Viel hilft nicht immer viel – Zu häufige Stimulation hemmt Wirksamkeit von Immuntherapie

Für die systemischen Therapie weiterer Krebsarten allerdings ließ sich das Immunsystem bisher nicht ausreichend aktivieren. Wissenschaftler um Professor Dr. Carole Bourquin von der Abteilung für Klinische Pharmakologie des Klinikums der Universität München konnten nun nachweisen, dass das Timing der Wirkstoffgabe eine maßgebliche Rolle spielt:

Wird zu häufig stimuliert, kommt es zur sogenannten Rezeptortoleranz, bei der die Rezeptoren geraume Zeit nicht mehr auf weitere Behandlungen ansprechen. Für eine wirksame Therapie sind somit die richtigen Intervalle entscheidend: „Mithilfe unserer Daten konnten wir nun eine effektivere Strategie entwickeln, die bei Mäusen Tumoren erfolgreich bekämpfte“, sagt Bourquin. Diese Ergebnisse können dazu beitragen, die systemische Therapie humaner Tumoren effektiver zu machen – und lassen sich vermutlich auch auf andere Therapien übertragen, die auf der Stimulation des angeborenen Immunsystems basieren.

Das angeborene Immunsystem erkennt körperfremde Stoffe und mobilisiert die Immunabwehr, um eingedrungene Erreger auszuschalten und zu zerstören. Aber es kann auch fehlerhafte körpereigene Zellen erkennen und zerstören – so setzt sich der Körper gegen Tumoren zur Wehr. Diese natürlichen Abwehrmechanismen werden genutzt, wenn bei einer Immuntherapie Rezeptoren des angeborenen Immunsystems mit kleinen synthetischen Molekülen stimuliert werden.

Einer dieser Rezeptoren ist der sogenannte Toll-like Rezeptor 7 (TLR7). In Tumorpatienten wird er mithilfe synthetischer TLR7 Liganden stimuliert, sodass der Tumor als „fremd“ erkannt und vom körpereigenen Immunsystem attackiert wird. Ein bestimmter synthetischer TLR7 Ligand – Imiquimod – wird bereits erfolgreich in der lokalen Therapie von Hauttumoren verwendet. Allerdings ist die systemische Therapie anderer Tumoren bisher wenig erfolgreich. „Bei diesen Therapien werden die TLR7 Liganden mehrmals innerhalb einer Woche gegeben. Wir stellten uns die Frage, ob diese repetitive Stimulation zu einer systemischen Immuntoleranz führen könnte, die die Wirksamkeit der Therapie einschränkt“, erklärt Bourquin.

Tatsächlich konnten die Wissenschaftler im Mausmodell nachweisen, dass die wiederholte Gabe von synthetischen Liganden innerhalb relativ kurzer Zeit zur sogenannten Rezeptortoleranz führt: TLR7 „stumpfte ab“ und sprach bis zu fünf Tage lang nicht mehr auf eine weitere Stimulation an. „Eine zu häufige Immunstimulation könnte also die mangelnde Effizienz der Therapie erklären“, sagt Bourquin. Die Wissenschaftler betrieben aber nicht nur Fehleranalyse: Aufgrund ihrer Daten entwickelten sie ein alternatives Therapieschema, das Tumoren in der Maus effektiv bekämpfte, obwohl die Gesamtdosis des Wirkstoffes geringer war als bei den konventionellen Methoden.

„Unsere Studie zeigt, dass das Timing der systemischen Therapie mit TLR7 Liganden eine entscheidende Rolle spielt“, betont Bourquin, „eine Umsetzung unserer Ergebnisse für humane Studien und letztendlich für die Immuntherapie von Tumoren wäre somit direkt möglich“. Da Rezeptortoleranz ein weitverbreitetes Phänomen ist, lassen sich diese Erkenntnisse wahrscheinlich auch auf andere Immuntherapien übertragen. (göd)

Publikation:
„Systemic cancer therapy with a small molecule agonist of Toll-like receptor 7 can be improved by circumventing TLR tolerance”;
C. Bourquin, C. Hotz, D. Noerenberg, A. Voelkl, S. Heidegger, L.C.M. Roetzer, B. Storch, N. Sandholzer, C. Wurzenberger, D. Anz, S. Endres;
Cancer Research, Published Online, First June 22, 2011;
doi:10.1158/0008-5472.CAN-10-3903
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Carole Bourquin
Abteilung für Klinische Pharmakologie
Tel.: 089 / 5160 – 7331
Fax: 089 / 5160 – 7330
E-Mail: carole.bourquin@med.lmu.de

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Luise Dirscherl idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-muenchen.de/

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