Tropische Agroforstsysteme: Kompromiss zwischen Ökologie und Ökonomie
Tropische Agroforstsysteme, in denen Kulturpflanzen wie Kakao oder Kaffee unter schattenspendenden Bäumen angebaut werden, können einen vielversprechenden Kompromiss zwischen Artenschutz und ökonomischen Zwängen zur Intensivierung der Landwirtschaft darstellen.
Zu diesem Schluss kommen deutsche und indonesische Wissenschaftler, die gemeinsam im Sonderforschungsbereich „Stabilität von Randzonen tropischer Regenwälder in Indonesien“ (STORMA) der Universität Göttingen forschen. In einer weltweit einzigartigen Studie haben sie die ökologischen und ökonomischen Veränderungen in unterschiedlichen Landnutzungssystemen auf der indonesischen Insel Sulawesi untersucht und insbesondere Biodiversität, Ökosystemfunktionen und das Einkommen der Landwirte analysiert. Prof. Dr. Ingolf Steffan-Dewenter, Prof. Dr. Michael Kessler und Dr. Jan Barkmann präsentieren die Forschungsergebnisse mit weiteren Autoren in dieser Woche in der Online-Ausgabe der amerikanischen Wissenschaftszeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS).
In den Tropen werden jährlich rund ein Prozent der Regenwälder abgeholzt, um die Flächen landwirtschaftlich nutzen zu können. In einem ersten Schritt dünnen die Bauern dazu oft die Waldflächen aus und bringen unter dem erhalten gebliebenen Baumbestand Kulturpflanzen wie Kakao und Kaffee ein. Eine schrittweise Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung führt schließlich zu einer vollständigen Entfernung der Schattenbäume und dem Anbau in Monokulturen. „Die Umwandlung von Wald in Agroforstflächen hat erwartungsgemäß zur Folge, dass die Zahl der Baumarten deutlich abnimmt. Insgesamt gibt es jedoch nur geringe Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Wie unsere Untersuchungen gezeigt haben, blieb die Gesamtzahl an Tier- und Pflanzenarten überraschenderweise unverändert, wenn auch in einer anderen Zusammensetzung“, erläutert der Göttinger Pflanzenökologe Prof. Kessler. In den beschatteten landwirtschaftlichen Nutzflächen kamen noch rund 40 Prozent der schützenswerten Waldarten vor, stattdessen haben sich hier andere Tiere und Pflanzen angesiedelt.
Die „sanfte“ Intensivierung der Bewirtschaftung durch Ausdünnen des Baumbestandes ermöglicht Kleinbauern, so Dr. Barkmann von der Abteilung Umwelt- und Ressourcenökonomik, eine Verdopplung ihrer Einkommen pro Hektar. Werden die Schattenbäume vollständig entfernt und die landwirtschaftliche Nutzung auf Monokulturen umgestellt, kann eine weitere Einkommenssteigerung um 40 Prozent erzielt werden – allerdings mit der Folge eines gravierenden Artenverlusts. „Mit dem Rückgang der Biodiversität gehen wichtige Ökosystemfunktionen verloren, die in weniger stark genutzten, beschatteten Flächen erhalten bleiben. Artenreiche Agroforstsysteme fördern die biologische Schädlingskontrolle und die Bestäubung von Kulturpflanzen, sie erhalten die Bodenfruchtbarkeit und schützen vor Bodenerosion und Überschwemmungen“, erläutert Tierökologe Prof. Steffan-Dewenter, der jetzt an der Universität Bayreuth forscht. Diese „indirekten“ Vorteile werden in ökonomischen Marktmechanismen nicht berücksichtigt. Deshalb ist mit einer drastischen Abnahme des Kakaoanbaus auf Nutzflächen mit Schattenbäumen zugunsten besonnter Monokulturen zu rechnen, befürchten die Wissenschaftler.
Das internationale Forscherteam arbeitet in der dritten Förderphase des im Jahr 2000 eingerichteten Sonderforschungsbereichs an nachhaltigen Landnutzungskonzepten, um der zunehmenden Gefährdung der Biodiversität und dem wachsenden menschlichen Nutzungsdruck natürlicher Ökosysteme zu begegnen. „Von besonderer Bedeutung ist dabei die Kooperation von ökologischen und sozioökonomischen Disziplinen“, betont der Göttinger Agrarökologe und SFB-Sprecher Prof. Dr. Teja Tscharntke. So plädieren die Fachleute zum Beispiel dafür, ein Ökolabel für den Kakaoanbau in schattenreichen Agroforstsystemen einzuführen, um diesen ökologisch wichtigen Landnutzungstyp langfristig erhalten zu können. Um spezialisierte Tier- und Pflanzenarten vor dem Aussterben zu bewahren, sei allerdings der Schutz der tropischen Regenwälder unverzichtbar, betonen die Wissenschaftler. Sie warnen zugleich vor der sinkenden Speicherfähigkeit von klimarelevantem C02, die mit der Abholzung und Umwandlung der Waldflächen einhergeht.
An dem Sonderforschungsbereich „Stabilität von Randzonen tropischer Regenwälder in Indonesien“ (SFB 552) ist neben der Georgia Augusta auf deutscher Seite auch die Universität Kassel beteiligt. Informationen im Internet können unter http://www.storma.de abgerufen werden.
Originalveröffentlichung:
Steffan-Dewenter, I., Kessler, M., Barkmann, J., Bos, M.M., Buchori, D., Erasmi, S., Faust, H., Gerold, G., Glenk, K., Gradstein, S.R., Guhardja, E., Harteveld, M., Hertel, D., Höhn, P., Kappas, M., Köhler, S., Leuschner, C., Maertens, M., Marggraf, R., Migge-Kleian, S., Mogea, J., Pitopang, R., Schaefer, M., Schwarze, S., Sporn, S.G., Steingrebe, A., Tjitrosoedirdjo, S.S., Tjitrosoemito, S., Twele, A., Weber, R., Woltmann, L., Zeller, M., Tscharntke, T. (2007): Tradeoffs between income, biodiversity, and ecosystem functioning during tropical rainforest conversion and agroforestry intensification. PNAS 104(12), 4973-4978.
Prof. Dr. Ingolf Steffan-Dewenter, Universität Bayreuth, Tierökologie I, Abteilung Populationsökologie, Telefon (0921) 55-2645, e-mail: ingolf.steffan@uni-bayreuth.de
Prof. Dr. Michael Kessler, Universität Göttingen, Albrecht-von-Haller-Institut
für Pflanzenwissenschaften, Telefon (0551) 39-5726, e-mail: mkessle2@gwdg.de
Dr. Jan Barkmann, Universität Göttingen, Department für Agrarökonomie
und Rurale Entwicklung, Telefon (0551) 39-14492, e-mail: jbarkma@gwdg.de
Prof. Dr. Teja Tscharntke, Universität Göttingen, Department für
Nutzpflanzenwissenschaften, Telefon (0551) 39-9209, e-mail: ttschar@gwdg.de
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