Erstmals Gen für Sprachverarbeitung bei der Legasthenie gefunden

An Legasthenie leiden in Europa ca. 22 Millionen Menschen. Nicht lesen und schreiben zu können, trotz Schulbesuch und viel Unterstützung durch die Eltern, belastet viele Kinder in ihrer Entwicklung und führt nicht selten zu Schulabbruch und psychischen Problemen.

Ein deutsches Forschungskonsortium unter der Leitung der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität München bestehend aus dem Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, dem Institut für Humangenetik der Universität Bonn und Life and Brain Zentrum in Bonn, den Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitäten Marburg und Würzburg haben erstmals ein Gen gefunden, das wesentlich die Regulation eines Glukosetransporters im Gehirn steuert und die Sprachverarbeitung bei Kindern mit Legasthenie beeinflusst. Diese Ergebnisse sind ab heute in der Zeitschrift Molecular Psychiatry online verfügbar.

„Dies ist ein Durchbruch in der Legasthenieforschung“ sagt Prof. Gerd Schulte-Körne, „da wir hiermit erstmals eine mögliche Ursache der Legasthenie entdeckt haben. Bereits bei Babies, die ein erhöhtes Risiko für Legasthenie haben, finden sich Veränderungen bei der Sprachwahrnehmung. Nun können wir zeigen, dass die Regulation des Gens SLC2A3 eine zentrale Rolle für die Gehirnfunktionen bei der Legasthenie spielt. Wenn die Funktion dieses Gens beeinträchtigt ist, so finden wir auch im Gehirn eine schwächere Reaktion der Nervenzellen bei der Sprachverarbeitung.“ Diese Studie zeigt, dass ein direkter funktionaler Zusammenhang zwischen Genexpression und beeinträchtigten Hirnfunktionen bei der Legasthenie besteht.

Die Forschungsgruppe wird nun in weiteren Studien untersuchen, ob anhand biologischer Marker Kinder mit einer Legasthenie bereits früher erkannt werden können, bevor die leidvolle Entwicklung vieler Kinder mit einer Legasthenie stattgefunden hat. „Vor allem die Möglichkeit der Prävention und der frühen Intervention sind für uns von zentraler Bedeutung für zukünftige Forschungsvorhaben“, sagt Prof. Gerd Schulte-Körne.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Pettenkoferstr. 8a, 80336 München
Tel. 089/5160-5901, Fax: 089/5160-5902
Email Gerd.Schulte-Koerne@med.uni-muenchen.de
Englisches Abstract:
Dyslexia is one of the most common learning disorders affecting about 5% of all school-aged children. It has been shown that event-related potential measurements reveal differences between dyslexic children and age-matched controls. This holds particularly true for mismatch negativity (MMN), which reflects automatic speech deviance processing and is altered in dyslexic children. We performed a whole-genome association analysis in 200 dyslexic children, focusing on MMN measurements. We identified rs4234898, a marker located on chromosome 4q32.1, to be significantly associated with the late MMN component. This association could be replicated in an independent second sample of 186 dyslexic children, reaching genome-wide significance in the combined sample (P = 5.14e_08). We also found an association between the late MMN component and a two-marker haplotype of rs4234898 and rs11100040, one of its neighboring single nucleotide polymorphisms (SNPs). In the combined sample, this marker combination withstands correction for multiple testing (P = 6.71e_08).

Both SNPs lie in a region devoid of any protein-coding genes; however, they both show significant association with mRNA-expression levels of SLC2A3 on chromosome 12, the predominant facilitative glucose transporter in neurons. Our results suggest a possible transregulation effect on SLC2A3, which might lead to glucose deficits in dyslexic children and could explain their attenuated MMN in passive listening tasks.

Molecular Psychiatry advance online publication, 29 September 2009; doi:10.1038/mp.2009.102

Klinikum der Universität München
Im Klinikum der Universität München (LMU) sind im Jahr 2008 an den Standorten Großhadern und Innenstadt etwa 500.000 Patienten ambulant, poliklinisch, teilstationär und stationär behandelt worden. Die 44 Fachkliniken, Institute und Abteilungen verfügen über mehr als 2.300 Betten. Von insgesamt 9.800 Beschäftigten sind rund 1.700 Mediziner. Forschung und Lehre ermöglichen eine Patientenversorgung auf höchstem medizinischem Niveau. Das Klinikum der Universität München hat im Jahr 2008 etwa 64 Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben und ist seit Juni 2006 Anstalt des öffentlichen Rechts.

Media Contact

Philipp Kressirer idw

Weitere Informationen:

http://www.klinikum.uni-muenchen.de

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