Gesundheitsversorgung von "illegalen" Einwanderern

Die Wittener Pflegewissenschaftlerin Mareike Tolsdorf untersucht in ihrem Buch „Verborgen“ die Gesundheitsversorgung von Einwanderern in Deutschland und der Schweiz, die keine offizielle Aufenthaltsgenehmigung haben.

Sie werden oft „Illegale“ genannt, aber kann ein Mensch „illegal“ sein? Ein Mensch nicht, wohl aber sein Aufenthaltsstatus. In allen Ländern der EU sind Menschen ohne Papiere zu finden, so auch bei uns: „Niemand kann sagen, wie groß die Gruppe von Menschen ist, die in Deutschland ohne Aufenthaltsgenehmigung leben. Die Schätzungen liegen zwischen 100.000 und 1,5 Millionen“, berichtet Mareike Tolsdorf über die Anfangsschwierigkeiten mit ihrer Forschung. Sie stieß immer wieder auf Irritation: Illegal in Deutschland? – Geht nicht, gibt's nicht.

Was die Öffentlichkeit nicht wahrnehmen will, hat für die Betroffenen harte Konsequenzen: „Diese Menschen sind im Prinzip von allen Behandlungen ausgeschlossen. Auch wenn ihnen theoretisch Rechte zustehen, sind diese praktisch kaum durchsetzbar. Es gibt einzelne Ärzte oder nicht-staatliche Organisationen, die versuchen zu helfen. Aber viele erreicht diese Hilfe nicht“, schildert Tolsdorf die Ergebnisse ihrer Literaturanalyse.

Ein Großteil der versteckt lebenden MigrantInnen arbeitet für wenige Euro, oftmals unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen. Wenn es dabei einen Unfall gibt und sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden, bleibt ihnen oft nur die „Flucht aus dem Krankenbett“ bevor die Polizei sie verhaftet, um sie dann abzuschieben. „Im Allgemeinen wird ein Arztbesuch so lang als möglich hinausgezögert – dies gilt auch für Knochenbrüche oder schwere Entzündungen.

Krankheiten chronifizieren sich, schreiten fort, im schlimmsten Fall bis zum Tode“, weiß Tolsdorf zu berichten. Es geht ihnen vor allem um den Erhalt ihrer Arbeitskraft, denn ohne diese ist kein Leben in der Illegalität möglich. Zudem werden oftmals die Familien im Heimatland mit dem Lohn unterstützt. Diese sind auf die Unterstützung jener „Glücklichen“ angewiesen, die es irgendwie in das vermeintliche Paradies Europa geschafft haben.

„Nicht nur die versteckten MigrantInnen sind betroffen. Zwar ist in erster Linie ihre Gesundheit und ihr Leben bei Krankheit gefährdet, jedoch können gerade Infektionskrankheiten wie Tbc eine Gefährdung der Bevölkerung darstellen“, sagt Tolsdorf mit Blick auf die wenigen Untersuchungen, die es zum Thema gibt. Insbesondere die Lage von schwangeren Frauen ohne Aufenthaltsgenehmigung ist prekär: Keine Vorsorge, keine Hoffnung auf eine geregelte Entbindung, keine Perspektive für sich und das Kind. In dieser Lage lassen viele Frauen daher einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, wenngleich sie das Kind eigentlich lieber austragen würden.

„In anderen Ländern wie Holland gibt es einen Fonds, der die Ärzte bezahlt, die MigrantInnen behandeln. In der Schweiz können diese Menschen sich in einigen Kantonen ganz normal versichern. Nur in Deutschland werden die ‚Illegalen' immer noch quasi im Hinterzimmer der Gesellschaft behandelt“, fasst Tolsdorf ihre Untersuchung zusammen.

Mareike Tolsdorf: Verborgen. Gesundheitssituation und -versorgung versteckt lebender MigrantInnen in Deutschland und in der Schweiz, Verlag Hans Huber, Bern, 2008, ISBN 978-3-456-84554-8

Weitere Informationen: Mareike Tolsdorf,
Tel.: 0231/47 41 237, Mobil: 0176/22960156,
Mail: mareike.tolsdorf@web.de

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Bernd Frye Universität Witten/Herdecke

Weitere Informationen:

http://www.uni-wh.de

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