Molekül-Spione zeigen, dass flüssige Schichten fest werden
Uni-Physiker lassen sich den Weg zu neuen Phänomenen der Nanowelt ausleuchten
In Agentenfilmen operieren Spione stets im Dunkeln. Anders an der TU Chemnitz: Hier rüsten Physiker einige wenige Moleküle in regelrechte Scheinwerfer um und schicken sie als winzige Glühwürmchen durch mikroskopisch kleine Welten. In einer aktuellen Untersuchung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ist Wissenschaftlern der Chemnitzer Professur für Optische Spektroskopie und Molekülphysik mit Hilfe der Einzelmoleküldetektion ein leuchtender Einblick in bislang unbekannte Phänomene der Nanowelt gelungen: Sie haben herausgefunden, dass flüssige Schichten in nächster Nähe zu Festkörperoberflächen mehr und mehr in einen festen Zustand übergehen.
„Wir haben einfach einem Tropfen Flüssigkeit zugesehen, wie er auf der Oberfläche eines Festkörpers verläuft“, erläutert Dr. Frank Cichos, der als wissenschaftlicher Assistent an der Professur für Optische Spektroskopie und Molekülphysik beschäftigt ist. Dass dabei die Flüssigkeit nicht nur eine, sondern gleich mehrere und nur moleküldicke Schichten übereinander bildet, war den Physikern der TU Chemnitz bereits bekannt. Auch dass die zum Leuchten gebrachten Moleküle ihren Brownschen Bewegungen nachgingen, war alles andere als sensationell. Denn bereits 1827 beobachtete der Botaniker Robert Brown, dass in Wasser aufgelöster Blumenpollen durcheinander wimmelt, anstatt in Ruhe zu verharren. Als Brownsche Bewegungen wird aus diesem Grund der Zickzackkurs beschrieben, den die niemals in Ruhe befindlichen Moleküle durch Flüssigkeiten nehmen.
Neu allerdings war die Erkenntnis, dass die übereinander lagernden flüssigen Molekül-Schichten umso zähflüssiger, ja fast fest werden, je näher sie sich an der Festkörperoberfläche befinden. Verantwortlich für dieses Phänomen sind laut Dr. Frank Cichos die starken Wechselwirkungen, die zwischen der Flüssigkeit und dem Festkörper auftreten. „Die Festkörperatome wirken auf die in der Flüssigkeit befindlichen Moleküle wie ein Magnet.“ Je näher die flüssige Schicht an dem Festkörper lagere, desto stärker die Anziehungskraft auf die Moleküle. Mit anderen Worten heißt das: An der Grenzfläche beginnt der Übergang zwischen „fest“ und „flüssig“ zu verschwimmen.
Bereits vor fünf Jahren sorgte die Chemnitzer Professur für Optische Spektroskopie und Molekülphysik unter Leitung von Prof. Dr. Christian von Borczyskowski mit ihren Molekül-Spionen erstmals für internationales Aufsehen. Es gelang den Wissenschaftlern, nanometerkleine Fehlstellen in Diamanten als „kleinste Scheinwerfer der Welt“ sichtbar zu machen. Das Verfahren der Einzelmoleküldetektion ist einfach: Indem einzelne Moleküle mit Laserlicht bestrahlt werden, geraten die darin befindlichen Elektronen sprungartig auf ein höheres Energieniveau. Sie nehmen für kurze Zeit ein Lichtteilchen, ein so genanntes Quant, auf. Anschließend kehren die Elektronen sofort wieder in ihren Ausgangszustand zurück, indem sie die Lichtteilchen wieder abgeben. Das freigesetzte Licht bringt das Molekül buchstäblich zum Leuchten und macht es selbst für das bloße Auge sichtbar. Unter dem Fluoreszenzmikroskop können die Molekül-Spione auf diese Weise stellvertretend für die Gesamtheit der in einer Flüssigkeit befindlichen Moleküle als helle Punkte verfolgt und analysiert werden. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die von Natur aus eingebaute Mini-Sonde sammelt die gewünschten Informationen authentischer als jedes andere Messinstrument, dass erst von außen eingebracht werden müsste.
Dass die genaue Kenntnis über die Bewegung einzelner Moleküle bereits heute von enormer Bedeutung ist, zeigt derzeit vor allem die Biotechnologie, die in aktuellen Untersuchungen den Signalwegen oder dem Zellverhalten im menschlichen Körper nachspürt. Aber auch bestimmte technische Fragestellungen werden erst dann beantwortet werden können, wenn das genaue Molekülverhalten erforscht ist – wenn es etwa darum geht, wie Nanopartikel als winzige Datenspeicher genutzt oder Oberflächen optimal mit Flüssigkeiten benetzt werden können – mit Schmiermitteln zum Beispiel.
Weitere Informationen gibt Dr. Frank Cichos, Professur Optische Spektroskopie und Molekülphysik der TU Chemnitz, unter Telefon (03 71) 5 31 – 30 66 oder – 35 78 oder per E-Mail unter cichos@physik.tu-chemnitz.de.
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