Prävention gegen Pilze

Gemeinsame Pressemitteilung des Klinikums der Universität zu Köln
und des Klinikums der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Zahl lebensbedrohlicher Pilz- und Hefeinfektionen kann künftig durch eine vorbeugende Behandlung immungeschwächter Hochrisikopatienten mit einem erstmals für diesen Zweck verwendeten Pilzmedikament wirksamer als bisher gesenkt werden. Zu diesem Ergebnis kommen zwei am 25. Januar 2007 im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlichte Studien, die von Medizinern der Universitäten Köln und Mainz initiiert wurden.

In der einen Studie* konnte der Wirkstoff Posaconazol** signifikant mehr Leukämiepatienten unter Chemotherapie vor einer aggressiven Pilzinfektion schützen als bisher verfügbare Medikamente. Vor allem die Häufigkeit der von Ärzten gefürchteten invasiven Aspergillosen*** wurde durch die Prophylaxe mit dem Anti-Mykotikum Posaconazol auf ein Siebtel reduziert. Zugleich sank die Sterblichkeit der Patienten mit akuter Leukämie von 21,5 Prozent in der Vergleichsgruppe, die mit den bisherigen Standardmedikamenten behandelt wurden, auf 14,5 Prozent. Daraus ergibt sich, dass in der Studie 14 Patienten vorbeugend mit Posaconazol behandelt werden mussten, um ein Leben zu retten.

„Lungenentzündungen durch Schimmelpilze waren bisher bei Leukämiepatienten eine sehr häufige Komplikation“, sagt Oliver Cornely von der Klinik I für Innere Medizin der Universitätsklinik Köln und Erstautor einer der Studien im New England Journal of Medicine. „Seit wir die vorbeugende Behandlung mit Posaconazol vor einem Jahr an der Uniklinik Köln eingeführt haben, ist nur bei einem Patienten eine Aspergillose trotz Prophylaxe aufgetreten.“

In der anderen Studie**** mit dem Erstautor Andrew Ullmann von der III. Medizinischen Klinik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz konnte Posaconazol invasive Aspergillusinfektionen auch bei Patienten nach einer allogenen Knochenmarktransplantation verhindern, deren Immunsystem aufgrund einer Abstoßungsreaktion massiv unterdrückt werden musste (Graft versus Host Disease). Die Gefahr tödlicher Pilzinfektionen ist in dieser Patientengruppe besonders hoch. Auch in dieser Studie starben durch die Prophylaxe mit Posaconazol weniger Patienten an invasiven Pilzinfektionen. „Da lebensbedrohliche Pilzinfektionen für Patienten nach allogener Stammzelltransplantation oft tödlich verlaufen, existiert weltweit ein dringender Bedarf an einer wirksamen und verträglichen vorbeugenden Behandlung“, sagt Andrew Ullmann von der Universitätsklinik Mainz. „Künftig können wir erstmals Hochrisikopatienten prophylaktisch behandeln, so lange sie dies brauchen“. Der Arzt könne sich damit auf die Krebserkrankung der Patienten statt auf den Kampf gegen Pilzinfektionen konzentrieren.

Gefürchtete Pilzinfektionen in der Lunge, Sterblichkeit 80 Prozent

Invasive Pilzerkrankungen, vor allem die gefürchteten Aspergillosen der Lunge, treten bei etwa einem Drittel der Patienten mit akuter Leukämie auf; meist, weil deren Immunsystem durch die Chemotherapie stark geschwächt wird. Die Sterblichkeit durch eine aggressive Aspergillose beträgt bis zu 80 Prozent. Die Behandlung von Aspergillosen dauert Monate und verhindert oft die dringend nötige Therapie des Blutkrebses. Auch nach Knochenmarktransplantationen sind lebensbedrohliche Schimmelpilze gefürchtete Erreger.

Für Ärzte besteht in der Praxis die Hauptschwierigkeit darin, eine lebensbedrohliche Pilzinfektion ihrer Patienten rechtzeitig zu entdecken. Oft kündigt sie sich nur durch Fieber an und kann, etwa in der Lunge, meist nur durch aufwendige diagnostische Methoden enttarnt werden. Behandeln Ärzte Pilzinfektionen mit Aspergillus zu spät, versagt oft die medikamentöse Therapie der Patienten; behandeln sie dagegen zu früh, drohen Nebenwirkungen der Arzneimittel bei Kranken, die überhaupt nicht mit den aggressiven Pilzen infiziert sind. Da mehr und mehr Patienten nach einer Chemotherapie ihrer Krebsleiden vorübergehend eine schwere Neutropenie***** entwickeln, dürften die beiden Studien direkten Einfluss auf die klinische Praxis haben, indem sie erstmals Richtlinien zur vorbeugenden Behandlung von Pilzinfektionen beeinflussen.

Denn die beiden Studien zeigen auch, dass Posaconazol insgesamt gut vertragen wird. Ernste Nebenwirkungen, deren Zusammenhang mit der Studienmedikation als möglich oder wahrscheinlich eingestuft wurde, lagen zwar bei 6 Prozent gegenüber 2 Prozent der Patienten in der Vergleichsgruppe vor. Die Studientherapie sei aber bei mit Posaconazol behandelten Patienten „nicht häufiger vorzeitig abgebrochen worden als unter der Standardprophylaxe“, betont Cornely. Damit sei sie aufgrund der beiden Studien nicht nur nachweislich wirksam, sondern auch sicher.

Hintergrundinformationen

* „Posaconazole versus Fluoconazole or Itraconazole Prophylaxis in High-Risk Patients with Neutropenia“; Oliver A. Cornely et al, N Engl J Med 356; 4, p348, January 25, 2007
** Posaconazol ist ein Arzneimittel der US-Firma Schering Plough und wird in Deutschland von deren Tochterfirma Essex Pharma vertrieben. Auf der Grundlage der nun im NEJM publizierten Ergebnisse wurde es im Oktober 2006 von der Europäischen Kommission zugelassen für die antimykotische Prophylaxe bei Hochrisikopatienten.
*** Aspergillus-Spezies sind typische Vertreter von Schimmelpilzen, die sich besonders bei Körpertemperatur wohl fühlen. Sie zählen neben den Hefepilzen zu den häufigsten Krankenhauspilzen. Mediziner fürchten vor allem Erreger vom Typ Aspergillus fumigatus.
**** „Posaconazole or Fluconazole for Prophylaxis in Severe Graft-versus-Host Disease“; Andrew J. Ullmann et al; N Engl J Med 356; 4, p335, January 25, 2007

***** Neutropenie beschreibt die Verminderung neutrophiler Granulozyten im Blut. Sie ist die häufigste Form der Abnahme der Zahl der weißen Blutkörperchen und bewirkt damit eine Schwächung des Abwehrsystems.

Kontakt für nähere Informationen:

Privatdozent Dr. Oliver Cornely
Oberarzt der Klinik I für Innere Medizin
Klinikum der Universität zu Köln
Tel 0221 478 6494, Fax 0221 478 3611
Dr. Andrew J. Ullmann
Oberarzt der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik
Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel 06131 17 6564, Fax 06131 17 47 6564
Pressekontakt Uniklinik Köln
Markus Lesch
Klinikum der Universität zu Köln, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: 0221 478 5745, Fax: 0221 478 51518
pressestelle@uk-koeln.de
Pressekontakt Uniklinik Mainz
Dr. Renée Dillinger
Pressestelle des Klinikums der Johannes Gutenberg-Universität
Telefon: 06131 17 7424, Fax 06131 17 3496
presse@vorstand.klinik.uni-mainz.de

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Petra Giegerich idw

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