Haarfeiner Draht mit extremen Bedingungen
HZDR-Team präsentiert neues Verfahren, um kosmische Verhältnisse zu simulieren.
Im Inneren von Sternen und Planeten herrschen extreme Bedingungen. Mit ausgefeilten Methoden gelingt es, solche Materiezustände im Labor zu erzeugen – wenn auch nur für einen Wimpernschlag und in einem winzigen Volumen. Bisher braucht es dafür die energiestärksten Laser der Welt. Doch von diesen Giganten gibt es nur wenige, entsprechend rar sind die Möglichkeiten für Experimente. Einem Team unter Federführung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) ist es gemeinsam mit Kolleg*innen des European XFEL gelungen, Extremverhältnisse mit einem deutlich kleineren Laser herzustellen und zu beobachten. Im Zentrum der neuen Technik steht ein Draht aus Kupfer, feiner als ein menschliches Haar.
Bislang feuern die Fachleute höchst energiereiche Laserblitze auf eine Materialprobe, meist eine dünne Folie. Dadurch erhitzt sich das Material an der Oberfläche schlagartig. Das erzeugt eine Schockwelle, die durch die Probe jagt. Sie komprimiert das Material und heizt es auf. Für ein paar Nanosekunden entstehen Bedingungen wie im Inneren eines Planeten oder in der Hülle eines Sterns. Das winzige Zeitfenster genügt, um das Phänomen mit speziellen Messtechniken zu untersuchen, etwa den ultrastarken Röntgenblitzen des European XFEL in Schenefeld nahe Hamburg.
Hier, am stärksten Röntgenlaser Europas, führt das HZDR ein internationales Nutzerkonsortium namens HIBEF – Helmholtz International Beamline for Extreme Fields – an. Unter anderem betreibt dieses Konsortium an der Experimentierstation High Energy Density (HED-HIBEF) einen Laser, der ultrakurze Pulse erzeugt, die zwar keine besonders hohe Energie haben – nur etwa ein Joule. Allerdings sind sie mit 30 Femtosekunden so kurz, dass sie eine Leistung von 100 Terawatt erreichen. Mit diesem Laser beschoss das Forschungsteam an HED-HIBEF einen dünnen, nur 25 Mikrometer feinen Kupferdraht. „Dann konnten wir mit den starken Röntgenblitzen des European XFEL beobachten, was im Inneren des Drahts passierte“, erläutert Dr. Alejandro Laso Garcia, Erstautor des Papers. „Diese Kombination aus Kurzpuls-Laser und Röntgenlaser ist weltweit einzigartig. Erst durch die hohe Qualität und Sensibilität des Röntgenstrahls konnten wir einen unerwarteten Effekt beobachten.“
Konzentrierte Schockwellen
In mehreren Messreihen variierte die Arbeitsgruppe systematisch den zeitlichen Abstand zwischen dem Einschlag des Laserblitzes und dem Durchleuchten mit dem Röntgenlicht. Dadurch ließ sich ein detaillierter „Röntgenfilm“ des Geschehens aufnehmen: „Zunächst interagiert der Laserpuls mit dem Draht und erzeugt eine lokale Schockwelle, die ähnlich wie eine Detonation durch den Draht hindurchgeht und ihn letztlich zerstört“, erklärt HIBEF-Abteilungsleiter PD Dr. Toma Toncian. „Zuvor aber rast ein Teil der hochenergetischen Elektronen, die beim Lasereinschlag entstehen, an der Drahtoberfläche entlang.“ Diese schnellen Elektronen heizen die Drahtoberfläche blitzartig auf und erzeugen so weitere Schockwellen. Die laufen dann wiederum von allen Seiten zum Zentrum des Drahts. Für einen kurzen Augenblick treffen dort sämtliche Schockwellen aufeinander und generieren extrem hohe Drücke und Temperaturen.
Die Messungen ergaben, dass die Dichte des Kupfers in der Mitte des Drahtes kurzzeitig acht- bis neunmal so hoch war wie in „normalem“, kaltem Kupfer. „Unsere Computersimulationen legen nahe, dass wir einen Druck von 800 Megabar erreicht haben“, sagt Prof. Thomas Cowan, Direktor am HZDR-Institut für Strahlenphysik und Initiator des HIBEF-Konsortiums. „Das entspricht dem 800-Millionenfachen Atmosphärendruck und dem 200-fachen des Drucks, der im Inneren der Erde herrscht.“ Auch die erreichte Temperatur war für irdische Verhältnisse enorm: 100.000 Grad Celsius.
Perspektiven für die Kernfusion
Das sind die Bedingungen, die denen in der Korona – der heißen Hülle – eines weißen Zwergsterns nahekommen. „Erreichbar wären mit unserer Methode aber auch Zustände, wie sie im Inneren riesiger Gasplaneten herrschen“, betont Laso Garcia. Dazu zählen nicht nur altbekannte Giganten wie Jupiter, sondern auch eine Vielzahl an fernen Exoplaneten, die im Laufe der letzten Jahre entdeckt wurden. Inzwischen hat das Forschungsteam auch Drähte aus anderen Materialien ins Visier genommen, etwa aus Eisen und aus Kunststoff. „Kunststoff besteht hauptsächlich aus Wasserstoff und Kohlenstoff“, erklärt Toncian. „Und beide Elemente kommen in Sternen und deren Korona vor.“
Doch die neue Messmethode dürfte nicht nur für die Astrophysik, sondern auch für ein anderes Forschungsfeld nützlich sein. „Unser Experiment zeigt in beeindruckender Weise, wie wir sehr hohe Dichten und Temperaturen in verschiedensten Materialien erzeugen können“, sagt Ulf Zastrau, der die HED-Gruppe am European XFEL leitet. „Das wird die Fusionsforschung einen wichtigen Schritt weiterbringen.“ Denn derzeit arbeiten mehrere Forschungsteams und Start-ups auf der Welt an einem Fusionskraftwerk auf der Basis von Hochleistungslasern.
Das Prinzip: Starke Laserblitze treffen von allen Seiten auf ein Brennstoffkügelchen aus gefrorenem Wasserstoff und bringen es zur Zündung, wobei mehr Energie herauskommen soll, als hineingesteckt wurde. „Mit unserem Verfahren könnten wir beobachten, was im Detail im Inneren des Kügelchens passiert, wenn es von den Laserpulsen getroffen wird“, beschreibt Cowan zukünftige Experimente. „Wir erwarten, dass das einen riesigen Einfluss auf die Grundlagenforschung dieses Gebiets haben kann.“
Publikation:
A. Laso Garcia, L. Yang, V. Bouffetier, K. Appel, C. Baehtz, J. Hagemann, H. Höppner, O. Humphries, T. Kluge, M. Mishchenko, M. Nakatsutsumi, A. Pelka, T.R. Preston, L. Randolph, U. Zastrau, T.E. Cowan, L. Huang, T. Toncian: Cylindrical compression of thin wires by irradiation with a Joule-class short pulse laser, in Nature Communications, 2024 (DOI: 10.1038/s41467-024-52232-6)
Weitere Informationen:
PD Dr. Toma Toncian
Institut für Strahlenphysik am HZDR
Tel. +49 40 8998 6069 | E-Mail: t.toncian@hzdr.de
Prof. Dr. Thomas Cowan
Institut für Strahlenphysik am HZDR
Tel. +49 351 260 2270 | E-Mail: t.cowan@hzdr.de
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Abteilung Kommunikation und Medien am HZDR
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Das HZDR entwickelt und betreibt große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat sechs Standorte (Dresden, Freiberg, Görlitz, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt fast 1.500 Mitarbeiter*innen – davon etwa 680 Wissenschaftler*innen inklusive 200 Doktorand*innen
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