Deutlich mehr Depressive im trüben Herbst? Ein Irrtum! "Herbst-Winter-Depression" ist selten

Im Herbst werden die Tage kürzer und dunkler, das schlägt vielen Menschen auf die Stimmung. Eine vorübergehende gedrückte Stimmung gehört jedoch zum Leben dazu und ist noch keine Depression im medizinischen Sinne. Depressive Erkrankungen treten das ganze Jahr über auf und nehmen insgesamt in Herbst und Winter nur unwesentlich zu. Lediglich die „Saisonal Abhängige Depression“, eine eher seltene Unterform depressiver Erkrankungen, tritt regelmäßig in diesen Jahreszeiten auf.

Unter „Saisonal Abhängiger Depressionen“ (SAD) wird eine Unterform der depressiven Erkrankung verstanden, die regelmäßig zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jahr auftritt (meist im Herbst). Circa ein Prozent der Allgemeinbevölkerung ist davon betroffen.

Im Vordergrund dieser Depressionsform steht das Erleben mangelnder Energie und verminderten Antriebs, aber auch viele andere Symptome, die sonst üblicherweise bei depressiven Erkrankungen auftreten, wie eine niedergedrückte Stimmung, Schuldgefühle und Freudlosigkeit. Im Unterschied zu allen anderen Formen von Depressionen geht die Saisonal Abhängige Depression aber nicht mit Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust einher. Ganz im Gegenteil verspüren Betroffene Heißhunger auf Süßes und nehmen so eher an Gewicht zu als ab. Patienten, die an dieser Form der Depression leiden, spüren außerdem ein vermehrtes Schlafbedürfnis und nicht hartnäckige Schlafstörungen wie andere depressiv Erkrankte.

Welche Rolle spielt das Licht bei Saisonal Abhängigen Depressionen?

Verantwortlich für die Saisonal Abhängige Depression könnte der Mangel an natürlichem Tageslicht sowie die verminderte Lichtintensität in den dunkleren Monaten sein. Auch die verkürzte Sonneneinstrahlung könnte ein Auslöser sein. Durch den Lichtmangel in der dunklen Jahreszeit werden bestimmte biochemische Veränderungen im Gehirn ausgelöst, die mit verantwortlich für die Depression sein könnten. Licht wirkt auf die Produktion des körpereigenen Hormons Melantonin, das unter anderem den Schlaf- und Wachrhythmus des Körpers beeinflusst. Während der dunkleren Jahreshälfte wird vermehrt Melatonin gebildet, das dazu führen könnte, dass manche Menschen sich zunehmend schlapp und schläfrig fühlen. – Eindeutig belegt ist dies jedoch bisher nicht.

Für den Laien ist es schwer zu erkennen, ob er an einer Saisonal Abhängigen Depression leidet oder ob es sich nur um eine Verstimmung handelt. „Wer mehr als zwei Wochen mehrere der oben genannten Symptome bei sich beobachtet und darunter massiv leidet, sollte zur genaueren Abklärung auf alle Fälle einen Arzt aufsuchen“ rät Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Psychiater an der Ludwig Maximilians-Universität München und Sprecher des Kompetenznetzes Depression, Suizidalität. Dies kann der Hausarzt sein, wenn zu ihm ein Vertrauensverhältnis besteht. Experten für Depression sind Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapeuten. Als ersten Check können Betroffene im Internet unter www.kompetenznetz-depression.de einen Selbsttest machen.

Wie wird eine Saisonal Abhängige Depression behandelt?

Eine Saisonal Abhängige Depression wird so wie alle anderen Depressionsformen auch behandelt, nämlich mit Hilfe von antidepressiv wirksamen Medikamenten und/ oder Psychotherapie. Patienten, die unter dieser Form der Depression leiden, profitieren allerdings oft zusätzlich von einer gezielten Lichttherapie. Indem man mit sehr hellen Lichtquellen (am wirkungsvollsten mit ca. 10.000 Lux) diesen Lichtmangel ausgleicht, versucht man ein Abklingen der depressiven Symptome zu erreichen. Bei vielen Patienten ist dies recht wirkungsvoll, oft lässt sich allerdings mit Lichttherapie allein die Depression nicht ausreichend behandeln.

Sich vor seine Schreibtischlampe zu setzen nutzt überhaupt nichts; die Lichtleistung, die mit herkömmlichen Lampen erreicht wird, ist viel zu niedrig. Ein langer Spaziergang in der Herbstsonne dagegen ist ideal, selbst an einem trüben Novembertag bekommt der Patient draußen tagsüber ausreichend Lux ab. Guter Begleiteffekt ist außerdem frische Luft und Bewegung, die sich zusätzlich positiv auswirken können. Teure Lichtlampen sind folglich nicht notwendig. Wer allerdings keine Zeit für Spaziergänge hat, kann in manchen psychiatrischen Praxen ambulant eine Lichttherapie beginnen. So entfallen die doch recht hohen Anschaffungskosten für eine spezielle Lampe. Eine Lichttherapie sollte in jedem Falle mit dem Arzt besprochen werden.

Eine depressive Verstimmung ist nicht behandlungsbedürftig

Im Gegensatz zur depressiven Erkrankung ist eine leichtere depressive Verstimmung nicht behandlungsbedürftig. Der Betroffene selbst kann jedoch einiges tun, um seine Stimmung zu verbessern: Bewegung, am besten regelmäßig an der frischen Luft und eine ausgewogene Ernährung sind zu empfehlen. Wichtig ist auch, sich nicht zu sehr zurückzuziehen, sondern auch in der dunklen Jahreszeit soziale Kontakte zu pflegen.

Kontakt:

Kompetenznetz Depression, Suizidalität
Anke Schlee
Psychiatrische Klinik der Ludwig Maximilians-Universität München
Nußbaumstraße 7, 80336 München
Tel. 089/ 5160-5553 Fax 089/ 5160-5557
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