Höher, schneller, leichter: Endokrinologen warnen vor Sportlermagersucht

Auch Sportarten wie Turnen oder Synchronschwimmen, bei denen ästhetische Aspekte eine Rolle spielen, begeisterten ein Millionenpublikum. Mitunter hungern die Sportler für den Erfolg und entwickeln daraus eine Sportlermagersucht, genannt Anorexia athletica.

Dass regelmäßige Bewegung und Sport positiv auf Stoffwechsel und Hormone wirken, stehe außer Zweifel, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Eine gesundheitsgefährdende Gewichtsreduktion sei jedoch nicht durch Trainingsziele zu rechtfertigen, so die DGE.

Von Magersucht spricht man, wenn ein Mensch durch eine extreme Diät sehr stark an Gewicht verliert und sein Body-Mass-Index (BMI) weniger als 17,5 beträgt. Der BMI errechnet sich aus Gewicht in Kilogramm geteilt durch Körpergröße zum Quadrat. Bei etwa einem Fünftel aller Jungen und Mädchen im Alter von elf bis 17 Jahren in Deutschland bestehen Hinweise auf Essstörungen, so der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey des Robert Koch-Instituts in Berlin. Etwa jedes dritte Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren ist betroffen. Magersucht, medizinisch Anorexia nervosa genannt, ist die am weitesten verbreitete Essstörung in Deutschland.

Wenn zu den häufig pubertätsbedingten Verunsicherungen in Bezug auf den eigenen Körper noch vermeintlich reale Erwartungen von außen kommen, könne es kritisch werden, warnt Professorin Dr. med. Birgit Friedmann-Bette, Oberärztin an der Abteilung Innere Medizin VII: Sportmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg: „Das Risiko für Essstörungen ist bei Sportlerinnen deutlich erhöht, für deren Erfolg ein niedriges Körpergewicht vorteilhaft ist“, sagt die Expertin. Das betrifft vor allem Athletinnen in ästhetisch-kompositorischen Sportarten wie Rhythmische Sportgymnastik oder Synchronschwimmen – beides auch olympische Disziplinen. Aber auch Skispringer und einige Ausdauerathleten können eine Sportlermagersucht entwickeln. Denn hier wirkt sich ein niedriges Körpergewicht positiv auf die Leistungsfähigkeit aus.

„Die betroffenen Sportlerinnen und Sportler gehen oft ein erhebliches Energiedefizit ein und entwickeln nicht selten gravierende Essstörungen“, sagt Friedmann-Bette.

Professor Dr. med. Dr. h.c. Helmut Schatz, Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie aus Bochum, benennt die Gefahren einer Magersucht mit Blick auf den Hormonhaushalt: „In der Folge treten hormonelle Regulationsstörungen auf, die Knochendichte nimmt ab – bis hin zur Osteoporose mit der Gefahr von Knochenbrüchen.“ Die wichtigste Therapie sei, das Energiedefizit auszugleichen. Das gehe mitunter allerdings mit einer Gewichtszunahme einher, die auch das Ende einer leistungssportlichen Karriere bedeuten könne. Daher sollten Trainer, Ärzte und Sportler in minderschweren Fällen unbedingt auf eine ausreichende Zufuhr von Calcium, Vitamin D und Eiweiß achten.
Um Sportlermagersucht zu verhindern, muss man Sportler, Trainer und das Umfeld aufklären, mahnen die Experten der DGE. Hilfreich wäre zudem, bei Sporttauglichkeitsuntersuchungen auf Symptome der Anorexia athletica zu achten, erläutert Professor Friedmann-Bette: Geringes oder stark schwankendes Körpergewicht, Diäten und/oder Stressfrakturen in der Anamnese sowie bei Frauen und Mädchen Menstruationsstörungen bis hin zum Ausbleiben der Regelblutung. Auch die Sportfachverbände können und sollten durch entsprechende Bestimmungen einwirken. Beim Skispringen ist das schon der Fall: Ist der Sportler sehr leicht und hat einen BMI von unter 20,5 werden seine Skier gekürzt, was ungünstig für „weite Sprünge“ ist.

Literatur:

Nattiv A, Loucks AB, Manore MM, Sanborn CF, Sundgot-Borgen J, Warren MP. American College of Sports Medicine position stand. The female athlete triad. Med Sci Sports Exerc 2007; 39: 1867–82.

Müller W, Groschl W, Müller R, Sudi K. Underweight in ski jumping: The solution of the problem. Int J Sports Med 2006; 27: 926–34.

Endokrinologie ist die Lehre von den Hormonen, Stoffwechsel und den Erkrankungen auf diesem Gebiet. Hormone werden von endokrinen Drüsen, zum Beispiel Schilddrüse oder Hirnanhangdrüse, aber auch bestimmten Zellen in Hoden und Eierstöcken, „endokrin“ ausgeschüttet, das heißt nach „innen“ in das Blut abgegeben. Im Unterschied dazu geben „exokrine“ Drüsen, wie Speichel- oder Schweißdrüsen, ihre Sekrete nach „außen“ ab.

Kontakt für Journalisten:
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
Anna Voormann, Dagmar Arnold
Postfach 30 11 20
70451 Stuttgart
Telefon: 0711 8931-380
Fax: 0711 8931-984
arnold@medizinkommunikation.org

Media Contact

idw

Weitere Informationen:

http://www.endokrinologie.net

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer