Mikroelektroden und Neurochips

Richard E. Schneider*)
Das NMI Reutlingen (Naturwiss.-Med. Institut), ein spin-off der Uniklinik Tübingen, veranstaltete vom 29.6 bis 2.7. seine im zweijährigen Turnus stattfindende wissenschaftliche Tagung zu MEAs (Mikroelektroden-Arrays) in der Reutlinger Listhalle. Über 200 internationale Anwender und Entwickler aus Unis und privaten Forschungslabors stellten neue Ergebnisse und Entwicklungstrends zum Einsatz von MEAs in der Pharmakologie und Toxikologie vor.

Mikroelektroden sind um vieles kleiner als z.B. Schweiß-Elektroden und erfüllen Messfunktionen. Sie befinden sich auf kleinen Glasplatten, meist in Reihen von 8 x 8 oder 6 x 10 angeordnet und bieten auf kleinstem Raum (Abstand ca. 200 µm) bis zu 1000 Messstellen zur Abnahme von elektrischen Spannungen in Zell- oder Nervengewebe-Kulturen. MEAs sind präziser und vielfältiger einsetzbar als andere Messmethoden, sie ermöglichen mehr Aufschluss über physiologische Vorgänge, messen auch Mikro-Volt-Spannungen und Mikro-Impedanzen in neuen Biomaterialien. Überhaupt stellen MEAs eine früher nicht für möglich gehaltene Kommunikationsstelle zwischen Natur und Technik dar, weil sie die althergebrachte, für unüberbrückbar gehaltene Grenzlinie zwischen belebt und unbelebt aufheben.

Dr. Alfred Stett, Stellvertretender Direktor des NMI, sagte in Reutlingen: ¿Hier treffen sich Biologen mit Ingenieuren und Physikern, um aktuelle Ergebnisse und neue Entwicklungen zu diskutieren. Der aktuelle Trend geht zu noch mehr Messtellen für eine Probe.¿ Ein Großteil der aus China, Japan, Südkorea oder den USA angereisten Wissenschaftler arbeitet und forscht an inzwischen über 500 elektrophysiologischen Instituten mithilfe von MEAs, die das NMI herstellt und die sein Industriepartner MCS (Mulit-Channel-Systems), Reutlingen, mit der nötigen Software ausstattet und vertreibt.

In jüngerer Zeit interessierten sich auch Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen für die neuen elektrophysiologischen Methoden. In der Pharmaforschung genutzt werden MEAs bei der Suche nach neuen Wirkstoffen gegen Alzheimer, Schlaganfall, Schizophrenie oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In den entsprechenden Zellkulturen aus diesen Geweben lassen sich Nebenwirkungen von pharmakologischen Wirkstoffen früh erkennen. Ausgewählte Substanzen werden hinsichtlich ihrer Wirkung und Nebenwirkung auf Ionenkanäle und Rezeptorsysteme in neuronalen Systemen und im Herz-Kreislauf-System untersucht. Neue Substanzen zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen können ebenfalls mit MEAs gefunden und getestet werden.

Firmen-Neugründungen angestoßen
Das NMI Reutlingen, eine Stiftung öffentlichen Rechts, die 1985 mit der Herstellung der ersten Mikroelektroden-Arrays begann und sich inzwischen zu über 80 % aus Auftragsforschung für KMUs finanziert, hat noch einen anderen Trumpf in der Hand: Es befördert die Gründung neuer Biotech-Firmen. Inzwischen gehen zwölf Firmen-Gründungen auf Forschungsergebnisse der gegenwärtig 160 Mitarbeiter zurück. Letzter Erfolg war am 22.3.2010 die Gründung der Cellendes GmbH, die synthetische Hydrogele für dreidimensionale Zellkulturen herstellt. Das NMI bemüht sich, bei Erreichung eines Forschungsziels auch gleich die passenden Ingenieure, Wissenschaftler und Finanzexperten für solche spin-offs zu interessieren. Im Jahr 2009 generierten die NMI-Wissenschaftler einen Gesamtumsatz von 13,8 Mio. Euro ihres Instituts. Vor wenigen Monaten sagte Baden Württembergs Wirtschaftsminister Ernst Pfister 375000 Euro Zuschuss für das neue Innovationszentrum, einen 5 Mio. Euro teuren, fünfstöckigen Erweiterungsbau, zu.

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