Studie zum Dienstleistungsstandort Mainfranken

Bis in die 80er-Jahre war der industrielle Sektor der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung. In den 90er-Jahren zeichnete sich ein Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft ab, der auch in Mainfranken verläuft. Was bringt die Zukunft? Diesen Fragen geht eine von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt in Auftrag gegebene Studie nach, die von der Arbeitsgruppe „Empirische Wirtschaftforschung“ unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Kopf am Volkswirtschaftlichen Institut der Uni Würzburg erstellt wurde.

Ende der 90er-Jahre überstieg die Wertschöpfung des Dienstleistungssektors erstmals jene der verarbeitenden Industrie. Auch in Mainfranken ist die wirtschaftliche Bedeutung dieses Sektors deutlich gewachsen. Sowohl die wissenschaftliche Analyse als auch die wirtschaftsstatistische Beschreibung hinken jedoch diesem Bedeutungswandel bislang hinterher. Die von Prof. Kopf und Mitarbeitern sowie Studierenden des Volkswirtschaftlichen Instituts erstellte Studie hat unter anderem folgende Ergebnisse gebracht:

Wertschöpfungsanteile gestiegen

Der Anteil der Dienstleistungen an der gesamten Bruttowertschöpfung in Mainfranken hat sich von 60 Prozent in 1991 auf 64 Prozent im Jahr 1998 erhöht und lag im gesamten Beobachtungszeitraum deutlich über dem entsprechenden Anteil für den Regierungsbezirk Unterfranken. Im Oberzentrum Würzburg werden rund vier Fünftel der Wirtschaftsleistung (79,1 Prozent) von privaten und öffentlichen Dienstleistern erbracht. Im Landkreis Bad Kissingen ist der Wertschöpfungsanteil der Dienstleistungen am höchsten in allen Landkreisen und liegt nahezu konstant bei 70 Prozent.

Der Landkreis Main-Spessart weist den niedrigsten Dienstleistungsanteil auf, der sich aber auch dort von 40 Prozent (1991) auf knapp unter 50 Prozent im Jahr 1998 erhöht hat. Auch die Landkreise Schweinfurt (68,2 Prozent) und Würzburg (69,7 Prozent) weisen einen hohen Anteil an Dienstleistungen auf.

Beschäftigungsanteile

Von 1993 bis 1998 sind die Arbeitnehmerzahlen für alle Wirtschaftsbereiche nur geringfügig gestiegen, in den Oberzentren Würzburg und Schweinfurt sowie in den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld sogar gesunken. Betrachtet man jedoch den Dienstleistungssektor, so wird dessen positive Beschäftigungswirkung besonders deutlich: In nahezu allen Landkreisen sowie im Oberzentrum Schweinfurt ist eine Zunahme von ein bis zwei Prozent zu verzeichnen. Das produzierende Gewerbe hingegen hat durchweg eine Abnahme der Beschäftigten hinzunehmen, am stärksten in den Städten Würzburg und Schweinfurt, dort sogar jeweils um minus zwei Prozent.

Unternehmensstruktur

Im Juli 2001 wurden insgesamt 45.782 der IHK zugehörige Unternehmen nachgewiesen. 15.819 davon (34,6 Prozent) sind dem Dienstleistungssektor zuzurechnen. Das ist im Vergleich zum Jahr 2000 ein Zuwachs der Dienstleister um 6,1 Prozent. In der Gruppe der Dienstleistungsunternehmen sind die Bereiche Informationswirtschaft (23,4 Prozent) und Finanzdienstleistungen (26,3 Prozent) am stärksten vertreten. Im weiten Abstand folgen mit jeweils rund 10 Prozent die Immobilienwirtschaft, Unternehmensberatung und Freizeitwirtschaft.

Von August 2000 bis Juli 2001 sind die Unternehmen im Bereich Gesundheits- und Sozialdienste (Zuwachsrate von 19,6 Prozent) sowie Bildungswirtschaft (plus 13,7 Prozent) am stärksten gewachsen. Im Bereich Informationswirtschaft sind mit rund 12 Prozent die Softwarehäuser am stärksten vertreten (Zuwachs 10,8 Prozent). Die regionale Konzentration der IT-Unternehmen liegt eindeutig in der Stadt (30,1 Prozent) bzw. im Landkreis Würzburg (18,7), gefolgt von den Landkreisen Main-Spessart (9,9) und Schweinfurt (8,7).

Dynamik der Unternehmensgründung

Von den 45.782 Unternehmen wurden 73,4 Prozent in den vergangenen zehn Jahren gegründet. Auch hier weist der Dienstleistungssektor die stärkste Gründungsdynamik auf: Fast jeder zweite Unternehmensgründer meldet ein Dienstleistungsgewerbe an.

Bemerkenswert ist auf der anderen Seite jedoch die hohe Marktaustrittsrate neu gegründeter Unternehmen. Von den 31.339 Unternehmen, die in den Jahren 1990 bis 2000 gegründet wurden, stammen nur noch 1.316 (4,2 Prozent) aus dem Jahr 1990. Bei einer Aufschlüsselung der Gesamtdaten nach Sektoren und Branchen ergibt sich ein ähnliches Bild.

Aktive Dienstleistungspolitik ist nötig

Eine aktive Dienstleistungspolitik ist notwendig, damit die Dienstleistungsunternehmen in Zukunft die vielen Potenziale, die der gesellschaftliche, wirtschaftliche und technische Wandel eröffnet, umfassend und beschäftigungswirksam nutzen können. Aufgabe einer solchen Strategie ist es, sowohl existierende als auch potenzielle Dienstleistungsanbieter dabei zu unterstützen, bestehende Innovationsschwächen zu überwinden und die Wachstumschancen zu aktivieren.

Aufgrund der Besonderheiten des Dienstleistungssektors (vorwiegend kleine Unternehmen, hohe Selbstständigenquote etc.) sind nach Ansicht der Würzburger Wirtschaftsforscher folgende Aktionen empfehlenswert:

  • Unterstützung bei der Bildung von Netzwerken, da vor allem kleine Unternehmen zur Stärkung und Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zeitweise auf Kooperationen in virtuellen Unternehmen angewiesen sind.
  • Erteilung von Zertifikaten für qualifizierte Dienstleister als Gütesiegel bzw. Bonitätsnachweis („IHK-zertifiziertes Dienstleistungsunternehmen“).
  • Weiterbildungsinitiativen im Dienstleistungsbereich zur Qualifizierung der Beschäftigten.
  • Im Rahmen des Regionalmarketing müssen die für die Ansiedlung von Dienstleistungsunternehmen wichtigen weichen Standortfaktoren noch deutlicher betont werden, weil vor allem diese die unternehmerische Standortentscheidung bestimmen.

Weitere Informationen: Prof. Dr. Jürgen Kopf, Volkswirtschaftliches Institut, T (0931) 31-2954, Fax (0931) 888-7033, E-Mail: juergen.kopf@mail.uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich idw

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