Die Entdeckung der Langsamkeit

Die allgemeingültigen Ergebnisse aus der Grundlagenforschung helfen zum Beispiel Prozesse zu verstehen, die einmal in die Entwicklung neuartiger Computer münden könnten. Die Forscher stellen ihre Resultate in der aktuellen Ausgabe von „Nature Physics“ vor.

Befüllt man eine Flasche mit einem Gas, sind die Gasmoleküle bestrebt, sich möglichst gleichmäßig in dem Gefäß zu verteilen. Der Prozess wird „Diffusion“ genannt – von lateinisch diffundere, das so viel wie verstreuen oder ausbreiten bedeutet. Diffusion führt zur vollständigen Durchmischung zweier oder mehrerer Stoffe. Der physikalische Prozess beruht auf der Zufallsbewegung der Teilchen, die sich aus ihrer thermischen Energie speist.

Die Theorie sagt ein Limit vorher

Physiker vom Cavendish Laboratory der Universität Cambridge (England) und der Universität Bonn haben untersucht, wie sich mit Hilfe der Diffusion eine Spinanregung in einem Material ausbreitet. Der Spin ist eine fundamentale Eigenschaft von Elektronen oder Atomen: Gleichsam eines mikroskopisch kleinen Magneten bewirkt er eine bevorzugte Ausrichtung von Elektronen oder Atomen in einem Magnetfeld. Wenn die Spins von Atomen räumlich nicht gleichmäßig verteilt sind, setzt Diffusion ein, um einen Ausgleich zu erzielen.
„Die Frage war, ob es ein quantenmechanisches Limit gibt, wie langsam diese Diffusion stattfinden kann“, sagt Prof. Dr. Michael Köhl, neuer Humboldt-Professor am Physikalischen Institut der Universität Bonn, der zuvor in Cambridge arbeitete. „Die Theorie sagt, dass es ein solches Limit geben sollte.“

Allgemeingültiger Vorgang der Diffusion

Die Wissenschaftler untersuchten ein Gas in einem optischen Gitter. Als Messmethode nutzten sie die Kernspinresonanz und die Spin-Echo-Technik. Die Physiker konnten zeigen, dass die absolut langsamste Geschwindigkeit der Diffusion nur von der Masse des Teilchens und vom Planckschen Wirkungsquantum abhängt. Das Plancksche Wirkungsquantum beschreibt das Verhältnis von Energie und Frequenz eines Teilchens. „Wir haben damit einen allgemeingültigen Vorgang der Diffusion beschrieben“, berichtet Prof. Köhl.

Eine Anwendungsmöglichkeit ist die Spintronik

Dieses Ergebnis aus der Grundlagenforschung ist zum Beispiel wichtig für die Spintronik. Sie basiert auf dem magnetischen Moment des Elektrons zur Informationsdarstellung und –verarbeitung. Mit Hilfe der Elektronenspins lassen sich Informationen ohne Fortbewegung der Elektronen übertragen.

Bewegung ohne Widerstand

Wenn sich Elektronen in Leitern bewegen – zum Beispiel in Computern –, produzieren sie aufgrund des Ohmschen Leitungswiderstands viel Wärme. „Die Spinübertragung kommt dagegen ohne diese Wärmeverluste aus“, sagt Prof. Köhl. „Unsere Ergebnisse zur Diffusion helfen, diesen Spintransport besser zu verstehen.“ Solche Resultate aus der Grundlagenforschung könnten in die Entwicklung neuartiger Computer münden.

Publikation: Universal spin dynamics in two-dimensional Fermi gases, Nature Physics, DOI: 10.1038/NPHYS2637

Kontakt:

Prof. Dr. Michael Köhl
Physikalisches Institut
Tel. 0228/73-4899
E-Mail: michael.koehl@uni-bonn.de

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Johannes Seiler idw

Weitere Informationen:

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