Das Nervensterben bei Parkinson aufhalten

Die Parkinson’sche Erkrankung ist die häufigste neurodegenerative Bewegungserkrankung des Menschen und tritt im höheren Lebensalter zunehmend auf. Aufgrund der stetig steigenden Anzahl älterer Menschen nimmt auch die Anzahl der Parkinson-Patienten stetig zu.

Heutige Therapien können nur die motorischen Symptome wie die Bewegungsarmut oder das Muskelzittern lindern, indem sie den Mangel am Botenstoff Dopamin ausgleichen. Die Ursache kann jedoch noch nicht behandelt werden, sodass weiterhin Nervenzellen im Gehirn absterben, die diesen Botenstoff bilden, und die Erkrankung dadurch weiter voranschreitet. Forscher aus der Abteilung Neurologie (Direktor: Prof. Dr. Mathias Bähr) der Universitätsmedizin Göttingen haben nun zeigen können, dass das Absterben von Nervenzellen im Tiermodell deutlich gebremst werden kann. Diese Erkenntnisse könnten einen neuen Ansatz zur Behandlung von Parkinson liefern.

Eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Paul Lingor konnte bereits in früheren Veröffentlichungen zeigen, dass die Hemmung des Enzyms Rho-Kinase zu einem verbesserten Auswachsen von geschädigten Axonen im zentralen Nervensystem führen kann. Axone sind Nervenfortsätze, die für die Weiterleitung elektrischer Impulse von einer Nervenzelle zur anderen sorgen. Bei Parkinson ist diese Weiterleitung gestört, da mit Fortschreiten der Erkrankung immer mehr Nervenzellen absterben. Für die aktuelle Studie modellierten die Göttinger Forscher die Parkinson’sche Erkrankung in einem Zellkulturmodell und übertrugen die Ergebnisse in ein Mausmodell der Parkinson’schen Erkrankung. In einer kürzlich von der Arbeitsgruppe veröffentlichten Untersuchung konnten die Wissenschaftler zeigen, dass durch die Hemmung der Rho-Kinase im zentralen Nervensystem der Maus mehr dopaminerge Nervenzellen in der Substantia nigra überleben. In diesem Bereich des Mittelhirns kommt es bei Parkinson zu einen besonders starken Absterben von dopaminergen Nervenzellen. Die Ergebnisse sind im November 2012 in der renommierten neurologischen Fachzeitschrift „Brain“ erschienen.

Originalpublikation: Lars Tönges, Tobias Frank, Lars Tatenhorst, Kim-Ann Saal, Jan-Christoph Koch, Éva Szegö, Mathias Bähr, Jochen H. Weishaupt, Paul Lingor. Inhibition of rho kinase enhances survival of dopaminergic neurons and attenuates axonal loss in a mouse model of Parkinson's disease. Brain. 2012 November; 135(11): 3355–3370. Published online 2012 October 19. doi: 10.1093/brain/aws254.

„Neben der schützenden Wirkung auf die Zellkörper konnten wir insbesondere nachweisen, dass die funktionell wichtigen Nervenzellfortsätze, die die Signale von einer Nervenzelle zur nächsten weiterleiten, durch die Behandlung mit dem Rho-Kinase-Hemmer Fasudil in ihrer Funktionalität geschützt werden“, erläutert Dr. Lars Tönges, einer der Erstautoren der Publikation und Arzt in der Abteilung Neurologie der Universitätsmedizin Göttingen.

Durch die Behandlung mit dem Wirkstoff Fasudil fand sich im Gehirn der untersuchten Tiere deutlich mehr Dopamin. In der Zellkultur konnte Fasudil geschädigte dopaminerge Nervenzellen besser zum Auswachsen bringen und auch in den Tierversuchen gab es Hinweise auf eine Neubildung der dopaminergen Fortsätze. In Verhaltenstests konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die mit Fasudil behandelten Mäuse besser abschneiden, als die nicht mit Fasudil behandelten Kontrollen.

Das Besondere an den Ergebnissen der Studie der Göttinger Neurologen ist die zweifache Wirkung des Rho-Kinase-Hemmers Fasudil: Einerseits schützt es Nervenzellen und ihre Fortsätze vor dem Absterben und zusätzlich gibt es Hinweise auf eine regenerationsfördernde Wirkung. „Dies ist besonders spannend, da alle bisher zugelassenen Therapien lediglich die Symptome der Parkinson’schen Erkrankung behandeln ohne das Absterben der Zellen wirkungsvoll zu bekämpfen“, so Prof. Dr. Paul Lingor, Senior-Autor der Veröffentlichung und leitender Oberarzt in der Abteilung Neurologie der Universitätsmedizin Göttingen. Da der Wirkstoff Fasudil bereits in Japan ein zugelassenes Medikament zur Behandlung von Komplikationen bei Hirnblutungen ist, könnte es auch bei Patienten in Deutschland in naher Zukunft getestet werden.

WEITERE INFORMATIONEN:
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Abteilung Neurologie, Parkinson-Zentrum Göttingen – Kassel
DFG-Forschungszentrum Mikroskopie im Nanometerbereich und Molekularphysiologie des Gehirns (CNMPB)
Prof. Dr. Paul Lingor, Telefon 0551 / 39-6356 / -6686
Robert-Koch-Str. 40, 37075 Göttingen
plingor@gwdg.de

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Stefan Weller idw

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