Exotische Pflanzenarten verändern Produktivität von Ökosystemen

Invasive gebietsfremde Pflanzenarten, wie hier die Orientalische Zackenschote (Bunias orientalis), sind oft schnellwüchsig und konkurrenzstark. Foto: Harald Auge

Weltweit gelangen Tier- und Pflanzenarten durch Einwirkung des Menschen in zunehmendem Maße in fremde Ökosysteme. Dieses Phänomen wird biologische Invasion genannt. Beobachtende Studien zur biologischen Invasion zeigen, dass die Einwanderung gebietsfremder Pflanzenarten zur Veränderung von Ökosystemen führen kann.

Ein wichtiger Punkt dabei ist die Biomasseproduktion: Im Vergleich zu intakten Ökosystemen ist die Produktivität von Ökosystemen mit exotischen Arten deutlich höher. „Bei solchen rein beobachtenden Studien kann aber nicht zwischen Ursache und Wirkung unterschieden werden“, sagt Dr. Harald Auge vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). „Die Frage ist nämlich, ob exotische Pflanzenarten bevorzugt produktivere Ökosysteme besiedeln, oder ob die erhöhte Produktivität eine Folge der Invasion ist.“

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, legten die UFZ-Forscher gemeinsam mit Kollegen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der University of Montana, der University of California und dem US Forest Service in drei unterschiedlichen Graslandregionen – in Mitteldeutschland, Montana und Kalifornien – Versuchsflächen an, in die sie 20 in den jeweiligen Regionen heimische und 20 exotische Pflanzenarten einsäten. Die Wissenschaftler untersuchten, ob und in welchem Maße pflanzenfressende Kleinsäuger wie Mäuse oder Erdhörnchen sowie mechanische Störungen des Bodens einen Einfluss darauf haben, ob sich die exotischen Pflanzenarten ausbreiten können.

„Um die Vergleichbarkeit der Experimente zu gewährleisten, war das Versuchsdesign in allen drei Regionen exakt gleich. Wir wollten herausfinden, ob es unabhängig von Landnutzung, Artenzusammensetzung und Klimaunterschieden übergeordnete Zusammenhänge gibt“, erläutert Auge. Unterlagen die Versuchsflächen keiner mechanischen Störung und hatten pflanzenfressende Kleinsäuger freien Zugang, zeigten sich zwischen den drei Regionen keine Unterschiede in der Reaktion auf die Einsaat exotischer Arten:

Die Biomasseproduktion war nur wenig höher als bei Ökosystemen mit ausschließlich heimischen Pflanzenarten und die Anfälligkeit gegenüber Invasionen nur gering. „Die pflanzenfressenden Kleinsäuger haben uns wirklich überrascht“, sagt Auge. „Ihr Vorhandensein und Appetit sind maßgeblich verantwortlich für die Resistenz von Grasländern gegenüber Invasionen mit exotischen Pflanzenarten“.

Wurden die pflanzenfressenden Kleinsäuger durch Zäune ausgeschlossen, der Boden mechanisch gestört oder beides, sah das Ergebnis deutlich anders aus: Die Ökosysteme zeigten sich weniger resistent gegenüber Invasionen, und die Biomasseproduktion fiel deutlich höher aus. „Verblüffend war, dass die Erhöhung der Produktivität auf alle drei – klimatisch völlig unterschiedlichen – Regionen zutraf.

Hier scheint also etwas Allgemeingültiges vorhanden zu sein: Exotische Pflanzenarten bevorzugen nicht unbedingt produktivere Ökosysteme – ihre exotische Herkunft als solche führt zu einer erhöhten Produktion von Biomasse, die somit Folge und nicht Ursache der Invasion ist“, resümiert Auge.

Warum exotische Pflanzenarten die Biomasseproduktion so massiv steigern, ist bislang noch nicht geklärt. Möglicherweise liegt es daran, dass sich nur besonders produktive und konkurrenzstarke Exoten erfolgreich in einem neuen Gebiet etablieren können. Eine weitere Ursache könnte das Fehlen von auf sie spezialisierten Parasiten und Krankheitserregern sein.

Um die langfristigeren Reaktionen der Graslandökosysteme auf die Etablierung exotischer Pflanzenarten zu erforschen, wollen die Forscher in den kommenden Jahren die weitere Entwicklung auf den Versuchsflächen untersuchen. Auge: „Wir vermuten, dass die exotischen Pflanzenarten die einheimischen zunehmend aus dem Ökosystem verdrängen werden – eine Verminderung der Artenvielfalt würde eine weitere einschneidende Veränderung heimischer Ökosysteme bedeuten.“ Nicole Silbermann

Publikation:
Maron, J.L.; Auge, H.; Pearson, D. E.; Korell, L.; Hensen, I.; Suding, K. N.; Stein, C. (2014) Staged invasions across disparate grasslands: effects of consumers, disturbance and seed provenance on productivity and species richness. Ecology Letters 17: 499-507.
http://dx.doi.org/10.1111/ele.12250

Weitere Informationen:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ
Dr. Harald Auge
Telefon: +49-(0)345-558-5309
http://www.ufz.de/index.php?de=1153
oder über
Tilo Arnhold, Susanne Hufe (UFZ-Pressestelle)
Telefon: +49-(0)341-235-1635, -1630
http://www.ufz.de/index.php?de=640

Hinweis:
Am 31. März 2014 veröffentlicht der Weltklimarat den Bericht der Arbeitsgruppe II des 5. Weltklimaberichtes, in dem es um die Folgen des Klimawandels für die Ökosysteme der Erde sowie die Anpassungsmöglichkeiten für Menschen, Tiere und Pflanzen geht. In Vorbereitung auf diese Veröffentlichung haben wir Hintergrundmaterial für Sie erstellt. Sie können es abrufen unter: http://www.ufz.de/index.php?de=32469

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg mehr als 1.100 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.
http://www.ufz.de/

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie sowie Luftfahrt, Raumfahrt und Verkehr. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 35.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3,8 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894). http://www.helmholtz.de/

http://www.ufz.de/index.php?de=32498

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