Hormontherapie – Fluch oder Segen?

Die letzte Regelblutung (Menopause) markiert im Leben vieler Frauen einen tiefen Einschnitt und den Beginn einer neuen Lebensphase. Dadurch dass die Eierstöcke ihre Arbeit einstellen und nach und nach weniger Hormone produzieren, kommt es vielfach zu belastenden Folgeerscheinungen wie etwa Hitzewallungen oder Schlafstörungen. Gleichzeitig steigt das Risiko für Osteoporose (Knochenschwund) und Herzinfarkt. Wurden zur Behandlung der Beschwerden und Vorbeugung von Erkrankungen noch bis vor wenigen Jahren bedenkenlos Hormone verschrieben, so haben Ergebnisse großer wissenschaftlicher Studien mittlerweile spürbar am Renommee dieser einstigen Allzweckwaffe gekratzt. So wurden die Empfehlungen der deutschsprachigen Fachgesellschaften zur Hormontherapie in den Wechseljahren grundsätzlich überarbeitet, was bei den Frauenärzten zu größerer Zurückhaltung bei der Verschreibung entsprechender Präparate und bei vielen Frauen zu einem Run auf pflanzliche Alternativen geführt hat. Über aktuelle Forschungsergebnisse und den neuesten Stand der Behandlung von Frauen im Klimakterium informieren sich an die 200 Mediziner vom 17. bis 18. Juni 2005 beim Kongresse der Deutschen Menopause Gesellschaft am Universitätsklinikum Münster (UKM).

Wie Tagungsleiter Prof. Dr. Ludwig Kiesel, Direktor der Frauenklinik des UKM und amtierender Präsident der Deutschen Menopause Gesellschaft, einräumt, haben vor allem die im Juli 2002 veröffentlichten Ergebnisse der „Women’s Health Initiative (WHI)“ Zweifel an der schützenden Wirkung einer langfristigen Hormontherapie aufkommen lassen. Allerdings dürfen diese Daten nicht verallgemeinert werden, wie er nachdrücklich herausstellt. So habe beispielsweise das mittlere Alter der Studienteilnehmerinnen bei 63 Jahren gelegen. Darüber hinaus verweist Kiesel auf erst in 2004 veröffentlichte weitere Ergebnisse besagter Studie, laut derer das Brustkrebsrisiko bei alleiniger Östrogen-Therapie sogar geringer ist als bei Frauen ohne Hormonersatz. Gleichwohl bleibe der Grundtenor der Empfehlungen unverändert: Ein „Ja“ für die Hormontherapie zur Beseitigung akuter klimakterischer Beschwerden – ein „Nein“ für diese Therapie zur Prävention und Therapie chronischer Erkrankungen als Folge des Hormonmangels. Dies hat dazu geführt, dass eine Hormontherapie zur Zeit nicht als Medikament der Wahl zur Osteoporose-Behandlung und -Prophylaxe eingesetzt wird, obwohl ein positiver Einfluss auf Knochenschwund und Knochenbruch-Risiko eindeutig nachgewiesen ist.

Im Zuge der Negativschlagzeilen über die Hormontherapie ist eine stetig wachsende Nachfrage nach alternativen Behandlungsmöglichkeiten zu beobachten. Im Zentrum des Interesses stehen hierbei so genannte Phytoöstrogene. Dies sind pflanzliche Substanzen, die eine strukturelle Ähnlichkeit mit den Östrogenen aufweisen. Am weitesten verbreitet sind dabei Isoflavone. Als Quelle für diese pflanzlichen Östrogene wird am häufigsten Soja verwendet. Nach Worten von Dr. Petra Stute, Leiterin der Menopause-.Sprechstunde an der Frauenklinik des UKM, gibt es Hinweise darauf, dass eine Phytoöstrogen-reiche Diät bei Frauen in den Wechseljahren unter anderem günstige Wirkungen auf Hitzewallungen und Fettstoffwechsel haben kann und möglicherweise vor der Entwicklung einer Arteriosklerose schützt. Im Jahre 1999 wurde von der amerikanischen Arzneimittelaufsicht (FDA) die Einnahme von 25 Gramm Sojaprotein pro Tag in Kombination mit einer an Cholesterol und gesättigten Fettsäuren armen Diät zur Senkung des Risikos von Herzgefäßerkrankungen empfohlen.

Der Einfluss der Sojabohne und isolierter Isoflavone auf den Knochenstoffwechsel sind Ziel momentaner Untersuchungen. Allerdings werden mögliche positive Einflüsse laut Stute eher als gering eingeschätzt. Negative Effekte auf das Brustdrüsengewebe seien nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand dagegen unwahrscheinlich. Denn die Dosierungen, die zur Behandlung klimakterischer Beschwerden eingesetzt werden, liegen im Bereich der durchschnittlichen lebenslangen Isoflavon-Aufnahme von Asiatinnen, deren normale Ernährung reich an solchen Stoffen ist. Auch für Frauen mit Brustkrebs fehlen klinische Daten für Empfehlungen. In einem kritischen Artikel der internationalen Fachliteratur aus dem Jahre 2001 heisst es, dass Frauen nach Brustkrebs Sojaprodukte weiter anwenden können. Nach gegenwärtiger Datenlage schient vielmehr sogar eine Senkung der Mammakarzinom-Inzidenz durch Isoflavone möglich zu sein. Offen bleibt laut Stute die Frage der notwendigen Dosierung sowie des Beginns und der Dauer der Behandlung.

Eine weitere, häufig eingesetzte pflanzliche Substanz ist die Traubensilberkerze, über deren Stellenwert bei der Tagung in Münster ebenfalls diskutiert wird. Mit entsprechenden Präparaten können klimakterische Beschwerden können zwar abgemildert werden, sind jedoch meist nicht komplett zu beseitigen. Neuere Daten zeigen, dass die Kombination von Traubensilberkerze mit Johanniskraut einen positiven Effekt auf depressive Stimmungsschwankungen ausübt. Der Einfluss auf das Brustgewebe und -krebs ist dagegen noch weitestgehend unbekannt, da es auch hier noch an seriösen, aussagekräftigen wissenschaftlichen Studien mangelt.

Trotz aller Kritik am Einsatz von Hormonen nach der Menopause, werden dennoch weiterhin Hoffnungen vor allem im Bereich „Anti-Aging“ und Lebensqualität daran geknüpft. Im Vordergrund steht dabei die Frage nach der Prävention der Altersdemenz, wie zum Beispiel die Alzheimersche Erkrankung. Nach den Ergebnissen der „WHI Memory Study“ erhöht eine Östrogen-Gestagen-Therapie das Demenzrisiko. Somit sei die Anwendung einer kombinierten Hormontherapie zur Prävention der Demenz bei bisher nicht erkrankten Frauen ab 65 Jahren nicht zu empfehlen, wie Kiesel betont. Für Frauen in den frühen Wechseljahren sei die Datenlage im Hinblick auf eine Prävention der Altersdemenz dagegen noch ungenügend. In Anbetracht der mit einer Hormontherapie verbundenen Risiken rechtfertige der theoretische Benefit die Anwendung nicht. Frauen, die bereits an einer Demenzerkrankung leiden, profitieren ebenfalls nicht von einer Hormontherapie. Bei Frauen mit wiederkehrenden Depressionen ist dagegen laut Kiesel auch im depressions-freien Intervall eine Hormontherapie mit Östrogen im frühen Stadium der Menopause sinnvoll, da es die Wirkung moderner Antidepressiva verstärkt. Im höheren Alter habe der Einsatz von Östrogenen hingegen den Nachteil, dass das Risiko kognitiver Einschränkungen und einer beschleunigten Demenz erhöht wird und damit den Vorteil einer zusätzlichen antidepressiven Wirkung übersteigt.

Ein häufig beklagtes Symptom bei Frauen in den Wechseljahren ist ein Verlust der Libido. Verschiedene Substanzen wie Östrogene, Tibolon, männliche Hormone und „Viagra für die Frau“ wurden hierbei untersucht. Neben der lokalen Behandlung mit Östrogenen erscheint die Gabe von Testosteron vielversprechend zu sein: Erste Daten aus den USA zur Behandlung von Frauen mit Libidostörung nach einer operativen Entfernung der Eierstöcke zeigen einen positiven Effekt; eine weitere Studie zum Einsatz von Testosteron bei Frauen mit Libidoverlust nach der natürlichen Menopause ist noch nicht abgeschlossen. Zur Zeit sind jedoch beiden Substanzen für die Behandlung weiblicher Libidostörung noch nicht zugelassen. Auch über dieses Thema wird beim Kongress der deutschen Menopause Gesellschaft in Münster eingehend diskutiert.

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Jutta Reising idw

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