Entwicklung eines neuen Quantensimulators

Der Quantensimulator wird aus magnetischen Atomen bestehen, die sich wie mikroskopische Stabmagnete verhalten. Über die magnetische Wechselwirkung kann so jedes Atom mit vielen Nachbarn interagieren. Die Atome sind im Quantensimulator nur 180 Mikrometer voneinander entfernt, können aber einzeln abgebildet und manipuliert werden. So können Atom für Atom neue quantenphysikalische Phänomene untersucht werden, was bereits für wenige hundert Atome selbst modernste Superrechner überfordert. Foto: Universität Stuttgart / PI 5

Quantentechnologien bringen zahlreiche Chancen für neue Anwendungen in Industrie und Gesellschaft mit sich – in der Informationsübertragung und -verarbeitung, für höchstpräzise Mess- und Abbildungsverfahren oder für die Simulation komplexer Systeme.

Quantentechnologien haben dabei das Potenzial, heute vorhandene technische Lösungen zu übertreffen oder bisher unmögliche Berechnungen und Simulationen möglich zu machen.

Quantensimulation soll schaffen, was Supercomputer an Grenzen bringen würde

Besonders Quantensysteme aus vielen Teilchen zeigen oft exotische Phänomene, die für neue Materialien technologisch hochrelevant sind. Bekannte Beispiele sind hier die Supraleitung oder besondere magnetische Eigenschaften.

Wie genau diese und viele andere Phänomene entstehen, konnte bisher aber nicht vollständig verstanden werden kann, denn dafür wären komplexe Simulationen zum Zusammenspiel der zugrundeliegenden Teilchen nötig – eine Aufgabe bei der selbst moderne Supercomputer schnell an ihre Grenzen kommen.

Der benötigte Speicherplatz wächst bei solchen Simulationen exponentiell mit der Anzahl der beteiligten Teilchen. So müssten bereits für Berechnungen mit 200 Teilchen mehr Zahlen im Speicher des Computers verarbeitet werden, als es Atome im Universum gibt.

Die sogenannte Quantensimulation ermöglicht es nun trotz dieser Komplexität etwas über solche Quantensysteme herauszufinden. Dazu wird statt auf einem Computer ein Modell des zu untersuchenden Quantensystems in einem Experiment konstruiert und vermessen – die Quantenwelt simuliert sich also quasi selbst.

Erforschung neuer Materiezustände rückt näher

Das Forscherteam um Prof. Tilman Pfau und Dr. Tim Langen vom 5. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart widmet sich im Rahmen des auf drei Jahre angelegten Projekts „Magnetic-Atom Quantum Simulator“ (MAQS) der Entwicklung eines solchen Quantensimulators. Im Gegensatz zu bisherigen Quantensimulatoren soll dieser auf magnetischen Atomen basieren, die über größere Distanzen miteinander interagieren und so zu neuen, unerforschten Materiezuständen führen könnten. „Das Verbundprojekt ermöglicht es uns, gemeinsam mit sechs anderen international führenden Projektpartnern aus Frankreich, Spanien, Italien, Österreich und Polen an diesem wichtigen Thema zu arbeiten“, freut sich Prof. Tilman Pfau.

Die Forschenden aus Stuttgart werden dazu die Atome in periodischen Strukturen aus Laserlicht einfangen, um damit die Kristallstruktur in echten Materialien zu modellieren. Zur Vermessung der Ergebnisse sollen zudem neue, superauflösende Mikroskopietechniken für diese Atome entwickelt werden.

„Mit bisher existierenden Quantensimulatoren lassen sich viele Vorgänge nur schwer untersuchen“, erklärt Dr. Tim Langen. Mithilfe des neuen Quantensimulators wird es hingegen möglich, eine Vielzahl neuartiger Quantenphänomene und Materiezustände, sowie deren dynamisches Verhalten erstmals zu untersuchen und so zu verstehen. Für die Zukunft erhoffen sich die Forscher davon die entscheidenden Grundlagen für deren technologische Anwendung.

Dr. Tim Langen, Universität Stuttgart, 5. Physikalisches Institut,
Tel.: +49-711-685-60149, E-Mail: t.langen@physik.uni-stuttgart.de

https://www.quantera.eu

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Andrea Mayer-Grenu idw - Informationsdienst Wissenschaft

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