Licht streut Licht

Ein Spalt aus Licht: Die Brennpunkte zweier extrem intensiver Laserstrahlen wirken wie ein Doppelspalt. Ein dritter Laser, der durch sie hindurch läuft, erzeugt auf dem Schirm im Hintergrund ein Interferenzmuster <br>MPI für Kernphysik <br>

Ein Doppelspalt – darunter verstanden Physiker bislang eine Wand mit zwei Längsschlitzen, die mit Licht bestrahlt oder mit Teilchen beschossen werden. Physiker vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik stellen jedoch ein Konzept für ein Experiment vor, das ganz ohne Materie auskommt: Zwei extrem intensive, fast parallele Laserstrahlen werden so fokussiert, dass die Brennpunkte ganz nahe beieinander liegen. Für einen dritten Laserstrahl, der aus der entgegen gesetzten Richtung kommt, wirken die beiden Brennpunkte dann wie ein Doppelspalt: Auf einem dahinter aufgestellten Schirm ist das charakteristische Interferenzbild mit hellen und dunklen Steifen zu sehen. (Nature Photonics, 10. Januar 2010)

Das Doppelspalt-Experiment, ein Klassiker unter den physikalischen Experimenten, ist auf viele verschiedene Arten möglich: mit Licht, mit Elektronen, mit Neutronen, mit Fullerenen und so weiter. Eines haben bislang alle Varianten gemeinsam: Materie ist im Spiel. Sei es weil die Versuchsobjekte aus Materie sind, beispielsweise Neutronen oder Fulleren-Moleküle, sei es, weil die Versuchsaufbauten aus Materie bestehen. Die Physiker um Antonino Di Piazza und Christoph H. Keitel vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik schlagen jetzt etwas Neues vor: ein materieloses Doppelspaltexperiment.

Den Doppelspalt bilden hier zwei ultra-intensive Laserstrahlen, die von zwei Linsen auf fast den gleichen Fleck fokussiert werden. In entgegen gesetzter Richtung wird zudem ein Prüf-Laser eingestrahlt. Im klassischen Doppelspalt-Experiment hat ein Photon aus dem Laserstrahl die Wahl, ob es durch die rechte oder linke Öffnung hindurchgeht. Diese Wahlmöglichkeit bewirkt, dass sich hinter dem Doppelspalt ein streifenförmiges Interferenzbild ausbildet.

In dem Experiment, das die Heidelberger Physiker jetzt vorschlagen, hat ein Photon aus dem Prüf-Laser die Wahl, mit welchem der beiden ultra-intensiven Laserstrahlen es in Wechselwirkung tritt. Entscheidend ist, dass die Photonen überhaupt miteinander in Wechselwirkung treten. Das tun sie mithilfe sogenannter Quantenfluktuationen im Vakuum: Das Vakuum ist nämlich nicht leer; ständig entstehen Paare aus virtuellen Teilchen und ihren Antiteilchen, beispielsweise virtuelle Elektronen und virtuelle Positronen. Nach der unvorstellbar kurzen Zeit von 10-21 Sekunden zerfallen die virtuellen Paare dann wieder.

Wenn ein virtuelles Elektron-Positron-Paar entsteht, absorbiert es zwei Photonen: eines von dem Prüf-Laser und eines von einem der beiden ultra-intensiven Laser. Sobald das Paar wieder zerfällt, emittiert es wieder zwei Photonen – in einer anderen Richtung als der ursprünglichen: Nachdem der Prüfstrahl mit den ultra-intensiven Lasern zusammengetroffen ist, wird er von einem Schirm aufgefangen.

Eine Simulation der Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Kernphysik zeigt: Auf dem Schirm ist das charakteristische Interferenzbild eines Doppelspalts zu sehen- helle und dunkle Streifen, und die Minima und Maxima in der Helligkeitsverteilung liegen genau dort, wo es nach der klassischen Formel zu erwarten ist.

Die Realisierung des Experiments steht noch aus, da bislang keine ausreichend intensiven Laser zur Verfügung stehen. Das dürfte sich jedoch in absehbarer Zeit ändern, wenn in einem europäischen und einem britischen Projekt zwei Laser mit genügend hohen Intensitäten gebaut werden.

Mithilfe des materielosen Doppelspalts wollen die Physiker dann zweierlei untersuchen: Das Elektron und das Positron, die an der Quantenfluktuation beteiligt sind, sind zwar virtuell, sie hinterlassen keine Spuren. Die Photonen, die dann abgestrahlt werden, sind jedoch real, sie können von einem Schirm aufgefangen werden. „Es gibt bereits Hinweise, dass virtuelle Photonen im Vakuum miteinander wechselwirken. Wir möchten jedoch mit dem Experiment beweisen, dass auch reale Photonen im Vakuum miteinander wechselwirken“, sagt Antonino Di Piazza. „Wir eröffnen die Möglichkeit, Licht mit Licht zu kontrollieren.“ Außerdem wollen die Forscher etwas über die Struktur des Quantenvakuums, also des Vakuums mit den Quantenfluktuationen herausfinden.

Originalveröffentlichung:

Ben King, Antonino Di Piazza & Christoph H. Keitel
A matterless double slit
Nature Photonics, 10. Januar 2010
Weitere Informationen erhalten Sie von:
Dr. Antonino Di Piazza
Max-Planck-Institut für Kernphysik, Heidelberg
Tel.: +49 6221 516-171
E-Mail: dipiazza@mpi-hd.mpg.de
Prof. Dr. Christoph H. Keitel
Max-Planck-Institut für Kernphysik, Heidelberg
Tel.: +49 6221 516-150
E-Mail: christoph.keitel@mpi-hd.mpg.de

Media Contact

Barbara Abrell Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues topologisches Metamaterial

… verstärkt Schallwellen exponentiell. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am niederländischen Forschungsinstitut AMOLF haben in einer internationalen Kollaboration ein neuartiges Metamaterial entwickelt, durch das sich Schallwellen auf völlig neue Art und Weise…

Astronomen entdecken starke Magnetfelder

… am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße. Ein neues Bild des Event Horizon Telescope (EHT) hat starke und geordnete Magnetfelder aufgespürt, die vom Rand des supermassereichen schwarzen Lochs…

Faktor für die Gehirnexpansion beim Menschen

Was unterscheidet uns Menschen von anderen Lebewesen? Der Schlüssel liegt im Neokortex, der äußeren Schicht des Gehirns. Diese Gehirnregion ermöglicht uns abstraktes Denken, Kunst und komplexe Sprache. Ein internationales Forschungsteam…

Partner & Förderer