Am Institut für Verkehrsplanung und Straßenverkehr lief die Verkehrsstudie "Mobilität in Städten – SrV 2008" an

Im Januar hat die Technische Universität Dresden eine umfangreiche Mobilitätsstudie gestartet. Fast sechzig Städte sind deutschlandweit eingebunden, mehr als 100.000 Personen nehmen daran teil.

Ziel der Studie: das durchschnittliche Verkehrsverhalten der Stadtbevölkerung soll wissenschaftlich untersucht, die Folgen des demografischen Wandels und seine Auswirkungen auf Mobilität und Verkehr über einen langen Zeitraum beobachtet werden. „Mobilität in Städten – SrV“, so der Titel der Studie, liefert bereits seit 1972 wichtige Grunddaten für die kommunale Verkehrsplanung und -politik. Seitdem folgten mehrere Wiederholungen im Regelabstand von fünf Jahren. Im Jahr 2008 aktualisiert die TU Dresden die dienstälteste deutsche Zeitreihe zum Personenverkehr bereits zum neunten Mal.

Bis Ende Dezember 2008 werden auch über 8.000 zufällig ausgewählte Dresdner Haushalte ein Ankündigungsschreiben erhalten, in dem sie über die Befragung informiert und um ihre Mitwirkung gebeten werden. Die Beantwortung der Fragen kann telefonisch, schriftlich oder per Internet erfolgen. Die Teilnahme an der Erhebung ist dabei natürlich freiwillig. Mit der Durchführung der Erhebung hat die TU Dresden das Leipziger Institut omniphon GmbH beauftragt. Dort werden alle Daten erfasst und anonymisiert an die TU Dresden zur Auswertung übergeben.

Die Verkehrsforscher fragen zum Beispiel nach der Zahl der im Haushalt vorhandenen Pkw sowie der Fahrkartennutzung aller Personen. Besonders wichtig sind die Angaben zu den Wegen für einen vorgegebenen Stichtag. Dabei geht es beispielsweise um die genutzten Verkehrsmittel und die zurückgelegten Entfernungen. Gerd-Axel Ahrens, Inhaber der Professur für Verkehrs- und Infrastrukturplanung in der Fakultät Verkehrswissenschaften, weist darauf hin, wie wichtig es für die Auswertung ist, dass sich möglichst viele der angeschriebenen Haushalte beteiligen.

„Je mehr Personen teilnehmen, desto besser wird natürlich auch die Datenqualität. Gerade Personen, die vielleicht keine Zeit für die Studie erübrigen können, unterscheiden sich nämlich in ihrem Mobilitätsverhalten von denjenigen, die sich die Zeit zur Beantwortung nehmen und vielleicht auch stärker an dem Thema Verkehr interessiert sind“, beschreibt Ahrens eine Herausforderung bei der statistisch einwandfreien Auswertung der Daten. Für die Wissenschaftler ist es daher ganz wichtig, dass möglichst alle Bevölkerungsgruppen an der Erhebung teilnehmen.

Die Ergebnisse der vorhergehenden Studienjahrgänge haben die Forscher übrigens schon so manches Mal überrascht. Durch die Nutzung der Daten in komplexen Verkehrsmodellen können sie nicht nur durchschnittliche Reisezeiten oder pro Tag zurückgelegte Kilometer ausrechnen, sondern ganzheitliche Netzbetrachtungen für den Verkehr einer einzelnen Großstadt anstellen. Wie der Verkehr im Dresdner Netz ohne und mit der Waldschlößchenbrücke fließt, ist zum Beispiel eine aktuelle, kommunalpolitisch höchst umstrittene Frage. Durch „SrV 2008“ kann Prof. Ahrens den Brückenstreit zwar nicht schlichten; aber er hat Antworten, die die Versachlichung der Diskussion unterstützen. Ist der Verkehr in Dresden seit 2003 noch einmal schneller geworden; lohnt sich der Streit über die Flussquerung durch Radfahrer, oder ist diese Größe zu vernachlässigen; und nutzte die zusätzliche Möglichkeit der Flussquerung dem städtischen Verkehr insgesamt tatsächlich so sehr, wie viele Politiker behaupten?

Prof. Ahrens versucht mit den SrV-Daten eine Grundlage dafür zu schaffen, dass solche Fragen möglichst sachlich beantwortet werden können. Er weist darauf hin, dass die Planung der Waldschlößchenbrücke womöglich vorwiegend auf Daten beruht, die bis 1996 erhoben wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt stieg das Verkehrsaufkommen auf den Dresdner Brücken, dann stagnierte es und ging sogar aus verschiedenen Gründen, u.a. auch wegen der Eröffnung der A17, zurück. „Gerade an dieser Fragestellung kann man ersehen, wie wichtig eine regelmäßige und gründliche Datenerhebung zur Mobilität ist“, argumentiert der Verkehrsforscher. „Seit etwa zehn Jahren hat sich der gesamte Verkehr in und um Dresden nämlich noch einmal grundlegend verändert.

So haben Standortentscheidungen das Mobilitätsverhalten sehr beeinflusst, flexible Arbeits- und längere Ladenöffnungszeiten haben die Verkehrslage insgesamt eher entspannt. Die innerstädtische Reisegeschwindigkeit ist im Vergleich zu anderen deutschen Städten hoch; fast zu hoch, soll der öffentliche Nahverkehr konkurrenzfähig bleiben!“ Und zum Stichwort Brücke, so Ahrens, müsse man natürlich eines im Blick behalten: „Je schneller der Verkehr durch die Stadt fließt, desto unattraktiver wird es für Reisende, die stadtumfahrenden Autobahnen zu nutzen.“

Im Wettstreit mit Städten vergleichbarer Größe, lobt der Verkehrswissenschaftler nach der Auswertung der bisherigen Daten, hat Dresden ein bestens ausgebautes System des öffentlichen Nahverkehrs. Im Ostteil Deutschlands müsse sich die Stadt da nur Erfurt geschlagen geben. Das ist auch ein Grund dafür, dass in Dresden relativ wenige Menschen das Auto für ihre täglichen Wege benutzen. Auch das trägt zur Verflüssigung des Stadtverkehrs bei und hilft vor allem der Umwelt. In diesem Zusammenhang ist vielleicht auch eher erklärlich, warum die Landeshauptstadt kürzlich in einem landesweiten Rating so fahrradunfreundlich erschien: Wege, die nicht zu Fuß zu erledigen sind, legen die meisten Dresdner lieber mit Bus und Bahn zurück. Dabei hat sich der Anteil der mit dem Fahrrad innerstädtisch erledigten Wege übrigens nach der Wende mehr als verdoppelt und lag 2003 bei knapp 14 Prozent.

Insgesamt rät Prof. Ahrens den Dresdnern, sich möglichst aktuell über die Verkehrssituation der Stadt zu informieren und nicht alles zu glauben, was aus jeweils subjektiver Sicht über den städtischen Verkehr behauptet wird. „Zur 'komplexen Reisezeit' gehört eben auch die Parkplatzsuche, das haben viele Autofahrer heute schon verinnerlicht“, lächelt der Professor. „Unsere Daten zeigen jedenfalls, dass der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer immer intelligenter geworden ist.“ Immer mehr Verkehrsteilnehmer sind heute „multimodal“ unterwegs, nutzten den ÖPNV, Carsharing oder auch mal das Taxi. „Das ist eigentlich unser Wunschszenario – dahin sollte die Reise gehen…“

Informationen für Journalisten: Prof. Dr.-Ing. Gerd-Axel Ahrens, Dr.-Ing Frank Ließke, Tel. 0351 463-36668, frank.liesske@tu-dresden.de

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Kim-Astrid Magister idw

Weitere Informationen:

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