Lokale Chemotherapie gegen Rezidive bösartiger Hirntumoren

Erste Schritte zu hoffnungsvollen Therapieansätzen

Neue Therapieansätze gegen Rezidive von bösartigen Hirntumoren hat die Klinik für Neurochirurgie des HELIOS Klinikums Berlin-Buch unter der Leitung von Prof. Dr. med. Jürgen Kiwit in Kooperation mit dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch (MDC) entwickelt. Dazu wurden in diesem Jahr (Mai und September 2005) zwei wissenschaftliche Arbeiten in dem renommieren Fachjournal Journal of Neuro-Oncology veröffentlicht.

An Hirntumoren sterben in Deutschland jährlich etwa 4.000 bis 5.000 Menschen. Die bösartigen Hirntumoren leiten sich von den Stützzellen des Gehirnes ab. Die meisten Patienten mit Glioblastomen, dem häufigsten Hirntumor, überleben die Erkrankung meistens nur ein Jahr – trotz einer intensiven Kombinationstherapie von Operation, Bestrahlung sowie paralleler oder anschließender Chemotherapie. Nur etwa fünf Prozent der Patienten überleben den Hirntumor durchschnittlich um zwei Jahre.

Das Hauptproblem ist die Aggressivität der Tumorzellen, die sich sehr früh im gesunden Hirngewebe festsetzen. Dort entziehen sie sich im Schutz der Blut-Hirn-Schranke einer Therapie mit systemisch applizierten wasserlöslichen Chemotherapeutika. Auch nach einer ausgedehnten operativen Tumorentfernung verbleiben einzelne Tumorzellnester in der Umgebung der Resektion und führen zum erneuten und unausweichlichen Ausbrechen der Erkrankung.

Die Bucher Ärzte und Wissenschaftler haben eine Wirkstoffkombination der beiden verbreiteten Cytostatika Taxol und Carboplatin in liquide kristalline kubische Phasen (CuboSphere) eingebracht, die aufgrund ihrer wässrigen und hydrophoben Komponenten sowohl das hydrophile Carboplatin als auch das lipophile Taxol in Lösung halten. Aus dieser Matrix können im Zuge des biologischen Abbaus der aus Monoolein bestehenden Phasen die beiden Wirkstoffe nach Implantation über einen Zeitraum von einigen Stunden bis wenigen Tagen freigesetzt werden.

Tierexperimente mit Ratten, die von Dr. Kajetan von Eckardstein (HELIOS Klinikum Berlin-Buch) durchgeführt wurden, stützen hoffnungsvolle Therapieansätze. Ratten, die mit einer Matrix aus Taxol und Carboplatin behandelt wurden, überlebten die Erkrankungen nicht nur länger, auch die Tumoren waren kleiner. Beide Wirkstoffe waren noch in einer Distanz von mindestens 3mm um den Implantationsort nachweisbar.

Im Rahmen einer anschließend durchgeführten klinischen Pilotstudie wurde Patienten mit einem nachwachsenden und somit austherapierten Glioblastom die Behandlung als individueller Heilversuch angeboten. Die Patienten, die im Rahmen der zweiten Operation nach der Tumorentfernung eine Implantation mit den Taxol- und Carboplatin-Phasen erhielten, überlebten im Mittel weitere 193 Tage. „Diese Überlebenszeit liegt deutlich über den bisher publizierten Literaturdaten“, berichtet Prof. Kiwit.

Allerdings kam es in einigen Fällen vorübergehend zu einer deutlichen Hirnschwellung. Dagegen wurden systemische toxische Reaktionen außerhalb des Gehirns (blutbildende Organe, Darm, Schleimhäute und Häute) nicht beobachtet. Zu einer Ausschwemmung der Substanzen in das Blut kam es nicht. Eine Ausschwemmung in das Nervenwasser wurde bei einer Patientin beobachtet.

„Wir vermuten“, so die Schlussfolgerung von Prof. Kiwit, „dass mit dem Einsatz der mit Taxol und Carboplatin beladenen kristallinen kubischen Phasen eine weitere Überlebenszeitverlängerung für Glioblastompatienten bei moderatem Nebenwirkungsspektrum möglich sein kann“. Der Berliner Neurochirurg und klinische Neuroonkologe plant derzeit mit seinen Mitarbeitern eine klinische Studie mit dem Ziel, die Überlegenheit des vorgestellten Systems zu belegen

Pressekontakt:
HELIOS Klinikum Berlin
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