Kündigungsschutz ist kein Einstellungshindernis – Forschungsprojekt an Uni Hamburg bestätigt WSI-Untersuchung

„Im praktischen Alltag der Personalverantwortlichen scheinen der Kündigungsschutz und andere arbeitsrechtliche Bestimmungen keine große Rolle bei der Entscheidung für Neueinstellungen zu spielen“, resümieren die Hamburger Forscher um den Betriebwirtschaftler Prof. Dr. Florian Schramm und den Arbeitsrechtler Prof. Dr. Ulrich Zachert. Die gern verwendete Metapher des Kündigungsschutzes als „Job-Bremse“ sei fehl am Platz. Das deckt sich mit Resultaten einer Untersuchung, die das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung 2003 angestellt hat.

Die Hamburger Wissenschaftler interviewten im Rahmen einer laufenden, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie 41 Personalverantwortliche von kleinen, mittelständischen und großen Unternehmen ausführlich dazu, wie sie arbeitsrechtliche Bestimmungen wahrnehmen und umsetzen. Dabei fiel auf: Die Frage: „Welche Rahmenbedingungen beeinflussen die Entscheidungen für oder gegen Neueinstellungen?“ erzeugte bei vielen Interviewpartnern zunächst Unverständnis. Erst nach dem Zusatzhinweis, dass sich etwa der Kündigungsschutz auswirken könnte, sagten drei Interviewte, dieser spiele für Neueinstellungen eine erhebliche Rolle. Weitere sechs Personalverantwortliche hielten den Kündigungsschutz für relevant, aber nicht ausschlaggebend.

Während somit weniger als ein Viertel der Interviewten den Kündigungsschutz überhaupt ansprach, nannte rund die Hälfte die Ertrags- oder Auftragslage sowie die wirtschaftliche Situation des Unternehmens als die größten Einflussfaktoren für Neueinstellungen. Etwa ein Viertel der Personalverantwortlichen wies darauf hin, dass die Qualifikationen der zukünftigen Mitarbeiter ausschlaggebend seien.

Die qualitativen Ergebnisse der Hamburger Untersuchung bestätigen eine Befragung von 2000 Personalern durch das WSI. Auch dabei zeigte sich: Egal, wie Personalverantwortliche über den Kündigungsschutz denken und welche konkreten Erfahrungen sie damit gemacht haben – ihr Einstellungsverhalten beeinflusst das nicht. Entscheidend für die Schaffung neuer Jobs ist die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Das galt auch bei dem Drittel der vom WSI Befragten, das Änderungsbedarf beim Arbeitsrecht sah. „Alle Variablen, die etwas über die Grundhaltung der Personaler zum Arbeitsrecht aussagen, wirken sich nicht auf die Schaffung neuer Stellen aus“, sagt Prof. Dr. Heide Pfarr, Arbeitsrechtlerin und Wissenschaftliche Direktorin des WSI.

Die Hamburger Wissenschaftler Schramm und Zachert haben auch eine Erklärung dafür, warum der Kündigungsschutz in standardisierten Meinungsumfragen trotzdem häufig als Problem genannt wird: Derartige Äußerungen seien eher dem „gefühlten Arbeitsrecht“ zuzuordnen, mutmaßen sie. Die Ergebnisse solcher Studien seien wohl „eher als unternehmerische Wunschliste einzuordnen denn als Schlüssel zu mehr Beschäftigung“. Die bei den qualitativen Interviews geschilderten Einschätzungen und Praktiken der Personalverantwortlichen dürften dagegen eher einem „gelebten Arbeitsrecht“ entsprechen, in dem die tatsächlichen Erfahrungen zum Tragen kommen.

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