Topologischer Schutz versus Grad der Verschränkung von Zwei-Photonen-Licht in photonischen topologischen Isolatoren

Abbildung 1: Topologische Isolatoren sind endliche Gittersysteme (a), welche Eigenspektren besitzen (b), bei denen die Eigenenergien der Volumenzustände (c) eine Bandlücke aufweisen, welche die Eigenenergien der Randzustände (d) umfasst.
(c) MBI

In gemeinsamer Arbeit haben Forscher der Humboldt Universität zu Berlin, des Max-Born-Institut Berlin und der University of Central Florida (USA) notwendige Kriterien für den robusten Transport von verschränktem Zwei-Photon-Licht in photonischen topologischen Isolatoren herausgearbeitet, was den Weg ebnet hin zum rausch-resistenten Transport von Quanteninformationen. Die Ergebnisse sind nun in „Nature Communications“ erschienen.

Topologische Isolatoren – ursprünglich in Festkörpersystemen entdeckt – sind zwei-dimensionale Materialien, die streuungs-freien (uni-direktionalen) Transport entlang ihres Randes erlauben, sogar im Beisein von Defekten und Unordnung. Im Wesentlichen sind topologische Isolatoren endliche Kristallgittersysteme in denen sich, mit passender Terminierung des zugrundeliegenden unendlichen Gitters, Randzustände bilden, welche innerhalb einer wohl-definierten Bandlücke zwischen den Volumenzuständen liegen. Mit anderen Worten, die Randzustände sind von den Volumenzuständen energetisch separiert, siehe Abb. (1).

Die Einzelteilchen-Randzustände in solchen System sind von herausragender Bedeutung, da diese topologisch vor Streuung geschützt sind: Sie können weder in den Festkörper streuen, da ihre Energie in der Bandlücke liegt, noch können sie rückwärts streuen, weil rückwärts propagierende Randzustände entweder nicht existieren oder nicht an die vorwärts propagierenden Zustände gekoppelt sind.

Die Realisierbarkeit komplexer Hamilton-Operatoren mithilfe integrierter photonischer Gitter, kombiniert mit der breiten Verfügbarkeit von verschränkten Photonen, eröffnet die faszinierende Möglichkeit topologisch-beschützte, verschränkte Zustände in der optischen Quanteninformationsverarbeitung zu verwenden (siehe z.B. Science 362, 568, (2018) und Optica 6, 955 (2019).

Dieses Ziel zu erreichen ist jedoch nicht trivial, denn topologischer Schutz lässt sich nicht ohne weiteres auf Mehrteilchen (Rück-)streuung ausweiten. Zunächst erscheint dies kontraintuitiv, denn individuell ist jedes der Teilchen per Topologie beschützt, jedoch können verschränkte (korrelierte) Teilchenpaare höchst anfällig gegenüber Störungen des idealen Kristallgitters sein. Das zugrundeliegende physikalische Prinzip dieser offensichtlichen “Diskrepanz” ist, dass – quantenmechanisch gesehen – identische Teilchen durch Zustände beschrieben werden, die einer Austauschsymmetrie genügen.

In ihrer Arbeit erzielen die Forscher mehrere grundlegende Fortschritte hin zu einem detaillierten Verständnis und zur Kontrolle von topologischem Schutz im Kontext von Mehrteilchenzuständen:

  • Erstens, identifizieren sie die physikalischen Mechanismen, die eine Verwundbarkeit von verschränkten Zuständen induzieren und formulieren klare Richtlinien um Verschränkung zu maximieren, ohne dafür topologischen Schutz zu opfern.
  • Zweitens, etablieren und belegen sie ein Schwellenwert-artiges Verhalten der Verwundbarkeit von Verschränkung und finden Bedingungen für den robusten Schutz von hochgradig verschränkten Zuständen
Abbildung 2: Um das topologische Fenster des Schutzes zu finden, betrachten die Forscher einen spektral breiten Produktzustand als Anfangszustand und propagieren diesen durch ein Ensemble von 1000 zufälligen Haldane Gittern. (a) Zeigt die spektrale Korrelationsverteilung des Anfangszustands und (b) das Ensemble-Mittel der Korrelationsverteilung im Rand-Rand Unterraum nach der Propagation durch das Ensemble von ungeordneten Gittern. Es zeigt sich, dass die einzigen Zwei-Photon Amplituden, die die durch Unordnung induzierte Streuung überleben, innerhalb der Region liegen, die durch das schwarze Quadrat markiert ist – das Fenster des topologischen Schutzes. Zu guter Letzt, zeigen (c) und (d) jeweils den Randmodenanteil E und das Produkt des Randmodenanteils mit der Schmidtzahl E · SN als Funktion der Varianzen des Anfangszustandes.
(c) MBI

Um genau zu sein, untersuchen sie den Einfluss von Unordnung auf ein Kontinuum von Zwei-Photonen Zuständen, welches von vollständig korrelierten bis hin zu vollständig anti-korrelierten Zuständen reicht und dabei auch komplett separable Zustände umfasst. In ihrer Analyse betrachten sie zwei topologische Gitter, ein periodisches und ein aperiodisches. Im periodischen Fall verwenden sie das hexagonale Haldane Modell und im aperiodischen Fall ein quadratisches Gitter, welches die Einteilchendynamik des Quanten-Hall-Effektes abbildet.

Die Resultate zeichnen einen klaren Weg hin zur Erzeugung robuster Wellenpakete – maßgeschneidert für die spezifisch vorliegende Unordnung. Insbesondere finden sie Grenzen für die Stabilität von verhältnismäßig stark verschränkten Zuständen, und damit praktische Richtlinien zur Erzeugung von nützlichen verschränkten Zuständen in topologischen photonischen Systemen. Schließlich zeigen diese Ergebnisse, dass, um Verschränkung zu maximieren ohne den topologischen Schutz zu verlieren, die spektrale Korrelationsverteilung von Zwei-Photonen Zuständen in einem wohl-definierten “Fenster des topologischen Schutzes“ liegen muss, siehe Abb. (2).

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Max Born Institute for Nonlinear Optics and Short Pulse Spectroscopy – www.mbi-berlin.de
Institut für Physik – Humboldt-Universität zu Berlin and Max-Born-Institut – https://top.physik.hu-berlin.de
CREOL, The College of Optics and Photonics – University of Central Florida – https://creol.ucf.edu/

Prof. Dr. Kurt Busch
kurt.busch@mbi-berlin.de
kurt.busch@physik.hu-berlin.de
+49 30 2093 – 7892
+49 30 6392 1261

Dr. Armando Perez-Leija
armando.perez@mbi-berlin.de
+49 30 6392 1261

Konrad Tschernig
+49 30 6392 – 1213
konrad.tschernig@mbi-berlin.de
konrad.tscherning@physik.hu-berlin.de

Originalpublikation:

Topological protection versus degree of entanglement of two-photon light in photonic topological insulators

Konrad Tschernig, Álvaro Jimenez-Galán, Demetrios N. Christodoulides, Misha Ivanov
Kurt Busch, Miguel A. Bandres, Armando Perez-Leija

Nature Communications
https://doi.org/10.1038/s41467-021-22264-3
https://mbi-berlin.de/research/highlights

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Alexandra Wettstein Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie im Forschungsverbund Berlin e.V.

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