Heiße Gase statt heißer Luft: Plasma- und Kurzzeitphysiker tagen in der RUB

„Die Ruhr-Universität weiß, welch bundesweit einzigartiges Juwel sie hat“, sagt Professor Jörg Winter und meint damit die Plasmaphysik. Die RUB richtet derzeit die Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft aus, gleichzeitig forciert sie den zukunftsträchtigen Sektor der Plasmaphysik und -technik, u. a. mit einem neuen Studiengang „Plasmatechnik“.

Gebändigtes Plasma im Flachbildschirm
Der Standort Bochum forciert die Plasmatechnik
Heißen Gasen und ultraschnellen Reaktionen auf der Spur

Es wird heiß in Bochum, wenn sich ab heute bis zum 21. März Plasma- und Kurzzeitphysiker im Hörsaalzentrum Ost (HZO) der Ruhr-Universität treffen. Im Mittelpunkt der Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) steht ein Aggregatzustand, den die sichtbare Materie des Universums zu 99 Prozent einnimmt: Plasma. Ultraheiß und elektrisch leitend, bildet es die Grundlage der Plasmatechnik, einer der Schlüssel- und Querschnittstechnologien des 21. Jahrhunderts. Die Fakultät für Physik und Astronomie der RUB hat die Bedeutung der Plasmaphysik frühzeitig erkannt und als ein Hauptarbeitsgebiet eingerichtet.

Plasma- und Kurzzeitphysik im Internet …

Ausführliche Informationen zur DPG-Frühjahrstagung der Fachverbände Plasmaphysik und Kurzzeitphysik finden sich im Internet unter http://dpg2002.ruhr-uni-bochum.de

… und im All

In ca. 200 Beiträgen diskutieren die Tagungsteilnehmer die „heißen“ Themen aus der Plasmaphysik, etwa 25 Beiträge zur Kurzzeitphysik ergänzen das Spektrum der Tagung. Neben einer Reihe von Plenar- und Hauptvorträgen gibt es am Mittwoch, 20. März, um 19 Uhr (Hörsaal HZO 30) auch eine öffentliche Abendveranstaltung. Uwe Konopka vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik berichtet über ein deutsch-russisches Forschungsprojekt auf der Raumstation ISS. Die Öffentlichkeit und die Medien sind herzlich willkommen.

Gebändigte Materie

Wenn die Hersteller von Unterhaltungselektronik auf der Cebit in Hannover neue Plasmabildschirme vorstellen, dann stecken dahinter Erkenntnisse und Ergebnisse aus der Grundlagenforschung. Wissenschaftlern ist es gelungen, die heiße und ionisierte (elektrisch leitende) Materie zu bändigen und für die Technik nutzbar zu machen. Anwendung finden Plasmen z. B. auch in Energiesparlampen, in der Mikroelektronik bei Halbleitern und Leistungsschaltern. Und bei Temperaturen jenseits der 100 Millionen Grad realisieren Plasmaphysiker bereits jetzt Kernfusionen im Labor. Sie arbeiten an einer Energiequelle der Zukunft: Der „Sonne auf Erden“.

Plasma ist (fast) überall

Warum Sonne? Ganz einfach, weil sie der Prototyp des Plasmas im Universum ist – eine riesige Kugel, die aus heißem Gas besteht. Gewaltige Energieausbrüche auf der Sonne, so genannte solar flares, beeinflussen unser Leben auf der Erde: Wenn das Fernsehbild flimmert und die Telefonleitung gestört ist, muss nicht unbedingt die Technik versagt haben. Auch die Polarlichter sind Plasma-Erscheinungen. Über 99 Prozent der sichtbaren Materie des Universums befindet sich im Zustand eines Plasmas, so dass dies auch als „vierter Aggregatzustand“ (neben fest, flüssig, gasförmig) bezeichnet wird. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet Gebilde, Geformtes. Plasma entsteht, wenn sich feste Materie erhitzt – sie verwandelt sich erst in eine Flüssigkeit, dann in ein Gas. Wird dem Gas weitere Energie zugeführt, wird es elektrisch leitend. Im Plasma liegt meist ein Gemisch aus positiv geladenen Ionen, Elektronen und Neutralteilchen vor.

In Bochum tut sich was

Die Bedeutung des Plasmas als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts ist längst erkannt. Allerdings können die deutschen Hochschulen den Bedarf an qualifiziertem Nachwuchs nicht decken. Die Fakultät für Physik und Astronomie der Ruhr-Universität setzt mit der Plasmaphysik einen Schwerpunkt in Lehre und Forschung. Er ist nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern bundesweit und in Europa einmalig. Zwei aufeinanderfolgende Sonderforschungsbereiche (SFB 162 „Plasmaphysik Bochum/Jülich“ bis 1989 und aktuell SFB 191 „Physikalische Grundlagen der Niedertemperaturplasmen“) sind Ausdruck der Exzellenz in Bochum. Ein dritter SFB ist derzeit in Vorbereitung. Die RUB-Physiker kooperieren eng mit den Universitäten Düsseldorf, Essen und Wuppertal sowie mit dem Forschungszentrum Jülich. Gemeinsam haben sie das Graduiertenkolleg „Hochtemperatur-Plasmaphysik“ eingerichtet unter Federführung der Uni Düsseldorf. Als koordinierendes Organ fungiert die „Arbeitsgemeinschaft Plasmaphysik“ (APP) mit Sitz an der RUB.

Fachübergreifende Plasmatechnik

Den hohen Stellenwert der Plasmaphysik am Standort Bochum unterstreicht die RUB, indem sie zum Wintersemester 2002/2003 den fachübergreifenden Studiengang Plasmatechnik einrichtet. Kompetenz in Plasmatechnik erfordert fundierte Kenntnisse in Physik, Elektrotechnik, Maschinenbau und Chemie. In Zusammenarbeit dieser vier in Bochum angesiedelten Fakultäten bietet damit die RUB jungen Menschen eine Ausbildung auf diesem zukunftsträchtigen Sektor. Ergänzt werden diese Aktivitäten durch ein „Center of Excellence Plasmatechnik“, das zeitnah mit dem neuen Studiengang die Arbeit aufnehmen soll.

Dem Nachwuchs eine Chance

Dem Nachwuchs eine Chance: Dieses Motto gilt insbesondere für die Frühjahrstagung der DPG in Bochum. Die Veranstalter animieren Diplomanden und Doktoranden, ihre Arbeiten öffentlich vorzustellen und damit eine wissenschaftliche Diskussion in breitem Umfeld anzustoßen. Die Tagungsgebühren sind gering, damit möglichst viele Studierende teilnehmen können. Gesellige „Brezel-Postersitzungen“ schaffen eine entspannte Atmosphäre, in der junge Leute ihre Forschungsergebnisse präsentieren.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Jörg Winter, Lehrstuhl für Experimentalphysik (Anwendungsorientierte Plasmaphysik), Fakultät für Physik und Astronomie der RUB, NB 5/132, Tel. 0234/32-23693, Fax: 0234/32-14171, E-Mail: jw@plasma.ep2.ruhr-uni-bochum.de

Media Contact

Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

http://dpg2002.ruhr-uni-bochum.de/

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