Unterschätzter Nervenkitt

Das gezeigte Bild (farbig und in hoher Auflösung) können Sie <a href="http://www.uni-kl.de/Pressestelle/Bilder.htm"> hier</a> aus dem Internet herunterladen
Lange hielt man sie lediglich für eine Art Leim, der die Nervenzellen zum Gehirn „verklebt“. Doch neueren Untersuchungsergebnissen zu Folge könnten die Gliazellen (im Griechischen heißt Glia Kitt oder Leim) auch eine wichtige Rolle bei der Informationsverarbeitung spielen. Zu diesem Schluss kommt unter anderem die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Joachim W. Deitmer an der Universität Kaiserslautern.
Beim Menschen sind die Gliazellen gegenüber den Neuronen weit in der Überzahl: Fast 90% aller Gehirnzellen zählen zu einem der drei Gliatypen – mehr als bei allen Tieren, die bislang untersucht wurden. Insbesondere an den chemischen Synapsen der Nervenzellen scheint der lange unterschätze Nervenkitt eine wichtige Helferrolle zu spielen.
An chemischen Synapsen wird die Information von einer Nervenzelle auf eine andere Nervenzelle übertragen. Die Zellen sind jedoch durch einen dünnen Spalt voneinander getrennt; daher können die elektrischen Impulse nicht direkt weitergeleitet werden. Stattdessen schüttet die erste Zelle verschiedene Botenstoffe aus, die in der zweiten Zelle wiederum elektrische Impulse auslösen. Hier kommen die Gliazellen ins Spiel: Sie entfernen bestimmte Botenstoffe aus dem synaptischen Spalt und tragen so dazu bei, dass die zweite Nervenzelle nicht dauerhaft erregt wird.
Wie die Arbeitsgruppe Deitmer kürzlich beobachtete, tritt der „Nervenkitt“ möglicherweise auch mit den Neuronen in direkten synaptischen Kontakt. Dabei reagieren die Gliazellen schon auf eine geringe neuronale Erregung mit einer Änderung ihres Membranpotentials. Als Reaktion auf Glutamat und andere Neurotransmitter können Gliazellen zudem intrazellulär Kalzium freisetzen. Dieser Anstieg der Kalziumkonzentration kann sich zumindest in Zellkulturen mit geringer Geschwindigkeit auch auf die benachbarten Gliazellen fortpflanzen und dort für die Freisetzung von Glutamat sorgen, das seinerseits wieder benachbarte Nervenzellen erregen könnte. Sollte dieses Phänomen auch in Gehirngewebe nachgewiesen werden, so würde dies laut Deitmer „einen Quantensprung in der Neurobiologie“ bedeuten. Nicht zuletzt könnten die Ergebnisse das Verständnis der Gehirnfunktion sowie neurologischer Erkrankungen revolutionieren.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Joachim W. Deitmer
Institut für Zoologie
Tel.: 0631/205-2877
Fax: 0631/205-3515
E-Mail: deitmer@rhrk.uni-kl.de
Weitere Informationen finden Sie im WWW:
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit
Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.
Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.
Neueste Beiträge

Wohnen der Zukunft
Architekturprojekt der Hochschule Koblenz erhält Förderung für innovative Wohnkonzepte. Ein studentisches Architekturprojekt der Hochschule Koblenz hat eine Förderung in Höhe von 156.000 EUR vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und…

Geheimnisse der galaktischen Ausströmungen
Bahnbrechende Studie enthüllt Geheimnisse der galaktischen Ausströmungen. Galaxien geben unter Umständen enorme Materiemengen an ihre Umgebungen ab, ausgelöst durch eine Vielzahl von Explosionen massereicher Sterne. Mit dem MUSE-Instrument am Very…

Mit Schallwellen durchs Gehirn
Forschende haben erstmals gezeigt, dass sich Mikrovehikel über Ultraschall durch die Blutgefässe des Gehirns von Mäusen steuern lassen. Dies soll dereinst neue Therapien ermöglichen, mit denen punktgenau Medikamente verabreicht werden….