Molekulare Telegraphie

A single molecule is transfered from a sender to a recipient. The movement can be precisely directed by the tips of a scanning tunnelling microscope. Image: Uni Graz/Grill

ForscherInnen der Uni Graz können einzelne Moleküle präzise senden und empfangen.

Die Idee, einen Ball zu werfen und zu fangen, ist allen vertraut – aber kann man das auch mit einzelnen Molekülen machen? Also sie gezielt von einem Ort an einen anderen und wieder zurück transferieren? Und wie schnell wären die Moleküle? Diesen Fragen ist eine Forschungsgruppe der Universität Graz in Kooperation mit WissenschaftlerInnen aus Aachen und Tennessee nachgegangen. Die Ergebnisse sind als Titelgeschichte in der aktuellen Ausgabe des Magazins Science erschienen.

„Durch die gezielte Bewegung einzelner Moleküle können wir Einblick in grundlegende physikalische und chemische Prozesse gewinnen, die für die Moleküldynamik – beispielsweise während chemischer Reaktionen oder in der Katalyse – von Bedeutung sind“, erklärt Leonhard Grill, Leiter des Grazer Teams. Für die Studie brachten die WissenschaftlerInnen organische Moleküle mit einer Länge von etwa zwei Nanometern auf einer Silberoberfläche mit der feinen Metallspitze eines Rastertunnelmikroskops in eine besondere Ausrichtung, in der sie sogar bei -266° C noch extrem mobil sind. „Wir konnten zeigen, dass sich die Moleküle trotz der sehr flachen Oberfläche entlang einer einzigen Atomreihe, also nur in eine Richtung, bewegen“, beschreibt der Forscher.

Wenn nun ein elektrisches Feld eingeschaltet wird, lassen sich durch elektrostatische Kräfte einzelne Moleküle wie auf Schienen perfekt entlang einer geraden Linie bewegen. Dadurch können diese Teilchen – je nach Ausrichtung des Feldes – entweder durch die abstoßende Wirkung gezielt gesendet oder durch die Anziehungskraft aus großer Distanz empfangen werden. Dies geschieht über verhältnismäßig weite Strecken von 150 Nanometer, gleichzeitig mit extrem hoher Präzision von 0.01 Nanometer. „Während dieses Vorgangs ist es uns außerdem gelungen die Zeit zu messen, also die Geschwindigkeit eines einzelnen Moleküls direkt zu bestimmen“, ergänzt Grill. Diese lag bei etwa 0.1 mm pro Sekunde. „Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten für die Untersuchung molekularer Energien während chemischer Reaktionen.“

Darüber hinaus konnten die ForscherInnen ein Sender-Empfänger-Experiment realisieren, bei dem ein einzelnes Molekül zwischen zwei Orten gezielt transferiert wurde: Zwei getrennte Rastertunnelmikroskopspitzen werden zunächst geeignet positioniert, dann die „Senderspitze“ vom anziehenden in den abstoßenden Modus umgeschaltet. Dadurch bewegt sich das Molekül exakt an den Ort der „Empfängerspitze“ und transferiert die im Teilchen enthaltene Information (wie Elementzusammensetzung oder atomare Anordnung) mit hoher räumlicher Präzision.

Publikation:
D. Civita, M. Kolmer, G. J. Simpson, A.-P. Li, S. Hecht, L. Grill „Control of long-distance motion of single molecules on a surface“, Science, Ausgabe vom 20. November 2020

Details zu den Forschungen von Leonhard Grill: www.nanograz.com

https://news.uni-graz.at/de/detail/article/molekulare-telegraphie/

Media Contact

Mag. Dagmar Eklaude Presse + Kommunikation
Karl-Franzens-Universität Graz

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer