Naturschutz: Kapitalmarktorientierung eröffnet Umweltorganisationen neue Handlungsspielräume
Umweltorganisationen können von Partnerschaft mit institutionellen Investoren profitieren / PwC-Studie: Holding-Modell garantiert Nachhaltigkeit und ermöglicht Investitionen in Kleinprojekte / Marktpotenzial für ökologische Kapitalanlagen wächst stetig
Die Finanzierung von Naturschutzprojekten durch institutionelle Investoren wird in den kommenden Jahren voraussichtlich an Bedeutung gewinnen: Das Marktpotenzial für so genannte ethische, insbesondere ökologisch nachhaltige Kapitalanlagen wächst stetig, während geeignete Anlageobjekte immer schwerer zu finden sind. Für Umweltschutzorganisationen wie den WWF eröffnet diese Angebotslücke neue Möglichkeiten. Naturschutzprojekte könnten dank der Finanzierung durch nachhaltig orientierte Investoren ohne den Einsatz öffentlicher Mittel oder Spenden unterhalten werden.
Dies zeigt die für WWF Deutschland erstellte Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) „Neue Potenziale für die internationale Naturschutzfinanzierung“. Als besonders geeignet für die strategische Zusammenarbeit von institutionellen Investoren und Umweltschutzorganisationen erweist sich dabei das Holding-Modell einer „Umwelt AG“. Die Studie wurde gestern im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung von WWF und PwC in Berlin vorgestellt. Schirmherr des Projektes zur Entwicklung eines Unternehmenskonzeptes zur Erhaltung wertvoller Naturräume und der biologischen Vielfalt ist Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler a.D.
Großes Potenzial für nachhaltige Investmentfonds
Das Marktvolumen für so genannte nachhaltige Investmentfonds mit ökologischer, sozialer oder anderer ethischer Ausrichtung hat sich in Deutschland seit 2002 verdreifacht und liegt derzeit bei rund 9,2 Milliarden Euro (Quelle: Sustainable Business Institute, 2006). Dennoch ist der Marktanteil mit einem Prozent auch im internationalen Vergleich gering: In Belgien entfallen auf nachhaltige Fonds bereits zwei Prozent des Gesamtmarktes, in den Niederlanden, Großbritannien und der Schweiz immerhin 1,5 Prozent. Insgesamt wird der Markt für nachhaltige Kapitalanlagen in Europa derzeit auf rund 500 Milliarden Euro geschätzt. In einer Umfrage gaben Ende 2005 über 90 Prozent der befragten Fondsmanager an, ihr Engagement bei nachhaltigen Investments verstärken zu wollen.
Die Renditechancen von Nachhaltigkeitsfonds sind je nach ihrer Ausrichtung unterschiedlich: In Deutschland erzielten nachhaltige Investmentfonds in den ersten neun Monaten des Jahres 2005 vor allem dank der weit überdurchschnittlichen Aktienkursentwicklung von Anbietern erneuerbarer Energien eine Wertsteigerung von 19,8 Prozent. Der DAX kam demgegenüber auf ein Plus von 17,5 Prozent.
Die wachsende Nachfrage der Anleger nach ethischen Kapitalanlagen und Investmentfonds ist jedoch nicht beliebig zu befriedigen. „Derzeit fehlen vor allem klare, allgemein anerkannte Mindeststandards, die ein Nachhaltigkeitsfonds zu erfüllen hat. Als Massenprodukt müssen Investmentfonds über ein ausreichendes Volumen verfügen und zudem leicht handelbar sein. Ein Portfolio, welches diesen Liquiditätserfordernissen genügt, läuft jedoch schnell Gefahr, seine Glaubwürdigkeit als nachhaltiges Investment zu verlieren“, meint Alfred Höhn, verantwortlicher Partner für das Projekt bei PwC Deutschland.
Umwelt-Holding: Liquidität und garantierte Nachhaltigkeit
Einen Ausweg aus diesem Dilemma weist die in der Studie entwickelte Konzeption der „Umwelt-Holding“: Dabei treten Umweltorganisationen als Initiatoren einer Holding auf, die ökonomisch rentable Naturschutzprojekte bündelt und das zur Umsetzung erforderliche Kapital bei institutionellen Investoren einwirbt. Die Holding führt die Projekte nicht selbst durch, sondern überlässt dies operativen Tochtergesellschaften. Die Umweltorganisationen kontrollieren dabei entweder als direkte Anteilseigner oder über eine Stiftung die Einhaltung der ökologischen Prinzipien seitens der Holding und der Tochtergesellschaften. Professionelle Investoren profitieren im Holding-Modell nicht nur von der garantierten Nachhaltigkeit, für die der Name der Umweltorganisation bei den Anlegern bürgt. Die Konzeption ermöglicht den Investoren auch einen leichteren Ausstieg, als dies bei einem direkten Engagement in Einzelprojekten der Fall wäre.
Projekte in Namibia, Brasilien, Costa Rica und Malaysia mit attraktiver Rendite
„Ökologische Nachhaltigkeit und attraktive Renditen schließen sich keineswegs aus – dies zeigt die Analyse der vier für die Studie ausgewählten Naturschutzprojekte“, erläutert Dr. Peter Prokosch, Geschäftsführer des WWF Deutschland. „Sowohl die Tourismusunternehmungen in Namibia und Costa Rica als auch die Forstwirtschaftsprojekte in Brasilien und Malaysia haben sich in der Analyse als langfristig wirtschaftlich tragfähig erwiesen.“ Bei einem Investitionsvolumen von insgesamt 18 Millionen Euro und einer genutzten Fläche von insgesamt 222.000 Hektar ergeben sich für das Gesamtportfolio Projektrenditen vor Steuern zwischen 10 und 25 Prozent.
„Bemerkenswert ist zudem, dass jedes der Projekte trotz deutlich voneinander abweichender Ausgangsbedingungen und Geschäftskonzeptionen die Kriterien ökologischer Nachhaltigkeit erfüllt. So setzt das Tourismusprojekt in Costa Rica auf das Naturerlebnis Regenwald, während das Projekt in Namibia weiträumige Wüstenlandschaften touristisch erlebbar macht. In Brasilien wird ein natürlicher Tropenwald auf einer Fläche von 76.000 Hektar nach den Vorgaben der nachhaltigen Forstwirtschaft genutzt, während in Malaysia eine Mischwaldplantage mit rund 5.000 Hektar zunächst aufgeforstet und anschließend bewirtschaftet wird“, so Dr. Peter Prokosch. Bei Aufforstungsprojekten ergeben sich zusätzliche Ertragspotenziale aus dem Verkauf von CO2-Emissionszertifikaten.
Umfassendes Länder- und Projektportfolio notwendig
„Investitionen in Entwicklungsregionen sind immer mit größeren Länderrisiken behaftet als in Industrieländern. Da viele wichtige Naturschutzprojekte gerade auch in Entwicklungsländern angesiedelt sind, müssen sich Investoren nicht nur eingehend mit den Businessplänen, sondern auch mit den politischen Rahmenbedingungen in den jeweiligen Ländern befassen“, empfiehlt Alfred Höhn, PwC. Zu den möglichen Risiken für Tourismusprojekte gehören allgemein die Verschlechterung der Sicherheitslage, Terroranschläge und nicht zuletzt das Auftreten von Krankheiten wie jüngst die Vogelgrippe oder SARS.
Bei den forstwirtschaftlichen Unternehmungen kommen Ineffizienzen und Korruption bei den Behörden hinzu, die für die Erteilung der Erntebewilligungen sowie für die Verfolgung des illegalen Holzeinschlags zuständig sind. Nicht zuletzt müssen Investoren die Entwicklung der Gesetzgebung bezüglich des Landerwerbs aufmerksam verfolgen. So stellen die Bestrebungen zur Landreform in Namibia und die noch ungelösten Landnutzungsrechte in Brasilien ein potenzielles Investitionsrisiko dar. Um die projekt- und landesspezifischen Risiken so gering wie möglich zu halten, zu ist daher bei nachhaltigen Investments ein umfassendes Länder- und Projektportfolio empfehlenswert. Auch unter diesem Gesichtspunkt könnte sich das vorgestellte Holding-Modell als vorteilhaft für alle Beteiligten erweisen.
Die Studie ist als kostenfreier Download verfügbar unter: www.pwc.com/de, www.wwf.de
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