Biodegradable Polymersysteme in der Kopf/Hals-Chirurgie
Angiogenese und Wundheilung an neuartigen polymerbasierten Biomaterialien
Für ihre Arbeiten zur Angiogenese und Wundheilung an neuartigen polymerbasierten Biomaterialien ist Dr. Dorothee Rickert, Zentralinstitut für Biomedizinische Technik (ZIBMT), Abteilung Biomaterialien, der Universität Ulm, von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Mikrozirkulation und Hämorheologie mit dem Otfried-Müller-Forschungspreis 2002 (Dotation 1.500 Euro) ausgezeichnet worden. Ein Forschungsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft ermöglichte der Preisträgerin, in dem renommierten Labor von Prof. Dr. Marsha A. Moses an der Harvard Medical School, Boston, USA, einschlägige Untersuchungen in vitro und in vivo zur Einheilungs- und Resorptionsphase eines neuartigen, langzeitresorbierbaren elastischen Polymers, das in Weichgeweben eingesetzt wird, durchführen. An der Ulmer Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohren-Heilkunde absolviert Dr. Rickert ihre Facharztweiterbildung. Dabei besteht ein interdisziplinäres Kooperationsprojekt zwischen der Klinik und dem Zentralinstitut für Biomedizinische Technik (ZIBMT). Hier verfolgt die Preisträgerin ihre Forschungen weiter.
Während an Fragestellungen zum klinischen Einsatz von Biomaterialien in anderen operativen Disziplinen wie u. a. der Orthopädie, der Kardiochirurgie, der Augenheilkunde oder der Urologie schon seit Jahren intensiv gearbeitet wird, stehen in der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und der plastischen Kopf/Hals-Chirurgie die Entwicklung und Anwendung von biokompatiblen Werkstoffen noch am Anfang. Der wissenschaftliche Schwerpunkt von Dr. Rickert liegt auf der Untersuchung von multifunktionalen Polymersystemen, die aufgrund ihrer physiko-chemischen Eigenschaften neue therapeutische Optionen eröffnen können. Die Komplexität dieses Forschungsprojektes erfordert eine interdisziplinäre grundlagenwissenschaftliche Kooperation zwischen Chemie, Materialwissenschaften, Zell- und Molekularbiologie und Medizin. Die Zusammenarbeit zwischen der HNO-Klinik und dem ZIBMT schafft dafür die Voraussetzungen.
In den bisher durchgeführten Untersuchungen konnten die ausgezeichnete Biokompatibilität und Biofunktionalität der eingesetzten neuen Polymersysteme in vitro und in vivo gezeigt werden. Ein Schwerpunkt der bisherigen Experimente lag auf der Beeinflussung des Wundheilungsprozesses. Dr. Rickert konnte u.a. die zeitabhängige Wirksamkeit der den Gewebeumbau bewerkstelligenden körpereigenen Enyzme (Matrix-Metalloproteinasen, MMPs) sowohl in vitro als auch in vivo nachweisen. Ihre besondere Leistung liegt darin, nicht nur Gewebsumbauprozesse erfaßt, sondern auch die Hemmstoffe (Gewebe-Inhibitoren der Metalloproteinasen, TIMPs) beschrieben und die jeweiligen Hemm-Mechanismen der Umbau-Prozesse beleuchtet zu haben. Bei den MMPs und TIMPs handelt es sich um Enzyme, deren ausgewogene Interaktion für einen komplikationslosen Wundheilungsverlauf von wesentlicher Bedeutung ist. Die Ergebnisse der bisher durchgeführten Arbeiten deuten an, daß der Wundheilungsprozeß auf zellulärer und biochemischer Ebene in der Einheilungsphase eines Biomaterials durch Oberflächenmodifikationen des Polymers gezielt beeinflußt werden kann.
Ein weiterer Schwerpunkt der bisherigen Arbeiten lag auf der Beobachtung des Einflusses der biodegradierbaren Polymere auf die Gefäßneubildung (Angiogenese) in verschiedenen In-vitro- und In-vivo-Modellen. Die Angiogenese spielt im Rahmen der regulären Wundheilung eine entscheidende Rolle. In den Versuchen konnte gezeigt werden, daß die Induktion der Angiogenese und die Gefäßmorphologie durch das Polymer und die Degradationsprodukte des Polymers nicht beeinflußt werden. Derzeit konzentrieren sich die Untersuchungen auf relevante Faktoren für das Gewebswachstum und auf die Frage, wie sie in das Polymer aufgenommen und kontrolliert wieder freigesetzt werden können, um die Angiogenese sowie die Gewebsintegration des Polymers nach Implantation gezielt zu steuern.
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