Das „Paarungsverhalten“ der Elektronen: Triplett-Supraleitung erstmals experimentell nachgewiesen
Gemeinsame Presseinformation der Ruhr-Universität Bochum und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Ein experimenteller Durchbruch in der Quantenphysik ist Forschern der Ruhr-Universität Bochum, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Universität Santa Barbara (USA) gelungen: Sie haben das „Paarungsverhalten“ von Elektronen untersucht und konnten erstmals nachweisen, dass es Elektronen-Paare gibt, so genannte Cooper-Paare, die eine parallele Ausrichtung ihres Drehimpulses (Spins) haben. Supraleitung ist ein besonderer Zustand der Materie, bei dem der elektrische Widerstand verschwindet.
Die Existenz der Triplett-Cooper-Paare war bisher nur theoretisch vorhergesagt worden. Die Erkenntnisse des Forscherteams unter Leitung von Prof. Dr. Kurt Westerholt und Prof. Dr. Hartmut Zabel (Fakultät für Physik und Astronomie der RUB) könnten in Zukunft dazu beitragen, neue und stromsparende Bauelemente herzustellen. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in der renommierten Zeitschrift „The Physical Review“ der American Physical Society.
Elektronen-Paare im Singulett-Zustand
Ohne elektrischen Widerstand könnten wir erheblich an der Stromrechnung sparen und einen entscheidenden Beitrag zum Energieproblem leisten, wenn es da nicht noch ein paar Probleme gäbe. Viele Metalle und auch Oxide weisen einen supraleitenden Zustand auf, allerdings nur bei tiefen Temperaturen. Der supraleitende Effekt entsteht durch Cooper-Paare, die gemeinsam und „widerstandslos“ durch das Metall wandern. In jedem Cooper-Paar sind die Elektronen so angeordnet, dass ihr Gesamtdrehimpuls null wird. Jedes Elektron hat einen Drehimpuls, den so genannten Spin, mit dem Wert 1/2. Wenn ein Elektron links herum dreht (-1/2) und das andere rechts herum (+1/2), dann ist die Summe aus beiden Drehimpulsen null. Dieser Effekt, den man nur in Supraleitern findet, heißt Singulett-Zustand.
Supraleitende Cooper-Paare
Bringt man Supraleiter in Kontakt mit Ferromagneten, dann werden die Cooper-Paare auf kürzester Strecke aufgebrochen und der Supraleiter wird zum Normalleiter, Cooper-Paare in einem Singulett-Zustand können in einem Ferromagneten nicht im überleben. Forscher u. a. aus der RUB (Prof. Konstantin Efetov, Festkörperphysik) haben jedoch eine neue Art von Cooper-Paaren theoretisch vorausgesagt, die eine bessere Überlebenschance in Ferromagneten haben. In diesen Cooper-Paaren sind die Spins parallel ausgerichtet und haben damit einen endlichen Drehimpuls mit dem Wert 1. Da dieser Drehimpuls drei Orientierungen im Raum haben kann, wird er auch Triplett-Zustand genannt. „Offensichtlich gibt es immer einen gewissen, kleinen Anteil von Cooper-Paaren, die im Triplett-Zustand sind, aber schnell wieder in den Singulett-Zustand übergehen“, erklärt Prof. Kurt Westerholt. „Die Herausforderung war, diese Triplett-Cooper-Paare experimentell nachzuweisen.“
Tunnelstrom aus Cooper-Paaren
Mit Supraleitern kann man hoch empfindliche Detektoren von Magnetfeldern herstellen, mit denen sich sogar Magnetfelder nachweisen lassen, die von Gehirnströmen stammen. Diese Detektoren heißen SQUID (superconducting quantum interference device) – das sind Bauelemente, die supraleitende Quanteneigenschaften ausnützen. Der zentrale Teil in diesen Bauelementen sind so genannte Tunnelbarrieren, bestehend aus einer Abfolge von supraleitender Schicht, Isolator und wieder supraleitender Schicht. Ein Cooper-Paar kann dann durch eine sehr dünne Isolatorschicht quantenmechanisch hindurch „tunneln“. Tunneln viele Cooper-Paare, dann bilden sie einen Tunnelstrom. „Natürlich darf man die Barriere nicht zu dick machen, sonst versiegt der Tunnelstrom. Ideal sind ein bis zwei Nanometer Dicke“, so Prof. Hermann Kohlstedt (Universität Kiel).
Doppelter Erfolg in Bochum und Kiel
Ersetzt man einen Teil der Tunnelbarriere durch eine ferromagnetische Schicht, werden die Cooper-Paare noch in der Barriere aufgebrochen und erreichen den Supraleiter auf der anderen Seite nicht. Der Tunnelstrom nimmt drastisch ab. Triplett Cooper-Paare können jedoch viel besser durch die ferromagnetische Barriere tunneln, so Dirk Sprungmann, der als Doktorand in dieser Arbeit involviert war. Wenn es gelingt, einen Teil der Singulett-Cooper-Paare in Triplett-Cooper-Paare umzuwandeln, dann sollte der Tunnelstrom wesentlich stärker sein und durch eine dickere ferromagnetische Schicht durchkommen. Genau das haben die Physiker in Bochum und Kiel getestet. Sie ließen die Cooper-Paare durch ferromagnetische Barrieren laufen, die bis zu 10 Nanometer dick waren. Damit ist den Physikern ein doppelter Erfolg gelungen. Sie konnten zum einen experimentell nachweisen, dass es Triplett-Cooper-Paare gibt, zum anderen konnten sie zeigen, dass der Tunnelstrom größer ist als für Singulett-Cooper-Paare in konventionellen Tunnelkontakten. „Diese neuen ferromagnetischen Tunnelbarrieren können möglicherweise für neuartige Bauelemente verwendet werden“, sagt Dr. Martin Weides (Santa Barbara). Mit ihren Forschungsergebnissen bestätigten die Wissenschaftler u. a. die nur wenige Wochen zuvor veröffentliche theoretische Arbeit eines norwegischen Forscherteams.
Titelaufnahme
D. Sprungmann, K. Westerholt, H. Zabel, M. Weides, H. Kohlstedt: Evidence of triplet superconductivity in Josephson junctions with barriers of the ferromagnetic Heusler alloy Cu2MnAl. Physical Review B 82 (2010), DOI: 10.1103/PhysRevB.82.060505
Weitere Informationen
Prof. Dr. Hartmut Zabel, Prof. Dr. Kurt Westerholt, Experimentalphysik IV – Festkörperphysik, Fakultät für Physik und Astronomie der RUB, Tel. 0234/32-23650, E-Mail: hartmut.zabel@rub.de
Prof. Dr. Hermann Kohlstedt, Nanoelektronik, Technische Fakultät Kiel, Christian-Albrechts-Universität Kiel, hko@tf.uni-kiel.de, 0431/880-6075
Redaktion: Jens Wylkop
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