Quantenmaterial als Booster für 6G-Mobilfunk und Astronomie

Terahertz-Pulse (von links) treffen auf einen topologischen Isolator. Sie regen die Elektronen an, deren mögliche Zustände durch Energiebänder vorgegeben sind. Die Bänder im Innern des Materials (blau) sind ausgedehnt und weisen eine große Energielücke zum leitenden Energieband auf - daher ist das Material hier ein elektrischer Isolator. Völlig anders verhält es sich an der Oberfläche: Die dort entstehenden Bänder (rot) überbrücken die Energielücke und sorgen für ein metallisches Verhalten. Das Experiment zeigt, dass die Elektronen in diesen Oberflächenzuständen sehr schnell in den Gleichgewichtszustand zurückkehren (lila Gitter). Im Gegensatz dazu benötigen die Elektronen in den anderen Bändern etwa zehnmal so viel Zeit, um zur Ruhe zu kommen (gelbes Gitter).
(c) HZDR/Juniks

Neue Studie untersucht grundlegende Eigenschaften von topologischen Isolatoren.

Sie gelten als hochinteressante Materialien für die Elektronik der Zukunft: Topologische Isolatoren leiten Strom auf eine besondere Weise und versprechen neuartige Schaltkreise, neue Strahlungsdetektoren und einen schnelleren Mobilfunk. Ein Forschungsteam aus Deutschland, Spanien und Russland hat nun unter Beteiligung des Instituts für Optik und Atomare Physik der Technischen Universität (TU) Berlin eine grundlegende Eigenschaft der neuen Werkstoffklasse enträtselt: Wie im Detail reagieren die Elektronen im Material, wenn sie mit kurzen Pulsen sogenannter Terahertz-Strahlung „aufgeschreckt“ werden? Die Resultate sind nicht nur für das fundamentale Verständnis dieser neuartigen Quantenmaterialien wichtig, sondern könnten künftig für eine schnellere mobile Datenkommunikation sorgen oder in hochempfindlichen Detektorsystemen für die Erkundung ferner Welten eingesetzt werden. Das Team präsentiert seine Arbeit im Fachjournal NPJ Quantum Materials (DOI: 10.1038/s41535-021-00384-9).

Topologische Isolatoren sind eine noch junge Materialklasse mit einer besonderen Quanteneigenschaft: An ihrer Oberfläche können sie Strom nahezu verlustfrei leiten, wogegen ihr Inneres als Isolator fungiert – hier kann keinerlei Strom fließen. Für die Zukunft verspricht das interessante Perspektiven: Topologische Isolatoren könnten als Grundlage für hocheffiziente elektronische Bauteile dienen, was sie zu einem interessanten Forschungsfeld in der Physik macht. „Am DLR haben wir ein großes Interesse daran, solche Quantenmaterialien in leistungsfähigen Teleskopen für die Astronomie, insbesondere in Weltraumteleskopen, einzusetzen“, erläutert Prof. Dr. Michael Gensch. Er ist Abteilungsleiter am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und hat die Professur „Terahertz- und Laserspektroskopie“ am Institut für Optik und Atomare Physik an der Technischen Universität Berlin und am Einstein Center Digital Future (ECDF) inne.

Innen und Außen unterscheiden

Noch aber sind einige grundlegende Fragen offen: Was zum Beispiel geschieht genau, wenn man die Elektronen im Material mit Terahertz-Strahlung „anschubst“ und dadurch energetisch anregt? Klar ist: Die Elektronen wollen den zwangsweise verpassten Energieschub möglichst rasch wieder loswerden, etwa indem sie das Kristallgitter um sich herum erwärmen. Doch bei den topologischen Isolatoren war bislang fraglich, ob dieses Loswerden der Energie in der leitenden Oberfläche schneller passiert als im isolierenden Kern. „Um das festzustellen, mangelte es bisher an geeigneten Experimenten“, erklärt Studienleiter Dr. Sergey Kovalev vom Institut für Strahlenphysik am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR). „Bislang war es extrem schwierig, bei Raumtemperatur zwischen der Reaktion der Oberfläche und der des Materialinneren zu unterscheiden.“

Ein neuer Versuchsaufbau zeigt den Unterschied

Um diese Hürde zu überwinden, entwickelte Kovalev gemeinsam mit einem internationalen Team einen neuen Versuchsaufbau. Entscheidend war dabei, dass das Team nicht nur ein einziges Material unter die Lupe nahm. Stattdessen stellten die russischen Projektpartner drei verschiedene topologische Isolatoren mit unterschiedlichen, genau abgestimmten Eigenschaften her: In einem konnten nur die Elektronen an der Oberfläche die Energie der Terahertz-Pulse direkt aufnehmen, in den anderen wurden hauptsächlich Elektronen im Probeninneren angeregt. „Der Abgleich dieser drei Experimente erlaubte es, präzise zwischen dem Verhalten der Oberfläche und der des Materialinneren zu unterscheiden“, erklärt Kovalev. „Und zwar haben sich die Elektronen in der Oberfläche deutlich schneller abgeregt als die im Inneren des Materials.“ Offenbar waren sie in der Lage, ihre Energie unverzüglich auf das Kristallgitter des Materials zu übertragen – die Elektronen im Inneren waren dagegen etwa zehnmal langsamer.

In Zahlen: Waren die Oberflächen-Elektronen nach wenigen hundert Femtosekunden in ihren ursprünglichen energetischen Zustand zurückgekehrt, dauerte dies bei den „inneren“ Elektronen rund zehnmal so lange, also einige Pikosekunden. „Topologische Isolatoren sind hochkomplexe Systeme, sie sind theoretisch alles andere als einfach zu verstehen“, betont Michael Gensch „Unsere Resultate können bei der Entscheidung helfen, welche der theoretischen Ideen zutreffend sind.“

Hocheffektive Multiplikation

Doch das Experiment verspricht auch interessante Perspektiven für die digitale Kommunikation, etwa für WLAN und Mobilfunk. Technologien wie 5G arbeiten heute im Gigahertz-Bereich. Würde man höhere Frequenzen im Terahertz-Bereich nutzen, ließen sich deutlich mehr Daten über einen Funkkanal übertragen. Eine wichtige Rolle könnten dabei sogenannte Frequenzvervielfacher spielen: Sie sind in der Lage, niedrige Funkfrequenzen in höhere zu übersetzen.

Vor einiger Zeit hatte das Forschungsteam erkannt, dass Graphen – zweidimensionaler, superdünner Kohlenstoff – unter bestimmten Bedingungen als effizienter Frequenzvervielfacher dienen kann. Es vermag eine 300-Gigahertz-Strahlung in Frequenzen von einigen Terahertz zu konvertieren. Das Problem: Ist die eintreffende Strahlung extrem intensiv, verliert Graphen stark an Effizienz. Topologische Isolatoren dagegen funktionieren selbst noch bei intensivster Anregung als Frequenzvervielfacher, so das Resultat der neuen Studie. Mit ihnen wäre es möglich, Frequenzen von einigen Terahertz auf mehrere Dutzend Terahertz zu multiplizieren. Damit könnten die neuen Quantenmaterialien in einem deutlich breiteren Frequenzbereich eingesetzt werden als Graphen.

Durchgeführt wurden die Experimente an der Terahertz-Lichtquelle „TELBE“ im HZDR. Beteiligt waren Forscher*innen des Katalanischen Instituts für Nanowissenschaften und Nanotechnologie in Barcelona, der Universität Bielefeld, des DLR, der TU Berlin sowie der Lomonossov-Universität und des Kotelnikov-Instituts für Funktechnik und Elektronik in Moskau.

Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:

Prof. Dr. Michael Gensch
Technische Universität Berlin
Institut für Optik und Atomare Physik
Tel.: +49 (30) 314-26644
E-Mail: michael.gensch@tu-berlin.de

https://www.tu.berlin/ueber-die-tu-berlin/profil/pressemitteilungen-nachrichten/2021/dezember/quantenmaterial-als-booster-fuer-6g-mobilfunk-und-astronomie/

 

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Stefanie Terp Stabsstelle Kommunikation, Events und Alumni
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