Knorpelregeneration

Neuartige, elektrisch aktive Implantate regen geschädigte Knochen und Knorpel zur Heilung an.
(c) Universität Rostock

Forschungen mit elektrisch aktiven Implantaten in Rostock kommen voran.

Leuchtturmprojekt an der Universität Rostock: Auf die Industriegesellschaften kommen nach Experteneinschätzungen massive Probleme bei der Gesundheitsversorgung zu. Die Menschen bewegen sich immer weniger und werden schwergewichtiger. Die Kosten für die Behandlung von Folgen des Übergewichts könnten demnach explodieren. Neben der Prävention muss der Fokus auf einer frühen Behandlung der Folgeerkrankungen liegen.

Mit Sorge schauen Mediziner und Soziologen auf die wachsende Zahl von übergewichtigen Kindern und Jugendlichen. Mögliche Folgen können neben Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schwere Gelenkschädigungen sein. „Das oft viel zu hohe Gewicht führt im Zusammenspiel mit zu wenig Bewegung zur Überbeanspruchung vor allem des Knorpelgewebes in den Knien und Sprunggelenken“, sagt Prof. Rainer Bader von der Orthopädischen Klinik der Universitätsmedizin Rostock. Das könne schon in jüngeren Jahren zu Schädigungen der Knorpelstrukturen führen, die in Folge bereits etwa ab dem 50. Lebensjahr den Einsatz von künstlichen Gelenken erzwingen können. „Das zu verhindern ist eines der Ziele des Sonderforschungsbereichs 1270 ELAINE der Universität Rostock“, erklärt der Mediziner und Ingenieur Bader, er ist stellvertretender Sprecher des Sonderforschungsbereichs. ELAINE ist die Abkürzung für elektrisch aktive Implantate.

Defekte des Gelenkknorpels, die bis zum darunter liegenden Knochen reichen, müssen früh behandelt werden. „Wenn die daraus resultierende überaus schmerzhafte Arthrose größere Teile des Gelenks befallen hat, wird eine Therapie mit elektrisch aktiven Implantaten nicht mehr möglich sein“, sagt Bader. Auch wenn sich diese Therapie noch im Stadium der Grundlagenforschung befinde, zeichne sich der mögliche Weg hin zur klinischen Behandlung schon ab.

Wie die Biologin Dr. Anika Jonitz-Heincke erklärt, werde in einer Operation zunächst das defekte Gewebe entfernt. In die entstandene Leerstelle, die den etwa drei Millimeter dicken Knorpel und das angrenzende Knochengewebe umfasst, wird ein Ersatzmaterial eingebracht. Dieses soll als Gerüststruktur für die umliegenden Knorpelzellen sowie Stammzellen aus dem Knochenmark dienen, wie Jonitz-Heincke berichtet.

Der Ansatz in ELAINE ist, die Zellen bei ihrer Ausdifferenzierung durch ein elektrisch stimulierendes Implantat zu unterstützen, das in der Nähe der defekten Stelle positioniert wird. Das Implantat sendet dabei ein elektrisches Feld aus. „Durch Einbringen eines Knorpelersatzmaterials in den Defekt sollen die einwachsenden Zellen durch eine elektrisch-mechanische Stimulation dazu angeregt werden, hochwertiges, sogenanntes hyalines Knorpelgewebe zu bilden“, sagt Jonitz-Heincke. Die Bildung von „minderwertigem Faserknorpel“ soll dagegen verhindert werden. Das elektrisch stimulierende Implantat werde nach erfolgter Regeneration des Knorpels entfernt.

Noch sind viele elementare Fragen zur Knorpelregeneration mittels elektrisch-mechanischer Stimulation zu beantworten, zum Ende der dritten und letzten DFG-Förderperiode im Jahr 2029 soll aber der Weg in die klinische Behandlung geebnet werden.

„Der Sonderforschungsbereich arbeitet an der Schnittstelle zwischen Medizin und Technik“, sagt Wissenschaftsministerin Bettina Martin. Hier ist der Universitätsstandort Rostock besonders stark. „Die Themen, die hier erforscht werden, haben großes Potenzial, zukünftig das Leben und die Gesundheit der Menschen zu verbessern.“ Der schnelle Wissens- und Technologietransfer ist entscheidend, um gesellschaftliche Herausforderungen und deren Folgen bewältigen zu können. ELAINE vereint auf einzigartige Weise Humanwissenschaften, Natur- und Ingenieurwissenschaften. Die Versorgungsforschung, klinisch-therapeutische Anwendungen, einschließlich neuer Materialen, Elektrotechnik und Elektronik kommen zusammen. Der jüngst eröffnete Neubau der Elektrotechnik auf dem Campus Südstadt stärkt diese Vorteile noch weiter. „Das Land unterstützt solche wissenschaftlichen Innovationskerne gezielt mit Investitionen“, sagte Martin.

Hintergrund Sonderforschungsbereich 1270 ELAINE

An dem 2017 gestarteten Sonderforschungsbereich 1270 ELAINE, der sich aktuell in der zweiten Förderperiode befindet, sind neben der Universität und der Universitätsmedizin Rostock die Universitäten Greifswald, Leipzig und Erlangen, die Universitätsmedizin Mainz sowie die Hochschule Wismar beteiligt. Ein Team aus mehr als 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Fakultäten hauptsächlich in Rostock arbeitet an der Forschung und Entwicklung von elektrisch aktiven Implantaten. Diese Implantate sollen unter anderem bei der Regeneration von Knochen- und Knorpelgewebe eingesetzt werden und Zellen zum Wachstum und zur Differenzierung anregen. Im SFB 1270 ELAINE wird zudem die Tiefe Hirnstimulation erforscht. Diese Methode wird unter anderem bei der Therapie der Parkinson-Erkrankung eingesetzt.

Der Sonderforschungsbereich gilt als eines der Leuchtturmprojekte in der Wissenschaftslandschaft von Mecklenburg-Vorpommern. Die Forschungen laufen nach Angaben der Leiterin von ELAINE, der Elektrotechnikerin Prof. Ursula van Rienen, sehr erfolgreich. Die Förderung seitens der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) beträgt in der ersten und zweiten Förderperiode rund 24,1 Millionen Euro inklusive der Programmpauschale. Die Universität und Universitätsmedizin Rostock unterstützen das Projekt seit 2017. Bis Ende 2025 werde sich die Förderung auf 2,3 Millionen Euro belaufen. Im Jahr 2026 soll die dritte und damit letzte Förderperiode beginnen.
(https://www.elaine.uni-rostock.de/en)

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr.-Ing. Nadine Rudolph
Gesamtkoordinatorin/General Manager SFB 1270 ELAINE
Fakultät für Informatik und Elektrotechnik
Tel.: +49 381/498 – 7082
E-Mail: nadine.rudolph@uni-rostock.de

Weitere Informationen:

https://www.elaine.uni-rostock.de/en

http://www.uni-rostock.de

Media Contact

Dr. Kirstin Werner Presse- und Kommunikationsstelle

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizintechnik

Kennzeichnend für die Entwicklung medizintechnischer Geräte, Produkte und technischer Verfahren ist ein hoher Forschungsaufwand innerhalb einer Vielzahl von medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin.

Der innovations-report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Bildgebende Verfahren, Zell- und Gewebetechnik, Optische Techniken in der Medizin, Implantate, Orthopädische Hilfen, Geräte für Kliniken und Praxen, Dialysegeräte, Röntgen- und Strahlentherapiegeräte, Endoskopie, Ultraschall, Chirurgische Technik, und zahnärztliche Materialien.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Merkmale des Untergrunds unter dem Thwaites-Gletscher enthüllt

Ein Forschungsteam hat felsige Berge und glattes Terrain unter dem Thwaites-Gletscher in der Westantarktis entdeckt – dem breiteste Gletscher der Erde, der halb so groß wie Deutschland und über 1000…

Wasserabweisende Fasern ohne PFAS

Endlich umweltfreundlich… Regenjacken, Badehosen oder Polsterstoffe: Textilien mit wasserabweisenden Eigenschaften benötigen eine chemische Imprägnierung. Fluor-haltige PFAS-Chemikalien sind zwar wirkungsvoll, schaden aber der Gesundheit und reichern sich in der Umwelt an….

Das massereichste stellare schwarze Loch unserer Galaxie entdeckt

Astronominnen und Astronomen haben das massereichste stellare schwarze Loch identifiziert, das bisher in der Milchstraßengalaxie entdeckt wurde. Entdeckt wurde das schwarze Loch in den Daten der Gaia-Mission der Europäischen Weltraumorganisation,…

Partner & Förderer