Bösartige Hirntumoren: Optimierung der Diagnostik durch moderne Bildgebungsverfahren

Patient mit niedriggradigem hirneigenen Tumor, der einen sog. photopenischen Defekt in der FET-PET (links oben) und somit eine deutlich ungünstigere Prognose (vgl. Überlebenskurve rechts) aufweist. © Galldiks et al., Neuro Oncol. 2019; 21: 1331-1338

Die Diagnostik von Hirntumoren beruht heute in erster Linie auf der Magnetresonanztomographie (MRT). Die MRT ist weit verfügbar und bietet eine hervorragende anatomische Darstellung. Jedoch kann beispielsweise die Unterscheidung von Tumorgewebe und gutartigen Veränderungen, die durch die Tumortherapie (z. B. Strahlentherapie) selbst bedingt sein kann, schwierig sein.

Bei dieser Problematik können Diagnoseverfahren, die den Stoffwechsel des Gewebes erfassen, sehr hilfreich sein. Die sogenannte Positronen-Emissions-Tomographie (PET) mit radioaktiv markierten Aminosäuren wie z. B. F-18-Fluorethyltyrosin (FET) ist zurzeit eines der leistungsfähigsten diagnostischen Verfahren, um die MRT-Bildgebung zu ergänzen und die Versorgung von Patienten mit Hirntumoren zu verbessern.

FET wurde am Forschungszentrum Jülich entwickelt, seitdem wurde dessen Einsatz durch die Etablierung besonderer Auswertungsmethoden wie die Aufnahmekinetik der FET im Gewebe über die Zeit (sogenannte dynamische oder kinetische Analyse) oder die Gewinnung von weiteren, für das menschliche Auge nicht wahrnehmbaren Bildinformationen aus der FET-PET mithilfe von Methoden der „Künstlichen Intelligenz“ weiter optimiert.

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe Neuro-Onkologie (v. a. Veronika Dunkl, Elena K. Bauer, Garry Ceccon und Jan-Michael Werner), geleitet von Norbert Galldiks, an der Klinik für Neurologie der Uniklinik Köln haben in enger Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Jülich (v. a. Philipp Lohmann, Karl-Josef Langen und Gereon R. Fink) nun untersucht, wie man bei Hirntumorpatienten mittels dieser modernen Bildgebungsverfahren (vor allem FET-PET) wertvolle Zusatzinformationen erheben kann.

Eine der wichtigsten Beobachtungen im Rahmen des von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojektes war, dass bestimmte Biomarker, die durch die angewendeten Bildgebungsmethoden identifiziert werden konnten, eine hohe prognostische Aussagekraft haben.

Vor allem traf dies auf Patienten mit neu diagnostizierten niedriggradigen Tumoren zu, die bestimmte bildgebende Zeichen in der FET-PET (sog. „Photopenic Defects“, siehe Abbildung) aufwiesen. Die Arbeitsgruppe um Norbert Galldiks konnte in Zusammenarbeit mit Neurowissenschaftlern der Ludwig-Maximilians-Universität München (v. a. Marcus Unterrainer, Bogdana Suchorska, Jörg Tonn und Nathalie Albert) zum ersten Mal zeigen, dass diese Patientengruppe – auch unabhängig von der gewählten Therapie – eine deutlich ungünstigere Prognose zu haben scheint (Galldiks et al. Neuro Oncol 21: 1331-1338, 2019).

Eine ähnlich hohe prognostische Aussagekraft der modernen Bildgebungsmethoden konnte das Forscherteam um Norbert Galldiks auch mithilfe von dynamischen FET-PET-Parametern in der am 07.02.2020 erschienenen Publikation im European Journal of Nuclear Medicine and Molecular Imaging zeigen.

Die Wissenschaftler beobachteten, dass diese Methode helfen kann, die Prognose bei bösartigen hirneigenen Tumoren (sogenannten malignen Gliomen ohne Mutation im Isozitrat-Dehydrogenase-Gen) vorherzusagen (Bauer et al. Eur J Nucl Med Mol Imaging, 07 Feb 2020, Epub ahead of print).

Darüber hinaus gelang es sowohl mittels der dynamischen FET-PET als auch mit Methoden der „Künstlichen Intelligenz“, bestimmte prognostisch relevante molekulare Veränderungen mit einer hohen Genauigkeit zu identifizieren (Lohmann et al. Sci Rep 8: 13328, 2018).

Weiterhin wurde erforscht, ob mittels der FET-PET eine Differenzierung zwischen gutartigen therapiebedingten Veränderungen und erneutem Tumorwachstum möglich ist. In einem Vergleich mit sogenannter diffusionsgewichteter MRT-Bildgebung, welche die Diffusionsbewegung von Wassermolekülen in Körpergewebe misst und räumlich aufgelöst darstellt, konnte die Überlegenheit der FET-PET bei dieser Fragestellung gezeigt werden (Werner et al. Eur J Nucl Med Mol Imaging 46: 1889-1901, 2019).

Die FET-PET lieferte auch bei der Anwendung neuerer Therapieformen wie dem Multikinase-Inhibitor Regorafenib oder der Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren wichtige diagnostische Zusatzinformationen zu diesem klinisch hochrelevanten Problem.

Auch gelang mittels der FET-PET eine verbesserte Beurteilung des Therapieansprechens im Vergleich zur kontrastmittelgestützten MRT. In einer prospektiven Studie mit bösartigen Hirntumoren (Glioblastomen) konnte mit der FET-PET nach erstmaligem Wiederauftreten des Tumors nach Abschluss der Standardtherapie das Ansprechen auf eine experimentelle Kombinationstherapie aus einem Hemmstoff der Blutgefäßneubildung und einem Chemotherapeutikum deutlich genauer vorhergesagt werden.

Insbesondere zeigten Patienten, die auf diese Therapiemaßnahme ansprachen (sogenannte „Responder“), in der FET-PET ein signifikant längeres Überleben (Galldiks et al. Eur J Nucl Med Mol Imaging 45: 2377-2386, 2018).

Zusammengefasst weisen diese Forschungsergebnisse darauf hin, dass ergänzende Bildgebungsverfahren wie z. B. die FET-PET wertvolle Zusatzinformationen für die Hirntumor-Patientenversorgung liefern können und somit einen wichtigen Beitrag zur klinischen Implementierung dieser Methoden im Sinne der translationalen Forschung leisten.

Kontakt:

Henrike Boden
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Die Wilhelm-Sander-Stiftung hat dieses Forschungsprojekt mit rund 155.000 Euro unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt rund 245 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Prof. Dr. Norbert Galldiks
Klinik und Poliklinik für Neurologie
Uniklinik Köln
Kerpener Str. 62
50937 Köln
E-Mail: norbert.galldiks@uk-koeln.de

https://neurologie.uk-koeln.de/forschung/ag-neuroonkologie/

Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-3)
Forschungszentrum Jülich
Leo-Brandt-Str. 5
52425 Jülich

Bauer EK, Stoffels G, Blau T, Reifenberger G, Felsberg J, Werner JM, Lohmann P, Rosen J, Ceccon G, Tscherpel C, Rapp M, Sabel M, Filss CP, Shah NJ, Neumaier B, Fink GR, Langen KJ, Galldiks N. Prediction of survival in patients with IDH-wildtype astrocytic gliomas using dynamic O-(2-[18F]fluoroethyl)-L-tyrosine PET. Eur J Nucl Med Mol Imaging. 07 Feb 2020, Epub ahead of print.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/32034446

Galldiks N, Unterrainer M, Judov N, Stoffels G, Rapp M, Lohmann P, Vettermann F, Dunkl V, Suchorska B, Tonn JC, Kreth FW, Fink GR, Bartenstein P, Langen KJ, Albert NL. Photopenic defects on O-(2-[18F]-fluoroethyl)-L-tyrosine PET: clinical relevance in glioma patients. Neuro Oncol. 2019; 21: 1331-1338.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31077276

Werner JM, Stoffels G, Lichtenstein T, Borggrefe J, Lohmann P, Ceccon G, Shah NJ, Fink GR, Langen KJ, Kabbasch C, Galldiks N. Differentiation of treatment-related changes from tumor progression: A direct comparison between dynamic FET PET and ADC values obtained from DWI MRI. Eur J Nucl Med Mol Imaging. 2019; 46: 1889-1901.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31203420

Galldiks N, Dunkl V, Ceccon G, Tscherpel C, Stoffels G, Law I, Henriksen OM, Muhic A, Poulsen HS, Steger J, Bauer EK, Lohmann P, Schmidt M, Shah NJ, Fink GR, Langen KJ. Early Treatment response evaluation using FET PET compared to MRI in glioblastoma patients at first progression treated with bevacizumab plus lomustine. Eur J Nucl Med Mol Imaging. 2018; 45: 2377-2386.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29982845

Lohmann P, Lerche C, Bauer EK, Steger J, Stoffels G, Blau T, Dunkl V, Kocher M, Viswanathan S, Filss CP, Stegmayr C, Ruge MI, Neumaier B, Shah NJ, Fink GR, Langen KJ, Galldiks N. Predicting IDH genotype in gliomas using FET PET radiomics. Sci Rep. 2018; 8: 13328.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30190592

https://wilhelm-sander-stiftung.de/
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