Erste direkte Abbildung eines möglichen kühlen Planeten um einen sonnenähnlichen Stern

Die Entdeckungsaufnahme von GJ 758 B, gewonnen im August 2009 am Subaru-Teleskop mit dem HiCIAO-Instrument im nahen Infrarot. Ohne die hier angewandte Spezialtechnik des \"angular differential imaging\" würde das Licht des Zentralsterns die Bilder der beiden Planetenkandidaten hoffnungslos überstrahlen. (Hochaufgelöste Version siehe die unten angegebene Webseite.) Bild: MPIA/NAOJ <br>

Möglicherweise ist dies die erste direkte Beobachtung eines kühlen extrasolaren Planeten, der einen sonnenähnlichen Stern umläuft. Der Abstand des Begleiters zum Zentralstern ist von derselben Größenordnung wie der Abstand des Planeten Neptun von der Sonne. Mit einer Temperatur von 330 Grad Celsius ist dies der kälteste – und in dieser Hinsicht den Planeten des Sonnensystem ähnlichste – jemals direkt abgebildete Begleiter eines sonnenähnlichen Sterns.

Mehr als 400 Exoplaneten (Planeten, die andere Sterne als die Sonne umlaufen) sind derzeit bekannt. Die meisten von ihnen wurden indirekt nachgewiesen, indem ihr Einfluss auf die Bewegung oder die Helligkeit ihres Zentralsterns beobachtet wurde. Viel schwieriger ist das direkte Abbilden eines Exoplaneten, denn die Zentralsterne sind sehr viel heller als ihre Planeten – solch ein Unterfangen entspricht dem Versuch, ein Glühwürmchen zu fotografieren, das unmittelbar neben einer kilometerweit entfernten 300-Watt-Flutlichtlampe sitzt. Doch immer dann, wenn es gelingt, eine direkte Beobachtung vorzunehmen, ist der wissenschaftliche Gewinn beträchtlich, denn Bilder liefern wertvolle Informationen über die Bahn des Planeten und über die Temperatur und die chemische Zusammensetzung seiner Atmosphäre.

Jetzt ist es gelungen, auf diese Weise mit dem 8-Meter-Teleskop Subaru auf dem Mauna Kea (Hawaii) einen neuen, bis dahin unbekannten Planetenkandidaten zu entdecken, der den Stern GJ 758 im Sternbild Leier umläuft und die Bezeichnung GJ 758 B erhalten hat. Dabei wurde zur Beseitigung der durch die Turbulenzen der Erdatmosphäre verursachten Unschärfe modernste adaptive Optik eingesetzt. Zwar geht auf jeder einzelnen Aufnahme das winzige Signal des Planeten im verbliebenen Lichthof des Zentralsterns unter, aber durch die raffinierte Kombination zeitlicher Sequenzen von Einzelbildern, das sogenannte „Angular Differential Imaging“ (ADI) [1], konnten die Astronomen den Lichthof des Zentralsterns so weit unterdrücken, dass das schwache Leuchten des Begleiters GJ 758 B im endgültigen Bild erkennbar wurde.

Vor dieser Entdeckung waren nur zehn mögliche Exoplaneten direkt abgebildet worden. In all diesen Fällen handelt es sich um von unserem Sonnensystem sehr verschiedene Systeme: Entweder umläuft der Begleiter seinen Zentralstern in sehr großer Entfernung (mehrere hundert mal größer als die Entfernung Erde-Sonne), oder seine Temperatur ist höher als 1000 Kelvin (und entspricht damit eher der eines Sterns als der eines Planeten), oder aber der Zentralstern ist der Sonne sehr unähnlich. Verglichen mit diesen anderen Kandidaten ist GJ 758 B den Planeten unseres eigenen Sonnensystems viel ähnlicher: Er umläuft einen sonnenähnlichen Stern in einer Entfernung ähnlich jener der äußeren Planeten des Sonnensystems – von der Erde aus gesehen, steht er etwa so weit von seinem Zentralstern entfernt wie Neptun von der Sonne [2]. Die Gesamtgröße der Umlaufbahn von GJ 758 B kann bislang anhand der verfügbaren Daten lediglich abgeschätzt werden; am wahrscheinlichsten scheint ein mittlerer Abstand vom Zentralstern von 59 astronomischen Einheiten (verglichen mit 39 astronomischen Einheiten für die Pluto-Umlaufbahn).

Besonders interessant ist die vergleichsweise geringe Temperatur des Planeten, die 550-640 Kelvin beträgt (entsprechend 280-370 Grad Celsius). „Dies entspricht der Temperatur eines Backofens oder der Temperatur auf der sonnenzugewandten Seite des Planeten Merkur“, sagt Dr. Christian Thalmann vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA), der Erstautor der Veröffentlichung, in der über die Entdeckung berichtet wird. „Damit ist GJ 758 B der kühlste jemals direkt abgebildete Begleiter eines sonnenähnlichen Sterns.“

Der äußerste Planet unseres Sonnensystems, Neptun, empfängt nur rund 1/900 des Sonnenlichts, das die Erde erreicht, und hat eine Oberflächentemperatur von nur rund 70 K (-200 Grad Celsius). GJ 758 B ist von seinem Zentralstern mindestens so weit entfernt wie Neptun. Seine wesentlich höhere Temperatur weist darauf hin, dass dieser Körper sich noch in der Phase der Kontraktion befindet, während der die jungen, massereichen Gasplaneten ihre Gravitationsenergie in Wärme umwandeln. Bei einem solchen kontrahierenden Körper sind Temperatur, Alter und Masse miteinander verknüpft: Je massereicher er ist, umso länger dauert es, bis er seine überschüssige Wärme in den Weltraum abgestrahlt und seine Gleichgewichtstemperatur erreicht hat. „Aus diesem Grund lässt sich auch die Masse von GJ 758 B nicht genauer bestimmen: Seine gemessene Infrarothelligkeit entspricht der eines 700 Millionen Jahre alten Planeten mit 10 Jupitermassen, oder aber der eines 8700 Millionen Jahre alten Begleiters mit 40 Jupitermassen“, erklärt Dr. Markus Janson von der Universität Toronto, ehemals Wissenschaftler am MPIA. Da die Zentralsterne gleichzeitig mit ihren Planeten entstehen, würde eine genaue Altersbestimmung des Zentralsterns diese Unsicherheit beseitigen; die bisher verfügbaren Beobachtungsdaten lassen eine solche Altersbestimmung allerdings derzeit noch nicht zu.

GJ 758 B wurde während zwei unabhängiger Beobachtungsläufe im Mai und im August 2009 nachgewiesen. Die Bilder zeigen deutlich, dass GJ 758 B und der Stern GJ 758 nicht bloß zufällig am Himmel beieinander stehen: Wie zahlreiche andere nahe Sterne besitzt GJ 758 eine so genannte „Eigenbewegung“: Er verändert seine Position am Nachthimmel, wenn auch nur sehr langsam. Die Bilder zeigen, dass GJ 758 B sich genau so bewegt, wie es zu erwarten ist, wenn er gravitativ an seinen Zentralstern gebunden ist: Seine Bewegung am Nachthimmel ist eine Überlagerung der Eigenbewegung von GJ 758 und seiner eigenen Bahnbewegung um den Zentralstern.

Das im August gewonnene Bild ist von etwas höherer Qualität und zeigt ein weiteres, dem Zentralstern etwas näher gelegenes Objekt. Es könnte sich um einen zweiten Begleiter handeln, der dann als GJ 758 C zu bezeichnen wäre. Allerdings muss noch mit einer weiteren, zeitlich versetzten Beobachtung geprüft werden, ob auch dieses Objekt an der gemeinsamen Eigenbewegung des Systems teilnimmt, oder ob es sich um ein Objekt im Hintergrund handelt. „Was unsere bisherigen Beobachtungen zeigen, sieht sehr vielversprechend aus“, sagt Dr. Christian Thalmann, und fügt hinzu: „Wenn es sich tatsächlich um einen zweiten Begleiter handelt, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass beide, GJ 758 B und C, junge Planeten sind, und nicht alte Braune Zwerge. Ein System mit zwei Braunen Zwergen auf so engen Bahnen würde auf die Dauer mit großer Wahrscheinlichkeit instabil werden.“ Dr. Motohide Tamura vom National Astronomical Observatory of Japan, der für das Instrument HiCIAO hauptverantwortliche Wissenschaftler, ergänzt: „Es ist unwahrscheinlich, dass die Begleiter auf ihren gegenwärtigen Umlaufbahnen entstanden sind. Sie sind wahrscheinlich erst aufgrund von Streuprozessen dort gelandet.“

„Die Entdeckung von GJ 758 B, einem Exoplaneten oder Braunen Zwerg, der einen sonnenähnlichen Stern umläuft, verschafft uns einen Einblick in die Vielfalt substellarer Objekte, die in der Umgebung sonnenähnlicher Sterne entstehen können“, sagt Dr. Joseph Carson vom MPIA, der Zweitautor der Publikation. „Dies wiederum weist darauf hin, dass unser eigenes Sonnensystem mit seinen zur Entstehung von Leben führenden Bedingungen nur ein Szenario unter vielen ist, die sich bei der Bildung von Planeten oder Braunen Zwergen in der Umgebung sonnenähnlicher Sterne ergeben können.“

Das HiCIAO-Instrument wird nun für das fünfjährige, systematische Durchmusterungs-Projekt SEEDS zu einer umfassenden Suche nach extrasolaren Planeten und zirkumstellaren Scheiben eingesetzt. Dazu Prof. Dr. Thomas Henning, geschäftsführender Direktor am MPIA: „Die spektakuläre Entdeckung von GJ 758 B während seiner Inbetriebnahme verspricht Gutes für dieses anspruchsvolle Projekt und zeigt, dass das Instrument bestens für die ihm zugedachten Aufgaben geeignet ist.“

Anmerkungen

[1] Weitere Informationen zu dieser Abbildungstechnik bietet (in englischer Sprache) die Internetseite http://www.mpia.de/homes/thalmann/adi.htm

[2] Ebenso, wie Alltagsobjekte je nach Blickwinkel des Beobachters perspektivisch verkürzt erscheinen, kann der beobachtete Abstand eines fernen Planeten von seinem Zentralstern kürzer erscheinen als der tatsächliche Abstand. Die Beobachtungen zeigen, dass GJ 758 B mindestens so weit von seinem Stern entfernt ist wie Neptun von der Sonne. Rekonstruiert man aus den vorhandenen Daten die Umlaufbahn von GJ 758 B, so ist das wahrscheinlichste Ergebnis – das sich ändern kann, wenn neue Daten zur Verfügung stehen – eine deutlich ellipsenförmige („exzentrische“) Umlaufbahn, auf der die mittlere Entfernung von GJ 758 B von seinem Zentralstern 59 astronomische Einheiten beträgt (eine „astronomische Einheit“ entspricht dem mittleren Abstand der Erde von der Sonne).

Hintergrund-Information

Die hier geschilderten Ergebnisse werden in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters erscheinen. Sie basieren auf Beobachtungen, die während der Inbetriebnahme der für hohen Helligkeitskontrast optimierten HiCIAO-Kamera am Subaru-Teleskop auf Mauna Kea, Hawaii durchgeführt wurden. Subaru wird von dem National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ) betrieben. Zum Team der Autoren gehören Wissenschaftler des NAOJ, des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg, der Princeton University, der University of Toronto und the University of Hawaii. Die Leitung hat Dr. Motohide Tamura (NAOJ). Erst- und Zweitautor der Veröffentlichung zur Entdeckung von GJ 758 B sind Dr. Christian Thalmann und Dr. Joseph Carson, beide vom MPIA. Zur Auswertung der ADI-Bilder wurde der Algorithmus LOCI eingesetzt, den dessen Erfinder, Dr. David Lafrenière von der University of Montréal dem MPIA-Team großzügigerweise überlassen hatte.

Kontakt

Dr. Christian Thalmann (Erstautor des Fachartikels)
Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
Phone: (0|+49) 6221 – 528 403
E-mail: thalmann@mpia.de
Dr. Jakob Staude (Öffentlichkeitsarbeit)
Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
Phone: (0|+49) 6221 – 528 229
E-mail: staude@mpia.de

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