Quantenphysik – Elektronisches Gedrängel im Quantenstau

In der modernen Elektronik werden die Bauteile immer kleiner – erst die zunehmende Miniaturisierung macht den technologischen Fortschritt möglich. Eine neue Generation noch effizienterer Bauteile könnte entstehen, wenn die quantenmechanischen Besonderheiten sehr kleiner Komponenten für die Entwicklung quantenelektronischer Schaltkreise genutzt werden könnten.

Eine herausragende Rolle spielen dabei kurze, eindimensionale Einschnürungen des Elektronentransports, sogenannte Quantenpunktkontakte. Im Unterschied zum makroskopischen Bereich ist der elektrische Leitwert von Quantenpunktkontakten quantisiert: Wird die Einschnürung des Quantenpunktkontakts stetig verengt, nimmt der Leitwert in Stufen des fundamentalen Leitwertquantums ab, bis er schließlich ganz verschwindet.

Zusätzlich wird der Leitwert eines Quantenpunktkontaktes in der letzten Leitwertstufe von einem subtilen Vielteilcheneffekt beeinflusst, der sogenannten 0.7-Anomalie: Erreicht der Leitwert etwa 0.7 des Leitwertquantums, kommt es zu einer unerwarteten und deutlichen Unterdrückung des elektrischen Leitwerts – d.h. Elektronen tun sich hier schwerer als erwartet, den Quantenpunktkontakt zu durchqueren. „Obwohl dieser Effekt aufgrund seiner großen Bedeutung für quantenelektronische Schaltkreise bereits seit etwa 15 Jahren untersucht wird, war sein mikroskopischer Ursprung bisher nicht verstanden“, sagt der LMU-Physiker PD Dr. Stefan Ludwig.

Ludwig und sein LMU-Kollege Professor Jan von Delft schafften nun gemeinsam den Durchbruch: Einem Team um die beiden Physiker, die auch Mitglieder des Exzellenzclusters „Nanosystems Initiative Munich (NIM)“ sind, gelang es, durch eine geschickte Kombination von Experimenten und numerischen Rechnungen, den mikroskopischen Ursprung der 0.7-Anomalie detailliert zu erläutern.. „Der zugrunde liegende Mechanismus ist recht naheliegend: Je enger die Einschnürung des Quantenpunktkontakts ist, desto langsamer bewegen sich die Elektronen, die durchkommen“, erklären Florian Bauer und Jan Heyder, die die numerischen Rechnungen durchgeführt haben.

„Kurz bevor die Einschnürung so eng ist, dass die Elektronen gar nicht mehr hindurch kommen, stauen sie sich und behindern dadurch andere Elektronen“. Ähnliches erlebt jeder, der inmitten eines Menschenpulks versucht, eine enge Toröffnung zu durchqueren. Das elektronische Gedrängel im Quantenstau präzise zu berechnen war jedoch eine große Herausforderung und nur durch eine enge Kooperation zwischen Theorie und Experiment möglich.

In Zukunft wollen die Wissenschaftler ihre neue Beschreibung von Wechselwirkungseffekten in Quantenpunktkontakten auf kompliziertere Hybridsysteme anwenden. „Dabei interessieren uns beispielsweise Quantenpunktkontakte zwischen supraleitenden und halbleitenden Materialien, die eine Fülle von bisher unverstandenen exotischen Effekten aufweisen“, sagt von Delft.

(Nature 2013) göd

Publikation:
Microscopic Origin of the 0.7-Anomaly in Quantum Point
Contacts
Florian Bauer, Jan Heyder, Enrico Schubert, David Borowsky, Daniela Taubert, Benedikt Bruognolo, Dieter Schuh, Werner Wegscheider, Jan von Delft, Stefan Ludwig
Nature 2013
DOI: 10.1038/nature12421
Kontakt:
Stefan Ludwig
Tel.: +49 (0)89 2180 1457 ;
Fax.: +49 (0)89 2180 3182
E-Mail: ludwig@lmu.de
Jan von Delft
Tel.: +49 (0)89 2180 4528
Fax.: +49 (0)89 2180 4155
E-Mail: vondelft@lmu.de

Media Contact

Luise Dirscherl idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-muenchen.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer