Starker Anstieg der Gelenkoperationen

Eine systematische Auswertung der in der Schweiz vorgenommenen orthopädischen Eingriffe hat aufgezeigt, dass die Anzahl Knie- und Schulteroperationen viel mehr angestiegen ist als das wachsende Durchschnittsalter der Bevölkerung erwarten liesse. Zudem schwanken diese Eingriffe regional sehr stark.

Zu diesem Schluss kommt ein Projekt des Nationalen Forschungsprogramms „Muskuloskelettale Gesundheit – Chronische Schmerzen“ (NFP 53).

In den Jahren 2002 bis 2005 wurden in der Schweiz insgesamt über eine halbe Million Operationen durchgeführt, um den Stütz- und Bewegungsapparat zu erhalten oder wiederherzustellen. Darin inbegriffen sind chirurgische Eingriffe an Hüfte, Wirbelsäule sowie Knie- und Schultergelenken. Nun hat im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms „Muskuloskelettale Gesundheit – Chronische Schmerzen“ (NFP 53) eine Forschungsgruppe in Bern die zeitlichen und regionalen Schwankungen solcher Eingriffe untersucht *.

Über ein Viertel mehr ersetzte Gelenke
Die Wissenschaftler analysierten, wie sich die Anzahl Eingriffe pro Tausend Einwohner während eines Jahres, das heisst die Eingriffsraten, mit der Zeit veränderten. Sie erwarteten aufgrund des wachsenden Durchschnittsalters der Bevölkerung einen leichten Zuwachs der Eingriffe. Den fanden sie bei Operationen vor, die nach Frakturen des Oberschenkelhalses nötig werden.

Zwischen 2002 und 2005 pendelte die Anzahl zwischen 7000 und 7500 solcher Eingriffe pro Jahr. Insgesamt ist die Rate um drei Prozent angestiegen. Sie eignet sich laut den Wissenschaftlern besonders gut, um das wachsende Durchschnittsalter der Bevölkerung abzubilden, weil die Diagnose von Oberschenkelhalsbrüchen eindeutig ist und solche Brüche fast ausnahmslos operiert werden müssen.

Ganz anders sieht es bei der Entwicklung der Gelenkersatzoperationen aus. Während 2002 knapp 19'000 Gelenke ersetzt wurden, waren es 2005 schon mehr als 24'000 solcher Operationen. Im gleichen Zeitraum sind die Eingriffsraten für den Ersatz von Knie und Schulter durch künstliche Gelenke um 36, beziehungsweise 45 Prozent gewachsen – also weit stärker, als aufgrund der Alterung der Bevölkerung zu erwarten gewesen wäre.

Mehr Transparenz in der Versorgung
Die Forscher unterteilten zudem die Schweiz in 83 verschiedene Spitaleinzugsgebiete, und verglichen deren Eingriffsraten. Die Raten für Gelenkersatzoperationen variieren dabei zwischen knapp einem Eingriff pro 1000 Einwohner pro Jahr bis über drei Eingriffe. Eine noch viel stärkere Variation haben die Wissenschaftler bei Raten von Knie- und Schultergelenkspiegelungen – so genannten Arthroskopien – gefunden.

Während die Ärzte in einem Einzugsgebiet beispielsweise nur eines von zehntausend Schultergelenken arthroskopisch untersuchten, fanden andernorts zur selben Zeit knapp 40 solcher Spiegelungen statt.

Dass in einigen Regionen 40 Mal weniger Leute an Schulterproblemen leiden als in anderen, scheint wenig plausibel. Starke Ungleichheiten geben Hinweise für die Ineffizienz des Gesundheitssystems. Die festgestellten Unterschiede verweisen daher auf die Notwendigkeit, allgemein gültige, klinische Richtlinien für orthopädische Eingriffe festzulegen, und dadurch die optimale Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.

Über die Ursachen für die regionale Variation der Eingriffsraten und die Zunahme insbesondere der Gelenkersatzoperationen lässt sich derzeit nur spekulieren. Mit der neu entwickelten Methode steht aber ein zentrales Instrument zur Verfügung, um Ungleichheiten in der medizinischen Versorgung der Schweiz aufzuzeigen. Dieses kann nun auch für weitere Operationen ausserhalb der Orthopädie eingesetzt werden.

* Marcel Widmer, Pius Matter, Lukas Staub, Franziska Schoeni-Affolter, and André Busato: Regional variation in orthopedic surgery in Switzerland. Health & Place (2009), doi:10.1016/j.healthplace.2008.12.009.

Kontakt:
Mathis Brauchbar
Umsetzungsbeauftragter des NFP 53
Tel.: +41 (0)79 407 93 62
E-Mail: brauchbar@advocacy.ch
Nationales Forschungsprogramm „Muskuloskelettale Gesundheit – Chronische Schmerzen“ (NFP 53)

Die Gesundheit des Bewegungsapparats ist für das Schweizer Gesundheitswesen von grosser Bedeutung: Rund ein Drittel aller Arztkonsultationen geht auf Beschwerden im Bewegungsapparat zurück. Das Nationale Forschungsprogramm „Muskuloskelettale Gesundheit – chronische Schmerzen“ (NFP 53) will die Gesundheit des Bewegungsapparats in der Schweizer Bevölkerung erforschen und Möglichkeiten entwickeln, wie diese verbessert werden kann.

Regionale Eingriffsraten für Schulterarthroskopien sind auf folgender Website abrufbar: http:///www.healthatlas.unibe.ch/index.php?id=518

Weiterführende Informationen zur Gesundheitsversorgung in der Schweiz:
http://www.healthatlas.unibe.ch

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Mathis Brauchbar idw

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