"Gesunde Kekse"-Maßgeschneiderte Nahrung für Darmbakterien
In unserem Darm herrscht ein harter Überlebenskampf, denn sowohl für den Menschen nützliche als auch ihm schadende Mikroorganismen konkurrieren miteinander. Je mehr durch Nahrung Einfluss zugunsten der positiv wirkenden Kleinstlebewesen genommen wird, desto weniger können sich Bakterien durchsetzen, die dem Menschen schaden. Im Rahmen eines Verbundprojektes unter Leitung von Thomas Henle, Professor für Lebensmittelchemie an der Technischen Universität Dresden, wird momentan der präbiotisch wirkende Mehrfachzucker Inulin und dessen Modifikation durch biotechnologische Verfahren und Backprozesse untersucht.
Bereits abgeschlossene Forschungen haben gezeigt, dass das Reservekohlenhydrat Inulin gesundheitsfördernden Einfluss auf die Darmflora hat, in dem es das Wachstum milchsäureproduzierender Bakterien fördert. Im Unterschied zu herkömmlichen probiotischen Produkten, die vor allem kurzfristig wirken, kann das Fructosepolymer Inulin sogar eine Langzeitwirkung entfalten. Die Zuckerart kommt in der Natur in Zichorienwurzeln, Schwarzwurzeln und in Topinambur – einer der Sonnenblume ähnlichen Pflanze – vor und muss erst durch Membranfiltration von anderen Inhaltstoffen getrennt werden, bevor man damit Lebensmittel anreichern kann.
Allerdings ist der Zucker mit einer natürlichen Kettenlänge von bis zu 100 Molekülen für die Darmbakterien zu lang. Die Zeit, in der es den menschlichen Darm der Länge nach durchwandert, reicht nicht aus, damit die Bakterien das Inulin in verwertbare Molekülgrößen zerlegen können. Deshalb entwickelten die Wissenschaftler eine Methode, den Mikroorganismen ein quasi maßgeschneidertes Inulin anzubieten. Mithilfe von Enzymen, die aus Pilzen und Bakterien gewonnen wurden, konnte man die Moleküle teilen und das Inulin auf eine physiologisch günstige Länge von drei bis zehn Molekülen reduzieren. Diese können dann von den Mikroorganismen im Darm deutlich effizienter verwertet werden.
Durch Zufall hat die Arbeitsgruppe von Professor Henle außerdem entdeckt, dass nach Erhitzen während des Backvorgangs aus Inulin chemische Verbindungen entstehen, die sich weitaus positiver auf die Darmflora auswirken können als der Ausgangsstoff selbst. Dabei handelt es sich um sogenannte Difructosedianhydride, also aus zwei Fructosemolekülen bestehende Spaltprodukte des Inulins, die der menschliche Körper nur mit Hilfe der Darmbakterien verwerten kann und die in der Folge beispielsweise die Calciumaufnahme verbessern können. Die Lebensmittelchemiker vermuten, dass sich die Mikroorganismen im menschlichen Darm im Laufe der Evolution daran angepasst haben, bestimmte Verbindungen gekochter oder gebratener Nahrung zu verarbeiten. Als Resultat dieser Symbiose könnten spezifische Reaktionsprodukte, die aus dem Erhitzen von Lebensmitteln resultieren, vom menschlichen Körper besser genutzt werden.
Jetzt versuchen die Wissenschaftler, die Bioaktivität des Inulins durch optimierte Backprozesse gezielt zu verbessern. Anschließend soll es als Zusatzstoff von trocken gebackenen Lebensmitteln eingesetzt werden und deren ernährungsphysiologischen Wert erhöhen. Sogar der Genuss von Keksen könnte so gesundheitsfördernd sein.
Die Forschungen finden im Zusammenarbeit mit Harald Rohm, Professor für Lebensmitteltechnik an der TUD und Thomas Bley, Professor für Bioverfahrentechnik an der TUD, statt. Weitere Kooperationspartner sind das Institut für Bakteriologie der Universität Leipzig sowie die Liven GmbH und die Dr. Quendt Backwaren GmbH. Finanziert wurden die Untersuchungen über das Netzwerk BioMeT Dresden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Informationen für Journalisten: Prof. Dr. rer. nat. Dr.-Ing. habil. Thomas Henle
Tel. 0351 463-34647, 0172 8618267, E-Mail: thomas.henle@chemie.tu-dresden.de
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