NOEMA: Halbzeit für das im Bau befindliche Superteleskop

Die Spiralgalaxie IC 342 im Sternbild Camelopardalis. Das NOEMA-Bild zeigt in bisher unerreichter Präzision die Staubwolkenverteilung und damit aktive Sternentstehung in der Galaxie. IRAM/A.Schruba/J.Pety, NASA/JPL-Caltech, NASA/JPL-Caltech/J.Turner

NOEMA (NOrthern Extended Millimeter Array) gehört zu einer ganz neuen Generation von Radioteleskopen: Ein Verbund von Teleskopen bestehend aus mehreren, auf Schienen beweglichen Einzelantennen, ausgestattet mit hochmodernen Empfängersystemen, die zusammen geschaltet agieren wie ein einziges Riesenteleskop.

Mit einer bis noch vor ein paar Jahren unerreichbaren Präzision und räumlichen Auflösung ermöglicht NOEMA die Erforschung des kalten Universums bei Temperaturen von nur einigen Grad über dem absoluten Nullpunkt von -273,15 Grad Celsius. Dabei spürt es Objekte auf, die sich – weil von kosmischem Staub und interstellaren Wolken umgeben – mit optischen Instrumenten nicht beobachten lassen.

Eine der wichtigsten Missionen des NOEMA-Projektes ist die Erforschung von interstellaren Gaswolken und Sterngeburten in unserer eigenen Galaxie und in Galaxien, die in ihrem Zustand kurz nach dem Urknall beobachtet werden. Dabei hoffen Wissenschaftler Antworten auf die fundamentalen Fragen der modernen Astronomie zu finden:

Wie ist die erste Generation von Sternen direkt nach dem Urknall entstanden? Wie haben sich die ersten großen Strukturen im Universum entwickelt, um schließlich Galaxien zu formen wie unsere Milchstraße? Wie genau funktioniert der kosmische Zyklus der interstellaren Materie, die von Sternen am Ende ihrer Existenz ins All geschleudert wird und aus der wiederum neue Sterne entstehen? Wie formen sich Planeten und Planetensysteme und wie werden neu entstandene Planeten mit komplexen, pre-biotischen Molekülen angereichert, die für die Entstehung von Leben maßgeblich sein könnten?

Insgesamt 12 Antennen sollen zukünftig im Dienste der Wissenschaftler den Himmel abtasten, zehn davon stehen mittlerweile schon auf dem Plateau de Bure in den französischen Alpen. Der wissenschaftliche Betrieb läuft parallel zum Ausbau des Observatoriums und so kann NOEMA bereits mit ersten Forschungsergebnissen aufwarten:

Neben der Entdeckung eines besonders spektakulären, weil aktiven und mit pre-biotischen Molekülen übersäten Sternentstehungsgebietes in unserer näheren kosmischen Nachbarschaft, hat NOEMA die Wissenschaft kürzlich auch mit einem bisher unerreicht detailgetreuen Bild der Staubwolkenverteilung in der großflächigen Spiralgalaxie IC 342 im Sternbild Camelopardalis beeindruckt.

NOEMA wird außerdem ein wichtiger Teil eines noch größeren, globalen Teleskopverbundes werden. Als leistungsstärkstes Radioteleskop der nördlichen Hemisphäre wird NOEMA im weltweiten Teleskopverbund Event Horizon Telescope eine Schlüsselrolle bei der Erforschung ultramassiver schwarzer Löcher spielen. Das Projekt, das mehrere Radioteleskope auf vier Kontinenten zu einem virtuellen, weltumspannenden Riesenteleskop verbindet, zielt auch darauf aus, das allererste Bild vom schwarzen Loch im Zentrum unserer Galaxie zu erhaschen.

IRAM-Direktor Karl-Friedrich Schuster gibt sich erfreut: „IRAM und seine Partner haben mit NOEMA bahnbrechende und wegweisende technologische Entwicklungen angestoßen, die in den nächsten Jahren ganz neue Arten von Beobachtungsprogrammen ermöglichen werden“.

Entscheidend für diese Erfolge und den erfolgreichen Abschluss der ersten Phase des Projektes ist auch die Ausstattung aller zehn Antennen mit komplett neuartigen, Empfängersystemen, die an der Grenze der höchstmöglichen Empfindlichkeit arbeiten und gleichzeitig einen wesentlich breiteren Bereich an Wellenlängen analysieren.

Bei Beobachtungen agieren die zehn NOEMA-Antennen wie ein einziges Teleskop, eine Technik, die sich Interferometrie nennt. Die räumliche Auflösung eines solchen Teleskopverbunds entspricht der eines Einzelteleskops mit einem Durchmesser gleich dem maximalen Abstand zwischen den Antennen. Bei NOEMA entspricht das aktuell einem Teleskop von bis zu 760 Metern Durchmesser und einer räumlichen Auflösung von weniger als einer Bogensekunde. Anders gesagt, könnten die NOEMA-Antennen ein Smartphone in mehr als 500 Kilometern Entfernung ausmachen.

Um mit so vielen Antennen gleichzeitig beobachten zu können, war es ebenfalls nötig, einen Superrechner, von den Wissenschaftlern Korrelator genannt, zu entwickeln, der bei einer Rechenleistung von 20.000.000.000.000.000 Operationen pro Sekunde eine Vielzahl von simultan eingehenden Signalen analysiert. Sieben Jahre lang haben IRAM-Ingenieure an der Fertigstellung dieses innovativen Korrelators gearbeitet, ein mit elektronischer Spitzentechnologie ausgestattetes Rechenwunder, etwa fünf Millionen mal schneller als herkömmliche Computer.

„Mit NOEMA sind wir schon jetzt Teil einer neuen Ära der Radioastronomie“, sagt Roberto Neri, IRAM-Forscher und wissenschaftlicher Leiter des Projektes. „Zusammen mit den fortschreitenden technologischen Entwicklungen eröffnet uns dieses Teleskop vollkommen neue Möglichkeiten, die faszinierendsten Fragen moderner Astronomie zu erforschen.“

Auch die Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) sind begeistert. Der erweiterte Empfangsbereich wird weltweit einzigartige, hochauflösende Beobachtungen von Molekülen mit schwerem Wasserstoff ermöglichen, mit denen Wolken in den frühesten, kältesten Phasen der Sternentstehung untersucht werden können. Bei der Suche nach den ersten Galaxien im Universum bedeutet NOEMA einen großen Schritt nach vorne, da zum Beispiel die Bestimmung von Rotverschiebungen ferner Galaxien bedeutend schneller erfolgen kann als je zuvor.

Phase zwei des Projektes erstreckt sich bis 2021 und sieht neben den Antennen 11 und 12 auch die Verlängerung des Schienensystems vor, auf dem die Antennen zukünftig mit einem Abstand von bis zu 1,7 Kilometern voneinander entfernt positioniert werden können. NOEMA wird so den Himmel zehnmal empfindlicher vermessen können als das bisher möglich war.

IRAM, das Institut für Radioastronomie im Millimeterwellenlängenbereich, wurde im Jahr 1979 von der deutschen Max-Planck-Gesellschaft (MPG) und dem französischen Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) gegründet und 1990 durch das spanische Instituto Geografico Nacional (IGN) erweitert. Das Institut mit Sitz in Grenoble betreibt zwei Observatorien: Das 30-Meter-Teleskop auf dem Pico Veleta nahe Granada in Spanien und das NOEMA-Observatorium (aktuell zehn 15-Meter-Antennen) auf dem Plateau de Bure in den französischen Hochalpen.

Das Gesamtbudget des NOEMA-Projekts ist auf 51 Millionen Euro veranschlagt, getragen und finanziert wird es gemeinsam von den IRAM-Gründungsinstitutionen: der Max-Planck-Gesellschaft und dem Centre National de la Recherche Scientifique.

In Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Instituts für Radioastronomie und dem European-Research-Council-Projekt BlackHoleCam wird NOEMA derzeit für seine zukünftige Schlüsselrolle im weltweiten Teleskopverbund Event Horizon Telescope vorbereitet.

Karin Zacher
Presse- und Öffentlichtkeitsarbeit
IRAM, St. Martin d’Hères, Frankreich
Fon : +33 4 76 82 21 03
E-mail: zacher@iram.fr

Dr. Norbert Junkes,
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn.
Fon: +49 228 525-399
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