Neue Einblicke ins Gehirn

Rechts: Das ultradünne Glasfaserendoskop wird für die mikroskopische In-vivo-Bildgebung in tiefen Strukturen im Gehirn von Mausmodellen verwendet.
Links: Prof. Dr. Tomáš Čižmár
Fotos: Jana Plavec / Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik

Tomáš Čižmár für holografisches Endoskop ausgezeichnet.

Professor Tomáš Čižmár vom Leibniz-Institut für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena, wurde am 19. November 2024 mit dem renommierten Preis des tschechischen Ministers für Bildung, Jugend und Sport ausgezeichnet. Die Ehrung würdigt seine Arbeit an der Entwicklung eines holografischen Endoskops für die Hirnforschung – ein Projekt, das Čižmár auch als Leiter der Gruppe „Komplexe Photonik“ am Institut für wissenschaftliche Instrumente der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Brünn maßgeblich vorantreibt.

Das holografische Endoskop, das Čižmár und sein internationales Team entwickelt haben, basiert auf optischen Fasern, die so dünn sind wie ein menschliches Haar. Diese Technologie erlaubt es, tief im Gehirn mit subzellulärer Präzision zu forschen. Damit eröffnen sich Neurowissenschaftlerinnen und Neurowissenschaftlern neue Möglichkeiten: Sie können Blutflussdynamik und neuronale Aktivität in bislang unerreichter Detailtiefe beobachten.

Diese Erkenntnisse können entscheidend dazu beitragen, neuronale Erkrankungen wie Demenz besser zu verstehen und zu behandeln. Darüber hinaus erlaubt die Technologie die wiederholte Untersuchung von Hirnstrukturen lebender Tiere, was das Verständnis der Hirnfunktion in dynamischen Prozessen – etwa bei sozialer Interaktion, Stress oder Lernvorgängen – verbessert.

Das Endoskop bietet außergewöhnliche Bildqualität, Stabilität und Geschwindigkeit, die für die Forschung in den tiefsten Bereichen des Gehirns erforderlich sind. Es ermöglicht Einblicke in die gesamte Tiefe des Gehirns und erfasst Details wie dendritische Stacheln oder subzelluläre Bläschen. Zudem misst es die Aktivität einzelner Neuronen sowie die Blutflussrate in einzelnen Gefäßen. Obwohl die Technologie bisher nur an betäubten Tieren getestet wurde, zeigt sie bereits jetzt großes Potenzial für neue Ansätze in der In-vivo-Neurowissenschaft. Die Grundlagen dieser Technologie wurden in führenden wissenschaftlichen Zeitschriften wie Nature und Science veröffentlicht.

Interdisziplinäre Expertise aus Jena und Brünn

Professor Čižmár verbindet in seiner Forschung Physik, Neurowissenschaften und Medizintechnik. Am Leibniz-IPHT in Jena leitet er die Abteilung für Faseroptik, lehrt Wellenleiteroptik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und führt seine Arbeit als Leiter der Forschungsgruppe „Komplexe Photonik“ am Institut für wissenschaftliche Instrumente der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Brünn fort. Mit seiner interdisziplinären Herangehensweise zeigt er, wie Grundlagenforschung und technologische Innovation zusammenwirken, um gesellschaftlich relevante Herausforderungen anzugehen.

Von der Forschung zur Anwendung: das Start-up DeepEn

Zusätzlich zu seiner wissenschaftlichen Tätigkeit berät Čižmár das Spin-off DeepEn, eine Ausgründung des Leibniz-IPHT. DeepEn entwickelt haarfeine Endoskope für die minimal-invasive Untersuchungen schwer zugänglicher Körperregionen. Mit subzellulärer Auflösung soll diese Technologie die Erforschung von Hirnerkrankungen unterstützen und perspektivisch zur Entwicklung neuer Therapien beitragen. Das Start-up erhielt für seine Innovationen bereits mehrere Auszeichnungen und ist aktuell für den Publikumspreis des Thüringer Innovationspreises nominiert.

Wissenschaftliche Laufbahn von Professsor Tomáš Čižmár:

– Seit 2017: Leiter der Abteilung für Faseroptikforschung und -technologie am Leibniz-Institut für Photonische Technologien, Jena und Professor für Wellen- und Faseroptik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena

– Seit 2017: Leiter der Gruppe für Komplexe Photonik, Institut für wissenschaftliche Instrumente der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Brünn

– 2013–2017: Reader (außerordentlicher Professor) für Physik und Biowissenschaften, School of Science & Engineering, Universität Dundee, UK

– 2010–2013: Akademischer Mitarbeiter im Bereich Medizinische Photonik, Medizinische Fakultät, Universität St. Andrews, UK

– 2007–2010: Postdoc, Fakultät für Physik und Astronomie, Universität St. Andrews, UK

– 2006: PhD in Physik (Wellen- und Teilchenoptik), Institut für wissenschaftliche Instrumente der Tschechischen Akademie der Wissenschaften/ Masaryk-Universität Brno

Wichtige wissenschaftliche Projekte:

2024–2025: STED-aktivierte superauflösende Multimode-Faser-basierte holografische Endoskopie für die Tiefenbeobachtung neuronaler Konnektivität (STEDGate), finanziert vom ERC

2022–2024: Minimal-invasive Endoskope für die Überwachung der neuronalen Aktivität und optogenetische Stimulation tief im Gehirn (WOKEGATE), finanziert vom ERC

2022–2024: Holografisches Endoskop auf Einzelfaserbasis zur Beobachtung von Schlaganfällen in der Tiefenstruktur des Gehirns (StrokeGATE), finanziert vom ERC

2021–2025: Deep Brain Photonic Tools for Cell-Type Specific Targeting of Neural Diseases (DEEPER), finanziert durch EU H2020

2017–2023: Holographische superauflösende Mikroendoskopie für In-vivo-Anwendungen (LIFEGATE), finanziert vom ERC

2017–2022: Holographische Endoskopie für In-vivo-Anwendungen (Gate2µ), finanziert durch das OP Forschung, Entwicklung und Bildung

Wichtige Auszeichnungen:

– 2024: Preis für Biowissenschaften, Europäische Gesellschaft für Mikroskopie

– 2022: Silbermedaille für Patente und Patentanmeldungen, Internationale Fachmesse für Ideen, Erfindungen und Innovationen (IENA, Nürnberg)

– 2014: Ehrenlektorat der Universität von St. Andrews

– 2014: Werner von Siemens Excellence Award, Die bedeutendste Leistung in der Grundlagenforschung (1. Preis, verliehen an das Team von Professor Pavel Zemanek)

Text: Pavla Schieblová, Lavinia Meier-Ewert

 Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Tomáš Čižmár
Leibniz-Institut für Photonische Technologien
Leiter der Forschungsabteilung Faserforschung und -technologie
+49 (0) 3641 · 206-200
tomas.cizmar@leibniz-ipht.de

www.leibniz-ipht.de/de/professor-tomas-cizmar-erhaelt-auszeichnung-fuer-innovative-photonik-forschung/

Media Contact

Lavinia Meier-Ewert Kommunikation
Leibniz-Institut für Photonische Technologien e. V.

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizintechnik

Kennzeichnend für die Entwicklung medizintechnischer Geräte, Produkte und technischer Verfahren ist ein hoher Forschungsaufwand innerhalb einer Vielzahl von medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin.

Der innovations-report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Bildgebende Verfahren, Zell- und Gewebetechnik, Optische Techniken in der Medizin, Implantate, Orthopädische Hilfen, Geräte für Kliniken und Praxen, Dialysegeräte, Röntgen- und Strahlentherapiegeräte, Endoskopie, Ultraschall, Chirurgische Technik, und zahnärztliche Materialien.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Artenschutz im Offshore-Windpark

DFKI entwickelt autonomen Unterwasserroboter zum nachhaltigen Monitoring mariner Biodiversität. Für den umweltverträglichen Betrieb von Offshore-Windparks und den Schutz der Artenvielfalt ist eine nachhaltige Überwachung der Meeresumwelt unerlässlich. Im Projekt SeaMe…

Blitze: Mehr Sicherheit unter freiem Himmel

TU Graz evaluiert Blitzrisiko in Echtzeit. Flughafenvorfelder, Großbaustellen oder Freiluftveranstaltungen sind Blitzen meist schutzlos ausgeliefert. Um die Sicherheit zu erhöhen und Stehzeiten zu verringern, entwickeln Elektrotechniker der TU Graz ein…

Der Amazonas-Regenwald als Wolkenmaschine

Wie Gewitter und Pflanzen-Ausdünstungen Kondensationskeime erzeugen. Der Regenwald im Amazonas dünstet riesige Mengen von gasförmigem Isopren aus. Bislang galt, dass dieses Molekül nicht weit in der Atmosphäre verbreitet wird, da…