Mammographie: Der elektronische zweite Blick

Computer-gestützte Diagnose Systeme gewinnen in der modernen Röntgen-Diagnostik an Bedeutung. Ihre intelligente Software ist darauf programmiert, minimale verdächtige Veränderungen zu erkennen und zu markieren. Hilfreich ist der „elektronische Hilfsgutachter“ vor allem dann, wenn eine Zweitbefundung notwendig ist, um die Treffsicherheit der Diagnose zu erhöhen. Dies ist etwa bei der Mammographie zur Früherkennung von Brustkrebs der Fall. Die Elektronik soll den Radiologen (Röntgenarzt) nicht ersetzen, sondern ihm dabei helfen, eine Diagnose schneller, einfacher und sicherer zu stellen, betonen Experten auf dem Deutschen Röntgenkongress in Wiesbaden.

Neben der technischen Qualität einer Röntgenaufnahme entscheiden Erfahrung, Wissen und Können des befundenden Arztes über eine korrekte Diagnosestellung. Denn die beste Aufnahme nützt nichts, wenn der Arzt sie nicht richtig interpretiert. Darum befürwortet die Deutsche Röntgengesellschaft bei der Brustkrebs-Früherkennung mittels Mammographie die sogenannte Doppelbefundung – getreu dem Motto: Vier Augen sehen mehr als zwei. So lässt sich die Identifizierung auffälliger Veränderungen in der Brust um bis zu 30 Prozent steigern.

Allerdings ist die Doppelbefundung aufwendig und teuer. Große Hoffnung setzen die Radiologen daher in hochmoderne Computer-gestützte Diagnose-Systeme (CAD = Computer Aided Diagnostic Systems). Deren intelligente Software kann innerhalb weniger Minuten beispielsweise verdächtigen Mikrokalk oder Tumoren erkennen und markieren. Wenn die Systeme ausgereift sind, so meinen Experten, kann ein einziger Radiologe mit geschultem Blick und unterstützt von seinem elektronischen Assistenten die Diagnose alleine und in kürzester Zeit stellen.

Dass der Computer das geschulte Röntgenauge in der Tat nicht ersetzen kann, belegt eine Untersuchung am Institut für Diagnostische Radiologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Eine Arbeitsgruppe um Dr. med. Ulrike Aichinger hat die Mammographien von 200 Patientinnen mit histologisch gesicherten, nicht tastbaren Knoten ausgewertet. Die Wissenschaftler bildeten drei Untersucher-Gruppen mit unterschiedlicher Mammographieerfahrung (von einem bis zu 13 Jahre). Die Röntgen-Aufnahmen wurden zuerst ohne die Hilfe des CAD-Systems, danach mit dessen Daten ausgewertet und mit der Doppelbefundung durch zwei erfahrene Radiologen verglichen. Die Ergebnisse waren eindeutig: Untersucher, die große Erfahrung in der Begutachtung von Mammographien hatten, konnten die vom CAD-System markierten Bereiche häufiger als Tumore erkennen (bis zu 15 Prozent mehr). Weniger geschulte Diagnostiker hielten indes viele Markierungen für einen Tumor, obwohl es keiner war. „Manche der unerfahrenen Untersucher haben die Frauen theoretisch kränker gemacht als sie waren. Diese hätten unnötige Biopsien in Kauf nehmen müssen. Um diesen Eingriff zu vermeiden, ist daher eine kritische Wertung der Computer-gestützten Diagnosen zwingend notwendig. Ein erfahrener Diagnostiker lässt sich auch durch falsch positive Marker nicht beirren“ kommentiert Dr. Aichinger die Ergebnisse der Studie.

Bei der Erlanger Studie wurde für die CAD das Second-Look-SystemTM mit verbesserter Software eingesetzt, bei der die Mammographieaufnahmen vom System gleich eingescannt und markiert werden. Die Forscher verglichen die aktuellen Ergebnisse mit denen einer früheren Studie mit einer älteren Software-Version. Der Vorteil der neuen Software: Sie setzt deutlich weniger falsch-positive Markierungen und markiert häufiger Herde bzw. Tumore. Von vier Markierungen war einer ein Tumor (Verhältnis 4:1). Beim alten System war es gerade umgekehrt: Dies hatte zwar viele Veränderungen im Brustgewebe erkannt und markiert (= hohe Sensitivität), aber nur wenige Tumore ( Verhältnis 10:1) identifiziert (=geringe Spezifität).

Noch schneller funktioniert die Computer-assistierte Diagnostik mittels der digitalen Vollfeldmammographie. Auf einer Sensorplatte wird das Röntgenbild als direkter digitaler Datensatz erstellt, was eine sofortige CAD-Analyse ermöglicht. Bei dieser neuen Methode liegt das Ergebnis dem Radiologen innerhalb von drei bis vier Minuten zusammen mit dem erstellten Röntgenbildern vor. Die Erkennung bösartiger Veränderungen im Röntgenbild durch dieses neue System, hat eine Arbeitsgruppe um Dr. med. Friedemann Baum von der Abteilung Radiologie der Georg-August-Universität Göttingen untersucht. (Erprobt wurde der Senograph 2000 D von General Electric mit der Software von R2, dem ImageChecker, Version 2.3.) Die Forscher überprüften das CAD-System bei 63 diagnostizierten Brusttumoren. Resultat: Die ausschließlich durch Mikrokalk aufgefallenen Tumoren (14) wurden von dem System alle klar erkannt. Die Herdbefunde ohne Mikrokalk wurden zu 81 Prozent entdeckt. Insgesamt lag die ermittelte Sensitivitäts-Rate für alle Tumore bei 87,3 Prozent.

„Dieses CAD-System hat eine höhere Sensitivität für Karzinome als die zuvor getesteten Versionen“, kommentiert Baum. „Die gewissenhafte Detektion von Mikrokalk und der damit verbundene Nachweis von Tumoren ist trotz der hohen Anzahl falsch positiver Markierungen eine große Hilfe. Allerdings ist der Benefit für Herdbefunde ohne Mikrokalk nicht so eindeutig und noch verbesserungsbedürftig. Wenn das System ausgereift ist, besteht die Hoffnung, dass die Zweitbefundung durch einen weiteren Radiologen mittelfristig überflüssig wird.“


Rückfragen Dr. Baum: baumfried@web.de

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Dipl. Biol. Barbara Ritzert idw

Weitere Informationen:

http://www.drg.de/

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