Die größten Teilchenbeschleuniger des Universums sind noch größer als gedacht

Überlagerung eines Bildes der Galaxie Centaurus A einschließlich der Jets, die aus dem Zentrum kommen, mit der Intensität der zugehörigen Gammastrahlung. Bild: ESO/WFI (Optical); MPIfR/ESO/APEX/A.Weiss et al. (Submillimetre); NASA/CXC/CfA/R.Kraft et al. (X-ray), H.E.S.S. collaboration (Gamma) CC BY 4.0

Die Beobachtung verändert das Verständnis davon, welche maximalen Energien durch die Beschleunigungsprozesse in den Jets erreicht werden können. Das internationale Team mit mehr als 200 Mitgliedern aus 13 Ländern stellt seine Messungen mit dem H.E.S.S.-Gammastrahlenobservatorium in Namibia im Fachblatt „Nature“ vor.

An dieser Arbeit sind insbesondere das französische Forschungszentrum CNRS, das Max-Planck-Institut für Kernphysik und DESY in Deutschland sowie die Universität Innsbruck in Österreich beteiligt.

In den vergangenen Jahren hat die Beobachtung von Röntgen- und Gammastrahlen, also sehr energiereichen Lichtteilchen (Photonen), grundlegend neue Einblicke ins Universum ermöglicht. „Diese Photonen stammen aus Systemen wie den supermassereichen Schwarzen Löchern im Herzen bestimmter Galaxien, die sich Materie einverleiben“, erläutert H.E.S.S.-Wissenschaftler Andrew Taylor von DESY, einer der Hauptautoren der Publikation.

„Dort werden Elektronen auf enorme Energien beschleunigt, die in von Menschen gebauten Maschinen unerreichbar sind.“ In diesen aktiven Galaxien ist das zentrale Schwarze Loch von einer sogenannten Akkretionsscheibe umgeben, in der sich Materie sammelt wie im Strudel eines Badewannenabflusses, bevor sie auf Nimmerwiedersehen hinabstürzt.

Ein kleiner Teil dieser Materie fällt jedoch nicht in das Schwarze Loch, sondern wird vorher abgezweigt und in Form zweier gigantischer Plasma-Jets senkrecht nach oben und unten weit aus der Galaxie hinaus in den Kosmos geschleudert.

Die Intensität der von diesen Systemen emittierten Gammastrahlung kann über sehr kurze Zeiträume von bis zu einer Minute variieren, was auf einen sehr kleinräumigen Ursprung der Strahlung nahe dem zentralen Schwarzen Loch hindeutet.

Darüber hinaus diskutieren Wissenschaftler den Ursprung der Röntgenemission der Jets, zu deren Erzeugung je nach Szenario eine extreme Beschleunigung von Elektronen nötig ist. Da beschleunigte Elektronen im Plasma-Jet jedoch schnell an Energie verlieren, müssen sie dort kontinuierlich beschleunigt werden, um entlang der gesamten Jets zu existieren.

Mit den Teleskopen des High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.) beobachteten die Forscherinnen und Forscher die Radiogalaxie Centaurus A mehr als 200 Stunden lang mit unerreichter Auflösung im Gammastrahlenbereich.

Radiogalaxien strahlen stark im Frequenzbereich der Radiowellen. „Als die der Erde am nächsten gelegene Radiogalaxie war Centaurus A für eine solche Untersuchung günstig, da sie uns ermöglichte, die Herkunftsregion der sehr hochenergetischen Strahlung entlang der Plasma-Jets zu identifizieren“, sagt der stellvertretende H.E.S.S.-Direktor Mathieu de Naurois vom Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) in Frankreich, ebenfalls einer der Hauptautoren der Publikation.

Auf der Grundlage detaillierter Analysen von Gruppen in Innsbruck und Paris konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass sich die Quelle der Gammastrahlung tatsächlich über mehrere tausend Lichtjahre erstreckt.

Diese ausgedehnte Emission deutet darauf hin, dass die Teilchenbeschleunigung nicht nur in der Nähe des zentralen Schwarzen Lochs stattfindet, sondern auch über die gesamte Länge der Plasma-Jets, wie die beteiligten Gruppen in Heidelberg und Zeuthen bei Berlin dargelegt haben. Die größten Teilchenbeschleuniger im Kosmos sind also noch größer als angenommen.

Die Entdeckung deutet darauf hin, dass vermutlich viele Radiogalaxien mit ausgedehnten Jets Teilchen auf extreme Energien beschleunigen. Damit liefert die Beobachtung auch wichtige neue Informationen für die Debatte über den Ursprung der Röntgenemission.

„Diese Entdeckung revolutioniert unser Verständnis der großräumigen Jets und bedeutet einen großen Schritt vorwärts für unser Verständnis der kosmischen Teilchenbeschleunigung insgesamt“, sagt Taylor. „Es ist sehr befriedigend zu sehen, dass sich langfristige Beobachtungsbemühungen wie diese auszahlen. Offensichtlich werden wir nach wie vor von unseren kosmischen Nachbarn überrascht, wenn wir sie anders beobachten.“

Die Ergebnisse dieser Studie erforderten umfangreiche Beobachtungen und optimierte Analysetechniken. Das Observatorium der nächsten Generation, das Cherenkov Telescope Array (CTA), wird eine noch genauere Beobachtung dieses Phänomen ermöglichen. Am H.E.S.S. International Observatory, das aus fünf Teleskopen in Namibia besteht, sind Institute aus dreizehn Ländern beteiligt (Frankreich, Deutschland, Namibia, Südafrika, Irland, Armenien, Polen, Australien, Österreich, Schweden, Grossbritannien, Niederlande und Japan).

DESY zählt zu den weltweit führenden Teilchenbeschleuniger-Zentren und erforscht die Struktur und Funktion von Materie – vom Wechselspiel kleinster Elementarteilchen, dem Verhalten neuartiger Nanowerkstoffe und lebenswichtiger Biomoleküle bis hin zu den großen Rätseln des Universums. Die Teilchenbeschleuniger und die Nachweisinstrumente, die DESY an seinen Standorten in Hamburg und Zeuthen entwickelt und baut, sind einzigartige Werkzeuge für die Forschung: Sie erzeugen das stärkste Röntgenlicht der Welt, bringen Teilchen auf Rekordenergien und öffnen neue Fenster ins Universum.

DESY ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands, und wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent von den Ländern Hamburg und Brandenburg finanziert.

Dr. Andrew Taylor
DESY
+49 33762 7-7195
andrew.taylor@desy.de

Originalveröffentlichung:
Resolving acceleration to very high energies along the jet of Centaurus A; The H.E.S.S. Collaboration; „Nature“, 2020; DOI: https://dx.doi.org/10.1038/s41586-020-2354-1

http://Pressemitteilung im Web: https://www.desy.de/aktuelles/news_suche/index_ger.html?openDirectAnchor=1856&am…

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Dr. Thomas Zoufal idw - Informationsdienst Wissenschaft

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