Heiße Elektronen

Künstlerische Darstellung des Wärmetransports im Dreischicht-Metallverbundstoff
Quelle: Felix Stete/Jan Pudell

Eine außergewöhnliche Form des Wärmetransports in Metallen

Auf Nanoskalen kann beim Aufheizen einer Platinschicht Wärme mithilfe heißer Elektronen durch eine Kupferschicht an eine Nickelschicht weitergegeben werden, ohne den dazwischenliegenden Kupferfilm signifikant zu erwärmen. Diese außergewöhnliche Form des Wärmetransports wurde von einer Forschungsgruppe um Jan-Etienne Pudell und Matias Bargheer vom Institut für Physik und Astronomie der Universität Potsdam, dem Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH und der Université de Lorraine entdeckt. Die Forschungsergebnisse erschienen kürzlich im wissenschaftlichen Journal „Advanced Functional Materials“.

Bei sehr dünnen metallischen Verbundstrukturen im Nanometerbereich können faszinierende Phänomene auftreten, wie Physiker aus Deutschland und Frankreich anhand von ultraschnellen Röntgenexperimenten herausgefunden haben. Sie beobachteten, dass eine nur wenige Atomlagen starke Platinschicht Wärme an eine darunterliegende, ähnlich dünne Nickelschicht weitergibt. Dabei erhitzt sich die Nickelschicht viel stärker als die dazwischenliegende, 100 Nanometer dicke Kupferschicht, durch welche die Wärme geleitet wird. „Wenn man heiße Suppe mit einem Metalllöffel umrührt, wäre man überrascht, wenn es am Ende des Löffels heißer ist als in der Mitte“, erklärt der Potsdamer Physiker Prof. Dr. Mathias Bargheer das Phänomen.

Die Experimente zeigen, dass durch eine Laser-Erwärmung des vorderen Teils der Struktur das Atomgitter im hinteren Teil der Struktur viel schneller und effizienter erwärmt wird als der mittlere Teil, durch den die Wärme transportiert wird. Wenn das Nickel-Atomgitter am Ende der Verbundstruktur seine maximale Erwärmung erreicht, ist noch kaum Wärme in das Kupfer-Atomgitter eingetreten. Der Transport durch die Kupferschicht wird durch heiße Elektronen getragen, die fast ohne Stöße mit dem Kristallgitter in Richtung Nickel fliegen. Dort sind die Elektronen viel stärker an die Gitterbewegung gekoppelt, weshalb hier lokal sehr viel Wärmeenergie in Gitterschwingungen übertragen wird.

Die Erkenntnisse wurden mit ultraschnellen Röntgenbeugungsexperimenten gewonnen. In diesen Experimenten werden sehr kurze Röntgenpulse verwendet, die eine räumliche Auflösung im atomaren Maßstab mit einer Zeitauflösung im Femtosekundenbereich kombinieren und somit direkte Messungen von Änderungen in der Struktur eines Kristallgitters ermöglichen. Anders als bei optischen Experimenten können mit Röntgenstrahlen auch die Prozesse unter reflektierenden Metallschichten beobachtet, und vor allem die Abläufe in den einzelnen Komponenten eines Schichtstapels unterschieden werden.

Link zur Publikation: Pudell, J.‐E., Mattern, M., Hehn, M., Malinowski, G., Herzog, M., Bargheer, M., Heat Transport without Heating? – An Ultrafast X‐Ray Perspective into a Metal Heterostructure. Adv. Funct. Mater. 2020, 2004555. https://doi.org/10.1002/adfm.202004555
Abbildung: Künstlerische Darstellung des Wärmetransports im Dreischicht-Metallverbundstoff. Bildrechte: Felix Stete/Jan Pudell

Kontakt:
Jan-Etienne Pudell, Institut für Physik und Astronomie, Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH, Tel.: 0331 977-5691, pudell@uni-potsdam.de
Prof. Dr. Matias Bargheer, Institut für Physik und Astronomie, Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH, Tel.: 0331 977-4272, bargheer@uni-potsdam.de

Medieninformation 29-09-2020 / Nr. 000
Dr. Stefanie Mikulla

Universität Potsdam
Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Am Neuen Palais 10
14469 Potsdam
Tel.: +49 331 977-1474
Fax: +49 331 977-1130
E-Mail: presse@uni-potsdam.de
Internet: www.uni-potsdam.de/presse

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Jan-Etienne Pudell, pudell@uni-potsdam.de
Prof. Dr. Matias Bargheer, bargheer@uni-potsdam.de

Originalpublikation:

https://doi.org/10.1002/adfm.202004555

https://www.uni-potsdam.de/de/nachrichten/detail/2020-09-29-heisse-elektronen-eine-aussergewoehnliche-form-des-waermetransports-in-metallen

Media Contact

Dr. Stefanie Mikulla Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Potsdam

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

KI-basierte Software in der Mammographie

Eine neue Software unterstützt Medizinerinnen und Mediziner, Brustkrebs im frühen Stadium zu entdecken. // Die KI-basierte Mammographie steht allen Patientinnen zur Verfügung und erhöht ihre Überlebenschance. Am Universitätsklinikum Carl Gustav…

Mit integriertem Licht zu den Computern der Zukunft

Während Computerchips Jahr für Jahr kleiner und schneller werden, bleibt bisher eine Herausforderung ungelöst: Das Zusammenbringen von Elektronik und Photonik auf einem einzigen Chip. Zwar gibt es Bauteile wie MikroLEDs…

Antibiotika: Gleicher Angriffspunkt – unterschiedliche Wirkung

Neue antimikrobielle Strategien sind dringend erforderlich, um Krankheitserreger einzudämmen. Das gilt insbesondere für Gram-negative Bakterien, die durch eine dicke zweite Membran vor dem Angriff von Antibiotika geschützt sind. Mikrobiologinnen und…

Partner & Förderer