"E-Government" auf dem Prüfstand

Chemnitzer Wissenschaftler wollen Kommunen virtuell an die Hand nehmen

Im globalen Dorf des Internets könnten bald auch virtuelle Rathäuser am Daten-Highway stehen. Rechtswissenschaftler der TU Chemnitz haben eine Studie zu „Rechtsfragen kommunaler Internetaktivitäten“ erstellt, in welcher der aktuelle Stand im Bereich des „Electronic-Government“ ermittelt und Handlungsempfehlungen für die Zukunft abgeleitet wurden.

Dazu sind die Webseiten von über hundert sächsischen Städten und Gemeinden durchforstet und Fragebögen ausgewertet worden. Die wichtigsten Ergebnisse der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Untersuchung: Rund drei Viertel der Kommunen sind im WorldWideWeb vertreten, weitere 16 Prozent planen ihren Internetauftritt noch für dieses Jahr. Bürgerinformation und Imagegewinn werden dabei als die wichtigsten Ziele angegeben. „Die Motive Serviceleistungen, Kommunikation und Verwaltungsmodernisierung sind dagegen unterrepräsentiert“, heißt es in der Studie, die von dem Chemnitzer Professor für Öffentliches Recht und öffentliches Wirtschaftsrecht, Ludwig Gramlich, und seinem Mitarbeiter Detlef Kröger geleitet wurde.

Kaum eines der untersuchten Internetangebote der Kommunalverwaltungen geht über ein schlichtes Informationsangebot hinaus. Am häufigsten zu finden sind Veranstaltungskalender (hatten 71 Prozent aller Webseiten) und Linklisten von Vereinen und Parteien (62 Prozent), gefolgt von lokalen Wirtschaftsinformationen (42 Prozent), Lage- und Ämterplänen von Behörden (34 Prozent) und Bekanntmachungen der Verwaltung (25 Prozent). Ansätze einer Kommunikation oder gar Interaktion mit dem Online-Besucher werden dagegen kaum geboten. Nur zwei Prozent der im Internet vertretenen Kommunen stellen E-Mail-Adressen ihrer Mitarbeiter ins Netz, 66 Prozent bieten wenigstens einen zentralen Postkasten für elektronische Briefe an. Der aber wird nur von jeder zweiten Behörde täglich geleert. Wie Online-Dienstleistungen einmal aussehen könnten, zeigen größere Städte wie Leipzig sowie die Kurorte Seiffen oder Oberwiesenthal zumindest ansatzweise: Dort kann man Hotelzimmer mit einem Mausklick reservieren. „Die vorhandenen Internetangebote – insbesondere der kleinen Gemeinden“, so das Resümee der Untersuchung, „sind zur Zeit weitgehend noch auf die Präsentation der Kommunen in einfacher Form beschränkt.“ Zudem ist die Gestaltung vieler Webseiten unübersichtlich: Nur in zehn Prozent der Fälle werden Suchmaschinen angeboten, und auch fremdsprachliche Seiten oder Dokumente zum Runterladen sind die Ausnahme.

E-Government der Zukunft jedoch bedeutet Bürgerservice, unterstreichen die Chemnitzer Wissenschaftler der Technischen Universität. Mit Hilfe neuester Informations- und Kommunikationstechnologien sollen die Behörden in die Lage versetzt werden, kundenorientierter, schneller und billiger zu arbeiten. Die meisten befragten sächsischen Gemeinden und Städten stehen den virtuellen Möglichkeiten zwar offen gegenüber, aber sie hegen auch Zweifel. 35 Prozent der befragten Kommunen äußern sich wegen möglicher Kosten zurückhaltend, 38 Prozent befürchten einen höheren Zeitaufwand durch E-Government, und 16 Prozent beklagen die unsichere Daten- und Rechtssicherheit. Besonders beim Datenschutz bestehe noch „großer Aufklärungsbedarf“: Über elektronische Signaturen, eine Art virtuelle Unterschrift, fühlt sich nur jede zehnte Behörde ausreichend informiert, und nur 22 Prozent wollen elektronische Signaturen überhaupt einsetzen. Über 60 Prozent werden vorerst wohl auf jegliches Verschlüsselungsverfahren verzichten.

Die Chemnitzer Studie soll Ausgangspunkt sein, um eine Gesamtstrategie für E-Government zu entwickeln. Statt der techniklastigen Diskussion der Vergangenheit müsse es vielmehr darum gehen, wie Verwaltungen miteinander vernetzt arbeiten könnten, heißt es in den Handlungsempfehlungen der Chemnitzer Studie. Um ein technologisches Gefälle zwischen den großen und kleinen Kommunen zu verhindern, wird ein Kompetenzzentrum gefordert, das die Internetangebote der Verwaltungen weiterentwickelt und fachliche Unterstützung bietet. Ein solches Kompetenzzentrum wird derzeit von den Rechtsexperten der TU Chemnitz vorbereitet.

Die Chemnitzer Studie „Rechtsfragen zu kommunalen Internetaktivitäten“ kann angefordert werden bei Detlef Kröger über Telefon (0371) 531 41 69. Oder schicken Sie eine E-Mail an  „detlef.kroeger@wirtschaft.tu-chemnitz.de

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Alexander Friebel idw

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