Leichter durch den Weltraum: Teilchensimulationen für Ionenantriebe in der Raumfahrt

Die mathematisch-physikalischen Werkzeuge dafür wurden ursprünglich für die Fusionsforschung entwickelt. Jetzt sollen sie daran angepasst werden, elektrische Triebwerke für die Raumfahrt rechnerisch zu beschreiben und zu optimieren. Beteiligt ist die Firma Thales in Ulm, gefördert wird das Projekt mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie durch die Raumfahrt-Agentur des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Ionenantriebe arbeiten, wie herkömmliche Raketentriebwerke, nach dem Rückstoßprinzip: Der Treibstoff wird jedoch nicht verbrannt, sondern elektrisch aufgeladen, d.h. ionisiert. Es entsteht ein Plasma aus elektrisch geladenen Teilchen, aus Elektronen und Ionen. Die Ionen werden in elektrischen Feldern beschleunigt. Es entsteht ein hochenergetischer Teilchenstrahl, dessen Rückstoß das Raumfahrzeug nach vorne treibt. Die benötigte elektrische Leistung liefern Solarzellen.

„Ionentriebwerke sind für Satellitenantriebe sehr interessant“, erklärt Dr. Philip Willemsen vom DLR, „weil im Vergleich zu herkömmlichen chemischen Triebwerken vielfach höhere Austrittsgeschwindigkeiten der Strahlteilchen erreicht werden. Da so weniger Treibstoff gebraucht wird, kann die Startmasse des Satelliten kleiner sein. Das kann klare Kostenvorteile bringen und größere Flexibilität. Die ausgewiesene Kompetenz in der Plasmatheorie und die speziellen Vorarbeiten der Hochschulnachwuchsgruppe um Dr. Ralf Schneider machen das IPP zu einem idealen Partner, um die theoretische Beschreibung von Ionenantrieben voranzutreiben.“

Die Entwicklung von Ionentriebwerken war bisher überwiegend Erfahrungssache. Um ihre Leistungsfähigkeit weiter zu verbessern, setzt man jetzt – angesichts der Fortschritte der Computermodelle und bei der Beschreibung des Plasmaverhaltens in den Antrieben – auch auf die rechnerische Modellierung. Dabei wird sich das Projekt auf so genannte HEMP-Triebwerke konzentrieren: In diesem „Hocheffizienz-Mehrstufen-Plasma-Triebwerk“ der Firma Thales in Ulm wird der Treibstoff in einem magnetisch fokussierten Gleichfeldplasma ionisiert. Die für die Ionenbeschleunigung nötigen elektrischen Felder stellen sich über den magnetischen Einschluss im Plasma von selbst ein.

Beeinflussen lassen sich die Eigenschaften des Antriebsplasmas beispielsweise durch die Form des Entladungsgefäßes, die Lage von Gaseinlass und Elektroden oder die Topologie der Magnetfelder. Um das mikroskopische Plasmaverhalten in HEMP-Triebwerken beschreiben und damit Arbeits- und Leistungscharakteristika vorhersagen zu können, wollen die Wissenschaftler um Dr. Schneider nun Codes aus der Fusionsforschung verwenden. Sie wurden ursprünglich entwickelt, um die Wechselwirkung von Fusionsplasmen mit den umgebenden Gefäßwänden zu berechnen.

Plasmaphysikalisches Verständnis ist hier tatsächlich nötig: So ist bisher zum Beispiel der erhöhte Energieverlust der Elektronen im ionisierten Treibstoff nur unzureichend geklärt – ein großes Problem bei der Entwicklung effizienter Ionentriebwerke. Als mögliche Ursache kommen Fluktuationen in Frage, die durch Plasmainstabilitäten hervorgerufen werden, oder auch die Wechselwirkung des Plasmas mit den Wänden. In vielen Aspekten erinnert dies an Fragestellungen in Fusionsplasmen, nämlich den turbulenten anomalen Transport und die Plasma-Wand-Wechselwirkung.

Wie leistungsfähig die neuen Modellierungswerkzeuge sind, will man dann durch Vergleich mit Experimenten prüfen, die im Rahmen eines Unterauftrags bei Thales in Ulm ausgeführt werden. Ziel ist es, die Simulationssoftware so allgemein anzulegen, dass schließlich nicht nur die Physik des HEMP-Triebwerks beschrieben werden kann. Das Programmpaket soll sich in weiterführenden Vorhaben auch an andere Plasmatopologien anpassen lassen.

Media Contact

Isabella Milch Max-Planck-Institut

Weitere Informationen:

http://www.ipp.mpg.de

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