Bestäubung durch Insekten schafft 150 Milliarden Euro – erstmals globaler ökonomischer Wert der Bestäuber geschätzt

Das entspricht knapp einem Zehntel des Gesamtwertes der Weltnahrungsmittelproduktion. Die Wissenschaftler des Nationalen Institutes für Agrarforschung (INRA) und des Zentrums für Wissenschaftliche Forschung (CNRS) aus Frankreich sowie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) schätzten außerdem die Schäden, die durch das Fehlen von bestäubenden Insekten entstehen würden auf 190 bis 310 Milliarden Euro pro Jahr.

Die Studie über die ökonomische Verwundbarkeit der Weltagrarproduktion durch den Rückgang von Bestäubern ist soeben im Fachblatt Ecological Economics erschienen.

Unter Experten herrscht Einigkeit, dass der Rückgang der Bestäuber eine der Hauptbedrohungen für die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist. Doch die Auswirkungen sind noch immer unklar. So wurde bislang noch nicht versucht, den ökonomischen Wert der Bestäubung als „Dienstleistung für den Menschen“ exakter zu bestimmen. Auf der Basis einer 2007 erfolgten Zusammenstellung verschiedenster Literaturquellen, hat die kürzlich in Ecological Economics erschienene Studie unter anderen Daten der Welternährungsorganisation FAO ausgewertet, um den Bestäubungs-Anteil an der Weltnahrungsproduktion zu bestimmen. Der gesamte ökonomische Wert der Bestäubung für 2005 wird demnach weltweit auf 153 Milliarden geschätzt. Das entspricht 9,5 Prozent des Wertes der jährlichen Weltagrarproduktion an Lebensmitteln.

Drei Kategorien agrarischer Produkte sind besonders betroffen: Früchte und Gemüse durch einen Verlust von jeweils 50 Milliarden Euro, gefolgt von essbaren Ölfrüchten mit 39 Milliarden Euro. Die Auswirkungen auf Genussmittel (Kaffee, Kakao usw.), Nüsse und Gewürze waren von geringerer ökonomischer Relevanz.

Die Wissenschaftler fanden auch heraus, dass der durchschnittliche Wert von Feldfrüchten die von Bestäubern abhängig sind, höher war als von Feldfrüchten, die nicht bestäubt werden wie Getreide oder Zuckerrohr (760 bzw. 150 Euro pro Tonne). Der Verwundbarkeitsindex wurde definiert als das Verhältnis des ökonomischen Wertes der Insektenbestäubung geteilt durch den Wert der gesamten Lebensmittelproduktion. Dieses Verhältnis variiert je nach Kategorie: 39 Prozent für Genussmittel (wie Kaffee und Kakao), 31 Prozent für Nüsse und 23 Prozent für Früchte. Umso höher die Abhängigkeit von Bestäubern ist, desto höher ist der Preis pro Tonne.

Sollte es zum kompletten Rückgang der Insektenbestäuber kommen, dann würde sich die Weltagrarproduktion stark verändern. Besonders Importeure wie die Europäische Union wären betroffen. Global betrachtet sind die Länder auf der Nordhemisphäre verwundbarer als die Länder im Süden. Ein Rückgang der bestäubenden Insekten könnte also starke Konsequenzen für den Lebensmittelhandel zwischen Nord und Süd haben. Die Studie ist jedoch keine Vorhersage, da sie mögliche Anpassungsstrategien nicht berücksichtigen kann. Zudem gingen die Berechnungen der Wissenschaftler von einem Worst-Case-Szenario aus: einem kompletten Verschwinden der Bestäuber. Ein geringerer Rückgang hätte entsprechend geringere Folgen.

Die Ergebnisse betonen, dass der Komplettverlust an Insektenbestäubern wie vor allem der Honigbiene und vielen weiteren Bienenarten nicht zu einem Zusammenbrechen der Weltagrarproduktion führen würde. Aber es würde zu einschneidenden Verlusten kommen – selbst wenn die Studie nur Pflanzen berücksichtigt, die direkt für die menschliche Ernährung genutzt werden. In den Berechnungen sind jedoch die Auswirkungen, die ein Rückgang der Bestäuber auf die generelle Pflanzen- und damit auf die Tierproduktion hätte, nicht enthalten. Ebenso fehlen die Auswirkungen auf Wildblumen und sämtliche weitere Ökosystem-Dienstleistungen, die die natürliche Flora für Landwirtschaft und Gesellschaft erbringt.

Vom 15. bis 19. September 2008 findet in Leipzig die bisher größte Konferenz von Ökologen aus ganz Europa statt. Über 1000 Teilnehmer aus mehr als 30 Ländern haben sich zur „EURECO-GFOE 2008“ angemeldet. Die Tagung wird von der European Ecological Federation (EEF) und der Gesellschaft für Ökologie (GfÖ) im Congress Center Leipzig ausgerichtet und vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) sowie den Universitäten Halle-Wittenberg und Leipzig organisiert. Die EEF ist die Dachorganisation aller nationalen ökologischen Gesellschaften in Europa. In ihr sind über 8000 Ökologen organisiert. Die GfÖ dagegen ist die nationale Gesellschaft der Ökologen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz.

Publikation:
Nicola Gallai, Jean-Michel Salles, Josef Settele, Bernard E. Vaissière:
Economic valuation of the vulnerability of world agriculture confronted with pollinator decline. Ecological Economics (2008), doi:10.1016/j.ecolecon.2008.06.014.
Weitere fachliche Informationen:
PD Dr. Josef Settele.
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0345-558-5320
http://www.ufz.de/index.php?de=817
und
Dr. Bernard Vaissiere (EN+FR)
INRA Center of Avignon
Phone +33-4-32722637
www.avignon.inra.fr/les_recherches__1/liste_des_unites/abeilles_et_environnement/les_personnes/vaissiere_bernard
oder über
Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1269
E-mail: presse@ufz.de
Weiterführende Links:
Konferenz EURECO-GFOE 2008:
http://www.eureco-gfoe2008.ufz.de/
Forschungsprojekt ALARM:
http://www.alarmproject.net/alarm/
Mehr zum Thema Biodiversität finden Sie in einer Spezialausgabe des UFZ-Newsletters zur 9. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention zur Biologischen Vielfalt (COP9), die im Mai 2008 in Bonn stattgefunden hat:

http://www.ufz.de/index.php?de=16853

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 25.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,3 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).

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Tilo Arnhold Helmholtz-Gemeinschaft

Weitere Informationen:

http://www.ufz.de/index.php?de=17177

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