Lebenserwartung von Ruheständlern differiert je nach wirtschaftlicher Lage um bis zu fünf Jahre

Männer, die ein höheres Lebenseinkommen hatten und daher höhere Bezüge aus der Altersversorgung erhalten, leben durchschnittlich deutlich länger als Männer mit einem niedrigeren Lebenseinkommen.

Je nach wirtschaftlicher und sozialer Lage differiert die weitere oder, so der Fachbegriff, fernere Lebenserwartung von 65-jährigen Männern um bis zu fünf Jahre. Soziale Unterschiede bei der Lebenserwartung sind sowohl unter Rentnern als auch unter Pensionären zu beobachten. Betrachtet man den Durchschnitt dieser beiden Gruppen, leben pensionierte Beamte zwei Jahre länger als Rentner.

Zugleich ist innerhalb der Gruppe der pensionierten Beamten die Spreizung bei der Lebenserwartung größer als in der Gruppe der Rentner. Zu diesen Ergebnissen kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsdatenzentrums der Rentenversicherung (FDZ-RV) in Berlin und des Rostocker Zentrums zur Erforschung des Demografischen Wandels.

Die „sozialen Unterschiede bei der Lebenserwartung“, so die Wissenschaftler, haben sich in den vergangenen Jahren trotz insgesamt steigender Lebenserwartung nicht verkleinert. Künftig dürften sie durch hohe Arbeitslosigkeit und Einschränkungen bei der gesetzlichen Alterssicherung und im Gesundheitswesen sogar eher größer werden. In Deutschland gebe es bislang keine „umfassende politische Strategie“, um dem Problem zu begegnen, dass Menschen in schlechteren sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Verhältnis früher sterben, schreiben die Forscher in der aktuellen Ausgabe der WSI Mitteilungen.

Dr. Ralf K. Himmelreicher, Daniela Sewöster, Dr. Rembrandt Scholz und Anne Schulz untersuchten erstmals auf sehr breiter Datenbasis die fernere Lebenserwartung von Rentnern und von Pensionären. Die verwendeten anonymisierten Datensätze der Deutschen Rentenversicherung und des Statistischen Bundesamtes machen es möglich, die Dauer des Transferbezuges und die Höhe des Lebenseinkommens beziehungsweise die beamtenrechtliche Laufbahngruppe miteinander in Verbindung zu setzen. Für ihre Analyse teilten die Autoren die Rentner nach der Einkommenshöhe gestaffelt in gleich große Gruppen und stellten sie den vier Laufbahngruppen der pensionierten Beamten gegenüber. Die Wissenschaftler beschränkten ihre Untersuchung auf Männer. Für ältere Frauen seien die Renten- und Pensionsdaten im Hinblick auf ihre Sterblichkeiten nicht aussagekräftig genug, weil vor allem in den alten Bundesländern nur ein Teil von ihnen langjährig erwerbstätig war.

65-jährige Rentner leben nach der Analyse im Durchschnitt weitere 15,8 Jahre. Je nach finanzieller Stellung im Berufsleben unterscheidet sich die fernere Lebenserwartung um knapp drei Jahre: Wohlhabende Rentner leben im Schnitt weitere 17,5 Jahre, schlechter gestellte 14,6 Jahre. Pensionäre haben mit 65 eine durchschnittliche fernere Lebenserwartung von 17,8 Jahren. Sie variiert zwischen 15,8 Jahren bei pensionierten Beamten im einfachen Dienst und 19,6 Jahren bei Beamten des höheren Dienstes. Abhängig von wirtschaftlicher und sozialer Position unterscheidet sich die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern in Deutschland somit um bis zu fünf Jahre.

Die Forscher führen die soziale Ungleichheit bei der Lebenserwartung, die auch in anderen europäischen Ländern beobachtet wird, auf verschiedene Ursachen zurück. So arbeiteten Personen mit höherem Lebenseinkommen oder höherer Laufbahn eher in Berufen, die körperlich nicht so stark belasten. Sie haben auch seltener mit existenziellen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen, was sich wiederum positiv auf Lebenszufriedenheit und Gesundheitsbewusstsein auswirke. Beispielsweise setzten sich Menschen, „deren Lebensstandard dauerhaft gesichert ist, eher mit einer gesunden Lebensführung auseinander und nutzen (Weiter-) Bildungsangebote stärker als Personen, deren vordringlichstes Problem etwa drohende Arbeitslosigkeit oder die Zahlung der nächsten Miete ist“, schreiben die Wissenschaftler in den WSI Mitteilungen. Zudem hätten besser gestellte Personen eher das notwendige Geld, um zusätzliche Gesundheits- und Altersvorsorgeprodukte zu finanzieren.

Diese positiven Einflüsse wirken sich nach Analyse der Forscher unter Beamten und Pensionären besonders stark aus. „Hohe Arbeitsplatz- und Einkommenssicherheit“ ermöglichten einen „planbaren Lebensverlauf“, der grundsätzlich gesundheitsförderlich wirke. Darüber hinaus sehen die Wissenschaftler aber noch zwei weitere Umstände, die zur insgesamt höheren Lebenserwartung von Staatsdienern beitragen: Die bei Beamten wie Pensionären verbreitete private Krankenversicherung verbessere die medizinische Versorgung. Auf der anderen Seite beeinflusse auch die obligatorische Gesundheitsprüfung vor der Übernahme ins Beamtenverhältnis die statistische Lebenserwartung: Über diese Hürde gelangen von vornherein nur tendenziell gesündere Bewerber in den Staatsdienst.

Dass die Spanne der Lebenserwartung zwischen pensionierten Beamten größer ausfällt als unter Rentern, hängt nach der Analyse mit der geringeren Durchlässigkeit zwischen den Laufbahngruppen zusammen, die zu ähnlichen Arbeitsbedingungen innerhalb der Laufbahngruppen führt. So sei eine akademische Ausbildung Voraussetzung für den Zugang zum höheren Dienst. Dagegen fänden sich unter gesetzlich Rentenversicherten mit relativ hohem Lebensarbeitseinkommen beispielsweise sowohl leitende Angestellte als auch Akkordarbeiter, die Jahre lang eine körperlich belastende Arbeit getan haben.

Im Zeitverlauf zeigt sich, dass die fernere Lebenserwartung in den letzten Jahren insgesamt gestiegen ist. Zwischen 1999 und 2003 nahm sie bei Rentnern um durchschnittlich drei und bei Pensionären um 2,5 Monate zu. Die Lücke zwischen den verschiedenen Einkommens- und Laufbahngruppen hat sich dabei aber nicht verkleinert. Die Wissenschaftler führen das auch darauf zurück, dass es in Deutschland zwar „Einzelmaßnahmen zur Verringerung der gesundheitlichen Ungleichheit“ gebe, „konkrete Zielvorgaben oder eine umfassende politische Strategie“ aber fehlten. Damit liege die Bundesrepublik im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern zurück.

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