Hodgkin-Lymphom-Zellen: Paradebeispiel für Umprogrammierung

Das Erscheinungsbild der Hodgkin-Lymphom-Zellen hat Pathologen viele Jahre Rätsel aufgegeben. Erst rund 160 Jahre nach der Beschreibung der Krankheit durch den Briten Thomas Hodgkin (1832) fanden Wissenschaftler 1994 heraus, dass der nach ihm benannte Lymphdrüsenkrebs von weißen Blutzellen, den B-Zellen, abstammt. Die Identifizierung der Ursprungszelle für das Hodgkin-Lymphom dauerte deshalb so lange, weil sie alle Merkmale, welche an eine B- Zelle erinnern, verloren hat, ein unter B-Zell-Lymphomen einzigartiger Prozeß. Jetzt haben Forscher des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch und der Charité – Universitätsmedizin Berlin (Campus Virchow und Campus Buch) einen molekularen Mechanismus beschrieben, welcher erklärt, warum Hodgkin-Lymphom-Zellen ihr äußeres Erscheinungsbild völlig verändern, und sich Merkmale anderer Zelllinien aneignen, also reprogrammiert werden. Die Arbeit von Dr. Stephan Mathas, Dr. Martin Janz und Prof. Bernd Dörken ist jetzt vorab online in Nature Immunology (doi:10.1038/ni1285)* erschienen. Ihre Arbeit hilft auch zu verstehen, wie die normale, bzw. maligne Entwicklung von B-Zellen verläuft.

Die verschiedenen weißen Blutzellen entwickeln sich wie die roten Blutzellen und Blutplättchen aus den Blutstammzellen im Knochenmark. Die Entwicklung wird von bestimmten Genschaltern (Transkriptionsfaktoren) gesteuert. Für menschliche Blutzellen galt bislang, dass ein einmal eingeschlagener Entwicklungspfad zu einer bestimmten Blutzelllinie beibehalten und nicht mehr verlassen werden kann. Tierversuche mit Mäusen haben jedoch gezeigt, dass ausgereifte B-Zellen die Fähigkeit zurück erhalten können, sich wieder in verschiedene Blutzelllinien zu entwickeln, also reprogrammiert zu werden. Bis dato war unklar, ob bei Blutzellen des Menschen während der Zellreifung oder bei der Krebsentstehung ähnliche Prozesse einer solchen „Umdifferenzierung“ ablaufen können.

Jetzt konnten die Forscher aus der Gruppe von Prof. Dörken zeigen, dass in den aus B-Zellen hervorgegangenen Hodgkin-Reed-Sternberg- Zellen das Programm, das die Reifung der B-Zellen steuert sowie für die Aufrechterhaltung der B-Zell Identität verantwortlich ist, gestört ist. Einer der zentralen Regulatoren des B-Zell spezifischen Genexpressionsprogramms, E2A genannt, wird in den Hodgkin- Lymphom-Zellen von zwei Gegenspielern, Id2 und ABF-1, blockiert. Die Forscher haben gezeigt, dass es durch diesen Mechanismus in B- Zellen zu einer Unterdrückung von B-Zell Merkmalen kommen kann. Darüber hinaus, so die Forscher weiter, werden durch die von Id2 und ABF-1 vermittelte Blockade von E2A in den Hodgkin-Lymphom-Zellen stattdessen Gene für Marker von Freßzellen (Makrophagen) und T- Zellen angeschaltet, die nicht typisch für die B-Zell-Entwicklung sind. Diese Defekte in den Hodgkin-Lymphom-Zellen liefern somit eine Erklärung für das einzigartige Erscheinungsbild der Erkrankung. „Damit sind die Hodgkin-Lymphom-Zellen ein Paradebeispiel für den Prozeß der Umprogrammierung einer Tumorzelle im Menschen“ erläutern Dr. Mathas und Dr. Janz.

* Intrinsic inhibition of E2A by ABF-1 and Id2 mediates reprogramming of neoplastic B cells in Hodgkin lymphoma

Stephan Mathas1,2*, Martin Janz1,2*, Franziska Hummel2, Michael Hummel3, Brigitte Wollert-Wulf2, Simone Lusatis2 , Ioannis Anagnosto-poulos3, Andreas Lietz2, Mikael Sigvardsson4, Franziska Jundt1,2, Korinna Jöhrens3, Kurt Bommert2, Harald Stein3 and Bernd Dörken1,2

1Max-Delbruck-Center for Molecular Medicine, Robert-Rossle-Str. 10, 13125 Berlin; 2Hematology, Oncology and Tumorimmunology, Charite, Medical University Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Campus Berlin- Buch, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin; 3Institute for Pathology, Charite, Medical University Berlin, Campus Benjamin Franklin, 12200 Berlin; 4Department for Hematopoietic Stemcell Biology, Stemcell Center, Lund University, S221 84 Lund, Sweden

*These authors contributed equally to this work

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