation ein – vor allem mit Führungskräften und Mitarbeitern (40 Prozent). Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit (20 Prozent) erscheint den Chefs dabei als genauso wichtig wie die mit den Kunden (19 Prozent) und sogar noch etwas wichtiger als die mit den Investoren (17 Prozent). Längst wissen sie, dass ihr Ruf das Unternehmensimage „sehr stark“ und die Medienberichterstattung „stark“ beeinflusst. Deutlich geringer ist nach Einschätzung der unternehmensinternen Kommunikationsprofis der direkte Einfluss auf die Mitarbeitermotivation und das Kaufverhalten der Kunden. Nach Berechnungen von Professor Rolke, der in Mainz Betriebswirtschaftslehre und Unternehmenskommunikation lehrt, beeinflussen sich Chef- und Unternehmensimage bis zu fast 70 Prozent. Gefährlich werde es laut Rolke immer dann, wenn beides auseinander driftet: „Eine zu schwache Führung lässt genauso am künftigen Erfolg zweifeln wie eine von den Unternehmensinteressen entkoppelte Selbstprofilierung“.

Internet schlägt alles

Unter den Eigenschaften, die für einen erfolgreichen Unternehmens-Chef als unabdingbar gelten, rangieren „Gewinnorientierung“ und „Fachwissen“ nur auf mittleren Plätzen. Sehr viel wichtiger sind dagegen „Überzeugungskraft“, „Vertrauenswürdigkeit“ und „Durchsetzungsvermögen“. Diese Fähigkeiten müssen Vorstandsvorsitzende heute einsetzen, so Rolke, um Mitarbeitern und Öffentlichkeit, Kunden uns Investoren die Entscheidungen des Unterneh-mens zu erklären: „Gerade in kritischen Situationen wollen Menschen verstehen, warum etwas passiert und nicht mit Managementfloskeln abgespeist werden“. Wirtschaft betreffe jeden, aber nicht jeder verstehe, was ihn da warum treffe. Das erzeuge ein grundsätzliches Misstrauen, dem sich die Unternehmen mit ihrer Kommunikation stellen müssten.

Die bereits zu beobachtenden Veränderungen bei den derzeit eingesetzten Kommunikationsinstrumenten gewinnen noch an Fahrt: An Bedeutung weiterhin zunehmen werden Internet (79 Prozent), Mobile Dienste (65 Prozent), Pressearbeit (59 Prozent) Weblog des Unternehmens-Chefs (37 Prozent) und Events (21 Prozent). Auch Mitarbeiterzeitschriften (16 Prozent) und Kundenmagazine (3 Prozent) können noch mit einem Wachstum rechnen. Verlieren hingegen werden der Geschäftsbericht (minus 8 Prozent), Fernseh- und Radiospots (minus 19 Prozent), Anzeigenwerbung (minus 37 Prozent) und Wurfsendungen (minus 77 Prozent).

Im Vergleich zu den Spitzenpolitikern verhalten sich die Wirtschaftsspitzen in der Öffentlichkeit noch immer zurückhaltend: Während Bundestagsabgeordnete im Durchschnitt acht Interviews pro Monat geben, gibt ein Vorstandsvorsitzender zwei. Tatsächlich stimmen die meisten Spitzenmanager auch der Aussage zu, dass „die führenden 20 Politiker besser mit den Medien um-gehen können als die Vorstandsvorsitzenden der 20 großen Unternehmen“. Aber die besseren Kommunikationskampagnen sehen sie in der Wirtschaft. Einig sind sich die deutschen Spitzenpolitiker und Top-Manager in der Auffassung, dass die jeweiligen amerikanischen Kollegen kein Vorbild für sie darstellen.

Kontakt: Prof. Dr. Lothar Rolke (Fachhochschule Mainz – University of Applied Sciences): info@rolke.biz

Media Contact

Bettina Augustin idw

Weitere Informationen:

http://www.fh-mainz.de/

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