ALMA beobachtet den am weitesten entfernten Sauerstoff im Universum

Schematisches Diagramm zur Entwicklung des Universums. Grafik: NAOJ

Astronomen aus Japan, Schweden, Großbritannien und von der ESO nutzten das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA), um eine der am weitesten entfernten Galaxien im Universum zu beobachten. SXDF-NB1006-2 besitzt eine Rotverschiebung von 7,2, das bedeutet, dass wir die Galaxie nur 700 Millionen Jahre nach dem Urknall beobachten.

Das Team hoffte schwere chemische Elemente [1] in der Galaxie zu finden. Deren Häufigkeit verrät den Grad der Sternentstehung in der Galaxie und gibt in weiterer Folge Aufschluss über die sogenannte Phase der sogenannen Reionisation im Universum.

„Die Suche nach schweren Elementen im frühen Universum ist eine wesentliche Methode zur Erforschung der Aktivität von Sternentstehung in dieser kosmischen Periode“, erläutert Akio Inoue von der Universität von Osaka Sangyo in Japan,Erstautor der im Wissenschaftsjournal Science publizierten Arbeit, und ergänzt: „Die Untersuchung von schweren Elementen lässt uns auch verstehen, wie diese Galaxien entstanden und was die kosmische Re-Ionisation auslöste.“

Vor Entstehung der Sterne und Galaxien war das Universum mit einem elektrisch neutralen Gas erfüllt. Als die ersten Objekte einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall zu leuchten begannen, sandten sie intensive Strahlung aus. Diese Strahlung zerteilte die neutralen Atome und ionisierte damit das Gas. Diese Phase des Universums wird als kosmische Reionisation bezeichnet und veränderte das Universum grundlegend. Darüber, welche Objekte diese Reionisation auslösten, wird viel diskutiert und geforscht. Die Untersuchung der Eigenschaften von sehr jungen Galaxien kann bei der Beantwortung dieser Frage helfen.

Vor der Beobachtung der fernen Galaxie setzten die Forscher Computerprogramme ein, um die Möglichkeit eines Nachweises von ionisiertem Sauerstoff mit ALMA zu simulieren. Dabei berücksichtigten sie auch Beobachtungen von viel näher liegenden Galaxien und schlossen daraus, dass die Emission von Sauerstoff auch bei kosmologischen Distanzen mit ALMA nachweisbar sein müsste [2].

Danach führten sie hochempfindliche Messungen mit ALMA [3] durch und fanden Emission von ionisiertem Sauerstoff in SXDF-NB1006-2. Damit gelang der eindeutige Nachweis von Sauerstoff in der bisher am weitesten entfernten Galaxie des Universums [4]. Dies ist ein klarer Beweis für die Präsenz von Sauerstoff im frühen Universum, nur 700 Millionen Jahre nach dem Urknall.

Bei den Messungen stellte sich heraus, dass die Häufigkeit von Sauerstoff in SXDF-NB1006-2 zehn Mal geringer als in unserer Sonne ist. „Diese geringe Häufigkeit wurde erwartet, da das Universum noch sehr jung war und nur eine kurze Zeit für Sternentstehung zur Verfügung stand”,  bemerkt Naoki Yoshida von der Universität von Tokyo. „Unsere Simulation sagte eine zehnfach geringere Häufigkeit als in der Sonne voraus, aber wir haben auch ein unerwartetes Ergebnis, einen sehr kleinen Anteil an Staub.“

Das Team konnte hingegen in der Galaxie keine Emission von Kohlenstoff nachweisen. Die Galaxie besitzt daher wahrscheinlich sehr wenig nicht ionisiertes Wasserstoffgas und auch nur sehr geringe Mengen an Staub, der aus schweren Element besteht. „Etwas Eigenartiges geht in dieser Galaxie vor sich“, schließt Inoue. „Ich vermute, dass fast alles Gas hochgradig ionisiert ist.“

Der Nachweis von ionisiertem Sauerstoff deutet darauf hin, dass sich viele sehr helle Sterne, dutzende Male schwerer als die Sonne, in der Galaxie gebildet haben und durch ihre intensive ultraviolette Strahlung die Sauerstoffatome ionisieren.

Das Fehlen von Staub in der Galaxie erlaubt der intensiven ultravioletten Strahlung, die Galaxie zu verlassen und große Mengen an Gas außerhalb der Galaxie zu ionisieren. „SXDF-NB1006-2 könnte ein Prototyp jener Lichtquellen sein, die für die kosmische Reionisation verantwortlich sind“, sagte Inoue.

„Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung besseres Verständnis, welche Objekte die kosmische Reionisation verursachen“, erklärt Yoichi Tamura von der Universität von Tokyo. „Unsere nächsten Beobachtungen mit ALMA haben gerade begonnen. Eine höhere Auflösung bei den Beobachtungen wird uns erlauben, die räumliche Verteilung und die Bewegung des ionisierten Sauerstoffs in der Galaxie zu analysieren und damit die Eigenschaften der Galaxie besser zu verstehen.“

[1] In astronomischer Terminologie werden chemische Elemente schwerer als Lithium als schwere Elemente bezeichnet.

[2] Der japanische Infrarot-Satellit AKARI fand heraus, dass diese Art der Sauerstoff-Emission in der Großen Magellanschen Wolke sehr hell ist und diese daher eine Umgebung besitzt, die sehr ähnlich der im frühen Universum ist.

[3] Die Wellenlänge von ruhendem, doppelt ionisierten Sauerstoff beträgt 0,088 Millimeter. Die Wellenlänge von SXDF-NB1006-2 wird durch die Ausdehnung des Universums auf 0,725 Millimeter gestreckt und wird daher durch ALMA beobachtbar.

[4] Ältere Arbeiten von Finkelstein et al. schlugen die Anwesenheit von Sauerstoff in einer etwas früheren Periode vor, jedoch gab es keine direkte Beobachtung einer diesbezüglichen Emissionslinie wie in dieser neuen Arbeit.

Die hier vorgestellten Ergebnisse von Inoue et al. sind unter dem Titel “Detection of an oxygen emission line from a high redshift galaxy in the reionization epoch” in der Fachzeitschrift Science erschienen.

Die beteiligten wissenschaftler sind: Akio Inoue (Osaka Sangyo University, Japan), Yoichi Tamura (The University of Tokyo, Japan), Hiroshi Matsuo (NAOJ/Graduate University for Advanced Studies, Japan), Ken Mawatari (Osaka Sangyo University, Japan), Ikkoh Shimizu (Osaka University, Japan), Takatoshi Shibuya (University of Tokyo, Japan), Kazuaki Ota (University of Cambridge, United Kingdom), Naoki Yoshida (University of Tokyo, Japan), Erik Zackrisson (Uppsala University, Sweden), Nobunari Kashikawa (NAOJ/Graduate University for Advanced Studies, Japan), Kotaro Kohno (University of Tokyo, Japan), Hideki Umehata (ESO, Garching, Germany; University of Tokyo, Japan), Bunyo Hatsukade (NAOJ, Japan), Masanori Iye (NAOJ, Japan), Yuichi Matsuda (NAOJ/Graduate University for Advanced Studies, Japan), Takashi Okamoto (Hokkaido University, Japan) und Yuki Yamaguchi (University of Tokyo, Japan).

Das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) ist eine internationale astronomische Einrichtung, die gemeinsam von der ESO, der US-amerikanischen National Science Foundation (NSF) der USA und den japanischen National Institutes of Natural Sciences (NINS) in Kooperation mit der Republik Chile betrieben wird. Getragen wird ALMA von der ESO im Namen ihrer Mitgliedsländer, von der NSF in Zusammenarbeit mit dem kanadischen National Research Council (NRC), dem taiwanesischen National Science Council (NSC) und NINS in Kooperation mit der Academia Sinica (AS) in Taiwan sowie dem Korea Astronomy and Space Science Institute (KASI).

Bei Entwicklung, Aufbau und Betrieb ist die ESO federführend für den europäischen Beitrag, das National Radio Astronomy Observatory (NRAO), das seinerseits von Associated Universities, Inc. (AUI) betrieben wird, für den nordamerikanischen Beitrag und das National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ) für den ostasiatischen Beitrag. Dem Joint ALMA Observatory (JAO) obliegt die übergreifende Projektleitung für den Aufbau, die Inbetriebnahme und den Beobachtungsbetrieb von ALMA.

Die Europäische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch 16 Länder: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist einer der Hauptpartner bei ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das European Extremely Large Telescope (E-ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird.

Carolin Liefke
ESO Science Outreach Network – Haus der Astronomie
Heidelberg, Deutschland
Tel: 06221 528 226
E-Mail: eson-germany@eso.org

Akio Inoue
Osaka Sangyo University
Osaka, Japan
E-Mail: akinoue@las.osaka-sandai.ac.jp

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NAOJ Chile Observatory EPO officer
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Dies ist eine Übersetzung der ESO-Pressemitteilung eso1620.

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