Batmobil mit Tempomat: Fledermäuse wandern mit idealer Reisegeschwindigkeit für höchste Reichweite

Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii) Christian Giese

Zu Lande, im Wasser oder in der Luft – eine Vielzahl von Tierarten wandert saisonal zwischen unterschiedlichen Lebensräumen. Der Luftweg ist der schnellste, aber auch der energieaufwändigste. Eine neue Studie unter der Leitung des Leibniz-IZW hat nun erstmals den Energiebedarf und die Reisegeschwindigkeit von migrierenden Rauhautfledermäusen untersucht.

Mit einem Windkanalexperiment wurde der Energiebedarf der Tiere für verschiedene Fluggeschwindigkeiten ermittelt. Eine Feldstudie offenbarte die tatsächlichen Geschwindigkeiten migrierender Artgenossen.

Die Studie zeigt, dass die migrierenden Tiere mit der energieeffizientesten Geschwindigkeit fliegen, sie legen also weite Strecken mit minimalem Energieaufwand zurück. Wie die Forscher dem „Tempomat“ für Fledermäuse auf die Spur gekommen sind, ist im „Journal of Experimental Biology“ publiziert.

Der Zug über weite Strecken ist besonders für fliegende Tiere eine kräftezehrende Angelegenheit. Wie genau sich ziehende Tiere die Energie hierfür einteilen und ob dies nach Optimalitätskriterien erfolgt, ist weitgehend unbekannt.

Ein Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Sara Troxell und Christian Voigt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) hat mit zwei ambitionierten Experimenten mit Rauhautfledermäusen (Pipistrellus nathusii) versucht, diese Lücke zumindest teilweise zu schließen. Der erste Teil der Studie wurde in einem Windkanal in Kombination mit einer Atemkammer durchgeführt.

Die Kammer erlaubte es den WissenschaftlerInnen, die Anreicherung von stabilen Kohlenstoffisotopen in der Atemluft der Fledermäuse präzise zu messen und damit den Stoffwechsel zu berechnen. Sie wiederholten Messungen direkt vor und nach Flügen im Windkanal mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und konnten damit ermitteln, bei welcher Geschwindigkeit sich das beste Verhältnis von Energieverbrauch und zurückgelegter Strecke einstellt.

Der zweite Teil der Studie wurde im Migrationskorridor der Rauhautfledermäuse an der Ostseeküste in Lettland durchgeführt. Über die von den Fledermäusen ausgestoßenen Echoortungsrufe ermittelten die ForscherInnen die Flugbahnen von migrierenden Fledermäusen. Daraus errechneten sie die tatsächlichen Fluggeschwindigkeiten bei der Wanderung.

„Unsere Studie belegt, dass die beobachteten Fluggeschwindigkeiten genau zu jenen berechneten Idealwerten passen. Die Fledermäuse fliegen also genau mit jener Geschwindigkeit, die sie am energieeffizientesten über lange Strecken trägt“, schließen Troxell und Voigt. Diese Geschwindigkeit beträgt circa 7,5 Meter pro Sekunde, beziehungsweise 27 Kilometer pro Stunde.

Die Studie erlaubte es darüber hinaus, die Fluggeschwindigkeiten von Fledermäusen auf Nahrungssuche und auf Wanderung zu vergleichen. Jagende Fledermäuse fliegen deutlich langsamer als die errechnete Idealgeschwindigkeit für den Langstreckenflug. „Wenn die Tiere in einem Küstenwald Insekten jagen, müssen sie häufig scharfe Kurven fliegen“, erklärt Troxell. „Diese Richtungswechsel erfordern niedrigere Geschwindigkeiten. Die Fledermäuse fliegen offenbar grundsätzlich bei der Jagd langsamer, um auf die Richtungswechsel vorbereitet zu sein.“

Diese präzisen Daten von Fluggeschwindigkeiten und Stoffwechselraten ermöglichen es, die Gesamt-Energiebedarfe von saisonalen Wanderungen kleiner Fledermäusen zu errechnen. Diese Hochrechnungen ergaben, dass Rauhautfledermäuse, die zwischen Nordosteuropa und Südfrankreich (wo sie überwintern) gut 2.000 Kilometer zurücklegen, insgesamt rund 300 Kilojoules Energie verbrauchen. Eine Reise dieser Länge dauert mindestens 12 Tage – bei direkter Flugstrecke.

Zum jetzigen Zeitpunkt sind die genauen Flugrouten sowie Flugstunden und -distanzen pro Nacht noch unbekannt. „Wir müssen noch weiter über das Zugverhalten von Fledermäusen forschen, unter anderem auch um sie besser vor den Gefahren, zum Beispiel an Windkraftanlagen, schützen zu können“, schließt Voigt.

Kontakt:
Jan Zwilling
Wissenschaftskommunikation
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung im Forschungsverbund Berlin e.V.
Alfred-Kowalke-Straße 17
10315 Berlin
Tel: +49 (0)30 5168121
E-Mail: zwilling@izw-berlin.de

Sara Troxell
Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Evolutionäre Ökologie
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung im Forschungsverbund Berlin e.V.
Alfred-Kowalke-Straße 17, 10315 Berlin
Tel: +49 (0)30 5168123
E-Mail: troxell@izw-berlin.de

PD Dr. Christian Voigt
Leiter der Abteilung Evolutionäre Ökologie
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung im Forschungsverbund Berlin e.V.
Alfred-Kowalke-Straße 17, 10315 Berlin
Tel: +49 (0)30 5168511
E-Mail: voigt@izw-berlin.de

Troxell SA, Holderied MW, Pĕtersons G, Voigt CC (2019) Nathusius’ bats optimize long-distance migration by flying at maximum range speed. Journal of Experimental Biology. http://jeb.biologists.org/content/222/4/jeb176396 (Link verfügbar ab 27.2., 9:00 Uhr)

http://jeb.biologists.org/content/222/4/jeb176396 (Link verfügbar ab 27.2., 9:00 Uhr)

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Dipl.-Geogr. Anja Wirsing Forschungsverbund Berlin e.V.

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