Hohenheimer WM-Studie: Hamburg ist Sponsorenweltmeister

Berlin hat das größte Einzelbudget, Stuttgart ein nachhaltiges Konzept und Dortmund macht keine Angaben: Marketing-Forscher der Universität Hohenheim legen erstmals eine umfassende Auswertung des WM-Rahmenprogramms deutscher Großstädte vor.


Auch ohne Ticket für den Stadion-Besuch: Während der Fußball-WM lohnt es sich, einen der zwölf Austragungsorte oder viele andere deutsche Großstädte zu besuchen. Im sechsten Jahr ihrer Langzeitstudie zur Fußball-WM erhoben die Marketing-Experten in diesem Jahr erstmals das gesamte Rahmenprogramm aller WM- und Großstädte. Ihre Ergebnisse zeigt nun eine interaktive Activity-Map im Internet. Nach den Umfrageergebnissen ist Deutschlands Großstädten das kommende Ereignis durchschnittlich eine viertel Million Euro wert. 2,5 Millionen Euro lässt sich jede WM-Stadt im Schnitt das Rahmenprogramm kosten, bis zu 50 Prozent davon sind durch Sponsoren gedeckt. „Erstaunlicherweise gibt es ein Grüppchen an Städten, von denen wir keine Angaben erhalten konnten, wie viele Steuergelder in das WM-Budget fließen und ob ein Teil der Kosten durch Sponsoren gedeckt wird“, sagt Prof. Dr. Markus Voeth von der Universität Hohenheim. Activity-Map und sämtliche Ergebnisse unter: www.wm-studie.de

Mit Telefoninterviews und standardisierten Fragebögen hatte die Arbeitsgruppe um Prof. Voeth vom Lehrstuhl für Marketing der Universität Hohenheim alle zwölf WM-Städte und Großstädte ab 100.000 Einwohner zu ihren Besuchererwartungen, Budgets, Sponsorenanteilen und Zielen des Rahmenprogramms befragt. Erhebungszeitraum waren die Monate Februar bis Ende März.

Bis zu drei Millionen Veranstaltungsbesucher samt einer Million Gäste von außerhalb erwartet demnach jede WM-Stadt laut Selbsteinschätzung der Rathäuser. Am stärksten setzen alle Groß- wie WM-Städte auf öffentliche Live-Übertragungen der Spiele (Public Viewing). Mit Abstand folgen sonstige Fan-Feste und Sport-Events. Aber auch für Konzerte, Opern, Theater, Shows und Ausstellungen erwarten vor allem WM-Städte erhöhte Besucherzahlen. Im Schnitt bieten die WM-Städte über 100 Veranstaltungen in ihrem Rahmenprogramm, die weiteren Großstädte bringen es immerhin auf durchschnittlich zehn. Besuchermagnet wird – laut Selbsteinschätzung – die Hauptstadt Berlin.

Spitzenreiter: Berlin, Köln, München, Hamburg und Frankfurt/Main

Motiviert werden die Städte vor allem durch erhoffte Publicity außerhalb der eigenen Grenzen: An erster Stelle der Beweggründe stehen Medienpräsenz, Tourismusförderung, Imagebildung und Präsentation der Stadt. Etwas weiter reichen die Ziele der WM-Städte: an fünfter Stelle folgt der Wunsch, die regionale Wirtschaft zu fördern, danach die Hoffnung, im Rahmen der WM zusätzliche Finanzmittel zu erwirtschaften.

Durchschnittlich 0,5 Millionen Euro Budget bringen die Kommunen ab 100.000 Einwohner und Spielstädte laut Teilnehmern an der Umfrage für das Spektakel auf. Dabei investieren Großstädte ohne WM-Stadion im Schnitt 256.000 Euro, in WM-Städten liegt der Durchschnitt bei 2,5 Millionen Euro. Den größten Einzeletat von vier Millionen Euro bringt die WM-Stadt Berlin auf. „Dabei fällt auf, dass sich die meisten Städte schwer tun, das Budget aufzudecken“, bemerkt Christian Niederauer vom Lehrstuhl für Marketing als einer von zwei Projektleitern der aktuellen Umfrage. Insgesamt hätten 58 der befragten Städte die Auskunft über Steuergelder verweigert, bestätigt Projektleiterin Isabel Tobies.
Dazu gehören die WM-Städte Dortmund, Frankfurt/Main, Hamburg, Köln, Leipzig, München, Nürnberg und Kaiserslautern.

Stark unterschiedlich sind die Erfolge bei der Sponsorenwerbung: Weltmeister 2006 beim Geldeinwerben ist Hamburg, das 50 Prozent seines Etats durch Sponsoren deckt. In gleicher Liga spielen nur die Großstädte Darmstadt, Kassel, Krefeld, Mainz, Münster und Salzgitter. Im Durchschnitt beträgt der Sponsorenanteil an den Kosten für die WM-Organisation 29 Prozent für die WM-Austragungsorte und 27 Prozent in den anderen Großstädten. „Da allerdings nur die Hälfte der Städte zu konkreten Angaben bereit war, könnte man vermuten, dass der tatsächliche Mittelwert über alle Städte niedriger liegt“, mutmaßt Prof. Voeth.

WM-Städte: Hamburg: 50 Prozent Sponsorendeckung; Berlin, Hannover und Frankfurt/Main: jeweils 30 Prozent; Stuttgart und Gelsenkirchen: 20 Prozent

WM-Städte ohne Angaben: Dortmund, Kaiserslautern, Köln, Leipzig, München, Nürnberg

Mit Weitblick will vor allem die WM-Stadt Stuttgart ihr Budget für das Rahmenprogramm einsetzen: Laut Planung sollen bis zu 100 Prozent der Veranstaltungskonzepte und Infrastruktur auch nach der WM weitergenutzt werden können. Ähnlich nachhaltig geben sich nur die Städte Hagen, Hildesheim, Koblenz und Ulm.

Nachhaltigkeit des Programms in WM-Städten: Stuttgart (100%), Köln (80%), Leipzig (75%), Nürnberg (60%), Berlin (25%)

WM-Städte ohne Angaben: 38% der Befragten

Erstaunlich findet Prof. Voeth, dass sich die Städte vor allem gegenüber externen Gästen bemühen: „Die Befragung hat gezeigt, dass die WM das kommende Highlight 2006 ist. Für kein anderes Ereignis engagieren sich die deutschen Großstädte in diesem Jahr in vergleichbarem Umfang.“ Die wenigsten zielen mit ihren Aktivitäten jedoch auf die eigene Bevölkerung. „Bei den Zielen dominieren Aufmerksamkeit, Tourismus und Image. An die eigene Bevölkerung denken dabei nur die wenigsten Städte.“

Weiterer Hinweis sei auch, dass nur ein Drittel der WM-Städte die Vorstellungen der eigenen Bevölkerung im Vorfeld erhoben habe oder im Anschluss eine Bewertung durch die Bewohner plane. Noch geringer sei der Anteil der anderen Großstädte, von denen nur rund 20 Prozent Erwartungen und Zufriedenheit ihrer Bürger erhebe.

„Es wird eine spannende Frage, ob dieser Fokus auf Dritte bei der eigenen Bevölkerung auf Verständnis stößt“, sagt Prof. Voeth. Im Rahmen der WM-Langzeitstudie soll dieser Aspekt nun ebenfalls aufgegriffen werden: „Mit Hilfe der Rathaus-Befragung konnten wir eine Activity-Map erstellen, die das Engagement der deutschen Großstädte darstellt. In einer zweiten Phase erforschen wir nun bis vor den Anpfiff die Akzeptanz und Bekanntheit des WM-Rahmenprogramms in der Bevölkerung. In der dritten Phase direkt nach dem Endspiel werden die Marketing-Experten die abschließende Zufriedenheit der Bevölkerung evaluieren und Bilanz ziehen. Die Ergebnisse der zweiten Phase liegen Anfang Juni und die der dritten Phase Ende Juli vor.

Hintergrund

In einer groß angelegten Langzeitstudie zur FIFA Fußball-WM 2006 misst der Lehrstuhl für Marketing von Prof. Voeth in jährlichen Befragungsrunden unter anderem die Begeisterung, Präferenzen und Vorstellungen der Bevölkerung für die WM 2006. Daneben erfassen jährlich wechselnde Sonderschwerpunkte Themen wie Vermarktungspotenzial, Sicherheit, Ticket-Pricing, Merchandising und Standortwahl der Stadien. Die Studie soll einerseits Stimmungsindikator, andererseits auch konstruktiver Beitrag für eine erfolgreiche Organisation sein.

Die aktuell vorliegenden Ergebnisse wurden von Februar bis Mitte April 2006 mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens und per Telefoninterview oder schriftlicher Erhebung (je nach Wunsch der Stadt) ermittelt. Insgesamt beteiligten sich elf der zwölf WM-Austragungsorte (Ausnahme: Dortmund) und 58 von 71 Großstädten.

Kontaktadresse (nicht zur Veröffentlichung):
Prof. Dr. Markus Voeth

Universität Hohenheim, Institut für Betriebswirtschaftslehre, Lehrstuhl für Marketing
Tel: 0711 459-2925, E-Mail: marketing@uni-hohenheim.de

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Florian Klebs idw

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