Endlagerung: Forscher entwickeln erstes virtuelles Untertagelabor

Virtuelles Modell eines Untertagelabors in einer 360-Grad-Darstellung im Fraunhofer IFF. Wenn alle Betroffenen die Details vor Augen haben, lassen sich Entscheidungsprozesse einfacher gestalten.<br>Foto: Dirk Mahler/ Fraunhofer IFF<br>

VIRTUS ist nicht nur als Instrument zur Bewertung der in einem Endlager ablaufenden Prozesse gedacht. Durch die Möglichkeit, die Prozesse mit dreidimensionalen Animationen sichtbar zu machen, soll die Software-Plattform auch zu einer verständlicheren und transparenteren Information der Öffentlichkeit beitragen. Erste Zwischenergebnisse stellen die Forscher am 28. Juni 2012 auf den 15. IFF-Wissenschaftstagen des Fraunhofer IFF in Magdeburg vor.

In einem Endlager für radioaktive Abfälle laufen verschiedenste physikalische und chemische Prozesse ab. Diese Prozesse – etwa die Erwärmung des Gesteins durch eingelagerte Abfälle, mögliche Gasentwicklung und die Rückhaltung radioaktiver Stoffe – sind komplex. Mehr noch: Sie beeinflussen sich wechselseitig.

Endlagerforscher untersuchen diese gekoppelten Prozesse in sogenannten Untertagelabors „in situ“, d.h. unter natürlichen Bedingungen. Derzeit existieren beispielsweise Untertagelabors in Frankreich, der Schweiz und Belgien. Deutsche Forscher – z. B. die Projektpartner – mussten bislang zu ihren ausländischen Kollegen reisen, um in den dortigen Untertagelabors zu forschen. Mit VIRTUS könnte sich das bald ändern.

VIRTUS als Werkzeug der Forschung
Die Forscher sollen mit VIRTUS die Möglichkeit haben, in einer detailgetreuen Nachbildung von Endlagerbergwerken in realen geologischen Formationen virtuelle Experimente durchzuführen. Die Prozesse und ihre komplexen Wechselwirkungen lassen sich dabei nicht nur detailliert untersuchen, sondern darüber hinaus auch visuell darstellen. Probeweise modellierten die Forscher in einer Vorstudie, wie die von eingelagerten radioaktiven Abfällen ausgehende Wärme die Gesteinstemperatur einer geologischen Salzformation erhöht.

Langfristig sollen Forscher auf der ganzen Welt auf die VIRTUS-Plattform zugreifen, virtuell „experimentieren“ und Ergebnisse austauschen können. Für die Forschung ist das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) geförderte Projekt auch deshalb interessant, weil damit in Zukunft ergänzend zu den Arbeiten in Salzgestein auch endlagerrelevante Prozesse in Ton-und Granitgestein veranschaulicht werden können.

In die Entwicklung von VIRTUS sind das Wissen und die Erfahrungen aus über 40 Jahren Endlagerforschung eingeflossen. Die vier an der Entwicklung beteiligten Forschungsinstitutionen haben im Projekt ihre Kompetenzen zusammengeführt: Die BGR hat die geologischen und geomechanischen Daten und Modelle für VIRTUS zur Verfügung gestellt. DBE TECHNOLOY GmbH brachte ihr Wissen in der Endlagerplanung und aus dem Bereich der Simulation von geomechanischen Prozessen mit ein. Die GRS konnte als Projektleiter vor allem ihre langjährige Erfahrung in der Erforschung und Modellierung von gekoppelten Prozessen in Endlagern einbringen. Das Fraunhofer IFF ermöglichte mit seiner Expertise im Digital Engineering und der optischen 3D-Messtechnik die virtuell-interaktive Darstellung der Analyseergebnisse.

Unterstützung der Standortauswahl durch VIRTUS
VIRTUS könnte auch bei der Auswahl eines geologischen Endlagerstandorts eine wichtige Rolle spielen. Will man die Eignung eines möglichen Standorts untersuchen, so muss dazu ein Endlager, d. h. das Endlagerbergwerk mit seinen technischen Einrichtungen und den eingelagerten Abfällen, konzipiert werden. Erst auf dieser Grundlage ist es möglich zu beurteilen und ggf. nachzuweisen, dass an dem betreffenden Standort radioaktive Abfälle über den geforderten Zeitraum von einer Million Jahre von der Biosphäre abgeschlossen gelagert werden können. VIRTUS soll die notwendige Entwicklung eines Endlagerkonzeptes und die Sicherheitsanalysen effizienter und vor allem durch eine Visualisierung nachvollziehbarer gestalten.
Öffentlichkeit durch verständliche Darstellung einbinden
Vor allem die bildliche Darstellung von Experimenten und deren Ergebnissen kann VIRTUS zu einem wichtigen Hilfsmittel bei der Einbindung der Öffentlichkeit in die Suche nach einem Endlagerstandort machen. Das virtuelle Modell ermöglicht auch Laien einen gewissen Sachverstand zu den komplizierten Prozessen zu entwickeln, die in Endlagern ablaufen. Abstrakte wissenschaftliche und nur schwer in ihrer Gänze formulierbare Zusammenhänge lassen sich mit VIRTUS verständlich in Bildern darstellen. Möglich sind beispielsweise virtuelle „Flüge“ durch dreidimensionale Salzstöcke, vorbei an Grubengebäuden und Strecken gefüllt mit Behältern, in denen radioaktive Abfälle lagern. „Für uns Forscher“, so der Projektleiter Tilmann Rothfuchs von der GRS, „hat VIRTUS eine ganz besondere Bedeutung. Wir können unsere Ergebnisse mit VIRTUS auf eine verständliche, nachvollziehbare Weise der Öffentlichkeit zeigen und so einen Beitrag dazu leisten, dass die Menschen Vertrauen in unsere Arbeit gewinnen und Verständnis für Entscheidungen entwickeln.“

Zentraler Pressekontakt für die Projektpartner ist die GRS.

Weitere Informationen:
http://www.grs.de
http://www.iff.fraunhofer.de
http://www.dbetec.de
http://www.bgr.bund.de

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Horst May idw

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